Kapitel 5 ~ Mr. Anderson Junior

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Mittlerweile saß ich wieder in meinem eigenen Büro und wusste nicht ganz so recht was ich jetzt tun sollte. Ich habe mir schon eine Stunde lang den Kopf darüber zerbrochen, warum mich Miss Jackson zum Seminar eingeladen hatte. Aber ohne Ergebnis. Keine Ahnung was in ihrem Kopf vorging. Ich hatte schon einen Kollegen von mir vorgewarnt, dass er meinen Fall für paar Tage übernehmen muss. Ich konnte diesen schließlich nicht einfach unbearbeitet lassen, nur weil meine Chefin meinte mich mit auf ein Seminar zu nehmen.
Abgesehen davon, ist das Treffen, welches ich mit Anderson ausgemacht hatte, in 4 Stunden und seine Akte bin ich schon zum vierten Mal durchgegangen. Heute war ein sehr langweiliger Tag und dabei habe ich erst um 10 Uhr angefangen zu arbeiten. Naja wenn man es arbeiten nennen konnte.

Ich sah zu Markus rüber. Dieser sah auch nicht grade so aus, als wäre er motiviert weiter hier rum zu sitzen.
Er schien mein Blick zu bemerken und rief mir ein „Na auch nichts zu tun?" rüber.
„Ne nicht wirklich. Lust auf einen Kaffee?"
„Für ein Kaffee bin ich doch immer zu haben. Das weißt du doch." sagte Markus lächelnd. Wir zogen uns unsere Jacken an und verließen die Kanzlei, um zu dem Bäcker gehen, welcher sich direkt auf der anderen Seite der Straße befand. Denn der Kaffee in der Kanzlei war meiner Meinung nach mehr als scheußlich. Ich sollte mir mal eine Kaffeemaschine fürs Büro zulegen.
Mit einem warmen Becher Kaffee in der Hand, beschloss ich, vor der Kanzlei, noch eine zu rauchen. Obwohl Markus es nicht befürwortet, dass ich rauche, bleibt er bei mir und erzählt mir von seinem Wochenende.
Markus war für mich in etwa so, wie ein schwuler bester Freund. Nur das sich die Freundschaft weitestgehend abspielte. Das lag nicht daran, dass wir uns nicht gut genug verstanden, um privat etwas zu unternehmen. Leider war es nur so, dass Markus und ich einfach nichts gemeinsam hatten und somit es noch keine Gelegenheit gab, wo wir uns außerhalb es Büros gesehen haben.

Mittlerweile sind über 3 Stunden vergangen und ich befand mich, in meinem Auto, auf dem Weg zur Bar, in welcher das Treffen zwischen mir und Anderson stattfinden sollte. Als ich meinem Ziel immer näher kam, wurde mir bewusst, dass ich mich in einem sehr alten und verkümmerten Teil der Stadt befand. Viele Gebäude waren so kaputt, dass ich daran zweifeln musste, dass hier überhaupt noch Menschen wohnten.
Nach ungefähr 45 Minuten Fahrt, erreichte ich endlich mein Ziel und parkte auf dem dazugehörigen Parkplatz der Bar. Auch die Bar sah schäbig aus! Ich hatte auch nichts anderes mehr erwartet. Als ich aus meinem Auto stieg, sah ich, dass vor dieser ein junger Mann, welchen ich auf Anfang 30 schätzte, stand.
„Konnte das Anderson sein?", fragte ich mich selbst.
Ich entschloss mich ihn einfach zu fragen. Eine andere Wahl hatte ich schließlich auch nicht.
„Guten Tag sind Sie Mr. Anderson?", fragte ich den, mir unbekannten, Mann.
„Ja der bin ich. Dann müssen Sie Regina Sommer sein. Hab ich recht? Freud mich Sie kennenzulernen.", erwiderte er und gab mir die Hand.
Nach der kurzen Begrüßung fragte ich ihn, ob wir reingehen wollen, da das weitere Gespräch, welches über seine Anklage gehen würden, auf einer öffentlichen Straße nicht angebracht wäre. „Naja in einer Bar ist es auch nicht angebrachter.", fügte ich in meinen Gedanken dazu.

Daraufhin betraten wir die Bar, welche von innen eindeutig einladender wirkte, als sie von außen den Anschein gemacht hatte. Mr. Anderson und ich setzten uns an einer der hintersten Tische, da ich dort weniger das Gefühl hatte beobachtet zu werden.
Mr. Anderson machte den Anfang ins Gespräch, indem er sich dafür bedankte, dass ich mir die Zeit genommen habe ihn außerhalb der Stadt zu treffen. Ich meinte, dass dies kein großes Problem gewesen sei und fing ohne Umschweife mit dem eigentlich Thema des Treffens an.
„Sie wurden angeklagt mit ihrem neuen Smart Home System ihre Käufer ausspioniert zu haben! Stimmt das?"
Mr Anderson überlegt kurz und bejahte meine Aussage.
„Haben Sie selbst dazu noch etwas zu sagen?", fragte ich mit Nachdruck, um an mehr Informationen zu kommen.
„Mir ist bewusst, dass ich dafür verantwortlich gemacht werde, dass private Information über das Smart Home System an die Öffentlichkeit weiter geleitet wurden. Jedoch habe ich nichts mit der Sache zu tun!", sagte er gelassen.
„Und wer hat ihrer Meinung etwas damit zu tun. Es ist schließlich ihr System." sagte ich mir fester Stimme.
„Ich habe das System nur verkauft, nicht entwickelt. Da müssen Sie die Entwickler des Systems fragen."

Langsam aber sicher fing mich der Typ an zu nerven. Erst tat er auf überfreundlich und nun rückte er nicht mit der Sprache raus.
„Mr. Anderson Sie haben mich kontaktiert, damit ich ihnen helfe. Also müssen Sie mir auch Informationen liefern.", meine Stimme wurde lauter. In dem Moment war es mir egal, ob einer der wenigen Gäste der Bar etwas von diesem Gespräch mitbekommt.
Anderson zuckte zusammen. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.
„Schon gut ich erzähle ihnen die Geschichte von Anfang an.", sagte er kleinlaut.
Und dann fing er an zu erzählen.
„Meine Firma hat vor fünf Jahren begonnen ein Smart Home System zu entwickeln. Dies geschah alles intern in der Firma, da wir unsere eigenen Entwickler und Techniker im Haus besitzen. Zu dem Zeitpunkt war ich jedoch noch nicht in der Firma angestellt, da diese mein Vater gehörte. Ich habe somit beinahe nichts davon mitbekommen, wie dieses System entwickelt wurde. Dadurch habe ich auch nur ein grobes Wissen darüber, wer an der Entwicklung mitgewirkt hat. Als ich vor 6 Monaten die Firma übernommen habe, war das System schon fertig und wurde zum Verkauf gestellt. Ich und auch meine Schwester haben uns lediglich nur um den Verkauf gekümmert." damit endete er seine Erzählung.

Als ich kurz über seine Antwort nachgedachte, zählte ich eins und eins zusammen.
„Wollen sie mir also damit sagen, dass ihr Vater eigentlich der Angeklagte sein müsste?", fragte ich noch einmal zur Sicherheit.
„Genau genommen ja. Jedoch weiß niemand wo er ist. Mein Vater hat sich nie in der Öffentlichkeit blicken lassen. Nur ein kleiner Teil der Firma hat ihn je zu Gesicht bekommen. Deshalb hat auch fast niemand den Chef Wechsel mitbekommen. Wie denn auch! Wenn niemand wusste, wie er aussah."
„Und Sie und ihre Schwester wissen auch nicht wo er ist? Oder seine Frau?" fragte ich skeptisch.
„Nein. Er ist mitten in der Nacht verschwunden und hat lediglich ein Brief hinterlassen, indem stand, dass nun ich und meine Schwester die Firma leiten müssen. Und unsere Mutter ist schon vor sehr langer Zeit gestorben." er wirkte plötzlich ein bisschen traurig. Anscheinend nahm ihn die Sache mit seiner Mutter und vielleicht nun auch mit seinem Vater ganz schön mit.
Als ich ihn so ansah, wollte ich meine nächste Frage gar nicht stellen. Jedoch hatte ich keine andere Wahl. Ich brauchte diese Information.
„Fanden Sie dies nicht seltsam? Haben sie die Polizei eingeschaltet, um ihn zu finden?"
„Natürlich haben wir das, aber niemand wollte uns helfen. Sie meinten, dass sie keine Zeit hätten einen erwachsenen Mann zu suchen, welcher freiwillig gegangen war."
Ich war der Überzeugung Wut in seiner Stimme gehört zu haben. Jedoch ließ er sich von außen nichts anmerken.

Im Nachhinein würde mir bewusst wie dumm diese Frage eigentlich gewesen war. Natürlich hat die Polizei in solch einer Situation nichts getan. Nicht einmal eine Vermisstenanzeige würden sie bei solchen Bedingungen schreiben. Aber nun ist es ein neuer Sachbestand, dachte ich mir.
„Okay ich würde sagen, dass wir für heute das Gespräch beenden können.  Ich muss mich erst einmal um ein paar Dinge kümmern, bevor wir uns weiter mit der Anklage auseinander setzen können. Sagen Sie bitte ihrer Schwester Bescheid, dass ich sie morgen in meinem Büro erwarte."
„Was hat meine Schwester damit zu tun?'' fragte Anderson.
„Ich brauche nur ein paar Aussagen von ihr. Nichts dramatisches. Sagen sie ihr, dass ich sie morgen ungefähr gehen 14 Uhr erwarten werde. Falls ihr diese Uhrzeit nicht passen sollte, können sie mich anrufen." 
Wir verabschiedeten uns und ich sagte, dass ich mich bei ihm melden werde, sobald ich etwas wichtiges herausgefunden habe.
In meinem Auto dachte ich noch einmal über das Gespräch nach. Wirklich weitergeholfen hatte es mir nicht. Es hat eher mehr neue Fragen aufgeworfen, worauf ich nun eine Antwort suchen musste. Dieser Fall wird alles andere als einfach werden.

The Anderson Story (gxg) Where stories live. Discover now