Der Brief

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Kylies P.o.V

Kylie,

Solltest du diesen Brief überhaupt jemals bekommen, dann ist etwas vorgefallen. Ich habe gerade eine schreckliche Nachricht bekommen. Eine Nachricht, welche mich aus der Bahn geworfen hat. Sie hat mich so sehr durcheinander gebracht, dass ich dir jetzt einen Brief schreibe und riskiere, dass ihn einer der Jungs finden könnte.

Ich habe gerade einen Anruf bekommen, in dem mir gesagt wurde, dass Mum und Dad gestorben sind. Ich weiß nicht, was mehr schmerzt. Die Tatsache, dass ich mich nicht einmal von meiner Familie verabschieden konnte oder die, dass ich nicht einmal das Recht habe, sie eine Familie zu nennen.

Ich war noch ein Kind, als ich die Musik für mich entdeckt habe. Von Anfang an war sie immer in meinem Kopf und ich konnte an nichts anderes denken. Die Musik stand für mich mein Leben lang an erster Stelle. Als du vier Jahre alt warst, bin ich auf ein Internat gegangen. Ein Internat, welches meine Talente fördern und mich meinem Traum etwas näher bringen konnte. Mehr als das wollte ich nie. Ich war glücklich, als ich angenommen wurde und obwohl ich gerade erst sieben war, lebte ich dort. Ich besuchte das Internat ab der ersten Klasse. Du warst noch so jung... Anfangs hast du oft gefragt, wo ich bin und was ich mache. Mum und Dad haben immer gesagt, dass ich wieder kommen würde. Sie haben mich immer unterstützt. 

Ganz im Gegensatz zu allen Anderen. Seit du auf der Welt warst, hat dich jeder geliebt. Du warst ein Sonnenschein und alle wollten immer, dass ich werde wie du. Dass ich ein verschlossener Mensch war, hatten sie nie akzeptiert, Du hast immer gelacht und ich war so neidisch. Ich habe das Gefühl, ein schlechter Mensch zu sein, wenn ich jetzt darüber nachdenke, doch damals habe ich keinen anderen Ausweg gesehen als das Internat. Als ich zehn wurde, habe ich angefangen, Aufnahmen zu machen und unseren Eltern wurde klar, dass ich so schnell nicht wieder kommen könnte. 

Das klingt verrückt und unrealistisch aber es war so. Unsere Eltern haben eingesehen, dass ich meinen Weg alleine gehen und nicht wieder zurück in eine Kleinstadt kommen würde. Glaub mir, ich wollte euch besuchen, doch das Internat gab mir keine Möglichkeit. Ich musste einfach dort sein, alles andere hätte sich so falsch angefühlt. Es war der einzige Ort, an dem es Niemanden gab, mit dem ich verglichen wurde. Ich war ich und das war gut so.

Also haben sie dir erzählt, ich wäre lediglich der Junge aus dem Nachbarhaus gewesen, von der Familie, welche umgezogen war. Du hast ihnen geglaubt, weil du zu jung warst, um dich an alles zu erinnern.

Wir haben uns damals zu diesem Weg entschieden, da wir dir keine Schmerzen bereiten wollten. Du hättest dir Vorwürfe gemacht. Du hättest dich immer wieder gefragt, wieso dein Bruder nicht für dich da sein konnte. Das wollte ich nicht. Mum und Dad wollten eine bessere Lösung finden, doch ich habe keinen anderen Ausweg gefunden. Also haben wir uns dazu entschlossen. Sie haben mir jedes Jahr ein Bild von die geschickt, so konnte ich sehen, wie sich meine kleine Schwester entwickelt.

Es tut mir Leid. Damals zu denken, dass du mich nicht brauchen würdest, wenn ich nie da sein könnte, war dumm gewesen. Aus Neid zu gehen war dumm gewesen. Alles war einfach dumm gewesen. Gerade jetzt ist mir eingefallen, wie verzwickt all das ist. Du hast einen Bruder, doch du weißt nicht, dass er existiert. Und ich habe eine Schwester und weiß nicht, wie ich es ihr sagen soll.

~Jonah

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Kylie,

Nun sitze ich schon wieder hier und schreibe einen dämlichen Brief. Bald ist die Tour vorbei und ich habe es immer noch nicht geschafft, es dir zu sagen. Dass du hier bist, hat mich aus der Bahn geworfen. Ich weiß nicht, wieso ich so schrecklich zu dir gewesen bin. Ich wollte, dass du wieder gehst, damit du nicht durch einen dummen Zufall erfährst, wer ich bin. Ich habe Angst, dass so etwas bald passiert. 

Ich werde es dir sagen, doch noch bin ich nicht bereit dazu. Ich habe Angst, dass du gehst und dann ohne ein Dach über dem Kopf dastehst. Ich habe die Jungs eingeweiht und auch das bereue ich langsam. Sie versuchen mich zu drängen, mit dir zu reden. Auch die vier wollen dich nicht verlieren. Nun habe ich sie in die ganze Sache mit hereingezogen und sie sind in mein Chaos verwickelt. Sie können nichts dafür. Ich habe ihnen verboten es dir zu sagen, sogar Daniel. 

Daniel. Ich komme einfach nicht damit klar. Ich habe meine kleine Schwester gerade wieder gefunden und noch bevor ich mit ihr reden konnte, war sie mit Daniel zusammen. Er hat dich seit dem ersten Tag nicht mehr aus den Augen gelassen. Ihr seid glücklich und das ist gut, doch in diesem Zusammenhang ist es einfach seltsam. Du weißt nicht, dass ich dein Bruder bin, und deswegen hast du keine Hemmungen. Ich sehe euch beide ständig zusammen. Ob ihr nun Händchen haltend durch die Städte lauft, gemeinsam bei Meet & Greets seid oder ob ihr euch vor meinen Augen küsst. Immer wieder muss ich daran denken, dass es sich um meine kleine Schwester und meinen besten Freund handelt. 

Wenn ich ehrlich bin, verstört mich das ein wenig. Ich frage mich immer, ob du genau so wärst, wenn du wüsstest, dass ich dein Bruder bin. Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich hätten Daniel und du ewig gebraucht, es mir zu sagen und ihr wärt weitaus verschlossener. Was ich nun besser fände, weiß ich auch nicht so ganz. 

Am besten fände ich es, wenn du einfach schon lange wüsstest, wer ich bin und wir genau so leben könnten wie jetzt - Nur ohne Lügen und Geheimnisse.

~Jonah

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Kylie,

Als die Stewardesse heute meinen Namen durch das Flugzeug gerufen hat, wäre mir beinahe das Herz stehen geblieben. Ich hatte wirklich Panik, dass du es in einem überfüllten Flugzeug flüchtig erfährst. Meine Tattoos und meine Ringe hätten mich so leicht verraten können... Es war das erste Mal, dass ich froh war, so wenig mit dir unternommen zu haben.

Du darfst mich nicht falsch verstehen, aber wenn wir uns von Anfang an besser verstanden hätten, hättest du vielleicht meine Tattoos erkannt. Dann hättest du erfahren, dass der Bruder, den du seit Monaten suchst, eigentlich ein Junge ist, mit dem du zusammenlebst. Ein Junge, von dem du wahrscheinlich denkst, dass er sich so seltsam verhält, um seine Eifersucht auf dich und deinen Freund zu verstecken. Dass es das nicht ist, wirst du spätestens dann merken, wenn du meinen wahren Namen herausfindest.

Du hast es verdient, die Wahrheit auf einen besseren Weg zu erfahren als auf diesen und ich weiß, dass du es erfahren wirst. Ich werde es dir erklären, wenn wir wieder in LA sind. Zu Hause hast du mehr Freiraum, um es zu verarbeiten. Gerade dieses Erlebnis heute hat mir gezeigt, wie wichtig es wird, dir dir Wahrheit zu sagen.

Daniel ist ziemlich enttäuscht von mir, weil ich behauptet habe, es dir gesagt zu haben, obwohl ich in Wirklichkeit jeden Versuch von dir, mich anzusprechen ignoriert habe. Ich möchte nicht, dass Daniel den richtigen Zeitpunkt entscheidet, wann ich mit dir reden sollte. Das ist meine Sache. Das klingt egoistisch aber ich brauche den richtigen Zeitpunkt. Und gestern Abend war er nicht.

~Jonah

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Kylie,

Es tut mir Leid.

~Jonah






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