91

13.2K 323 14
                                    

Zusammengekrümmt lag er auf dem Boden. Er ruhte auf der Seite mit dem Rücken zu mir gewandt, dieser war durchzogen von Wunden und Narben, mehr konnte ich nicht erkennen.
Mir stiegen die Tränen in die Augen. Ich war tatsächlich am Anfang froh darüber, dass er nicht in der Schule erschienen war, zwar aus einem anderen Grund, aber trotzdem.
Der Schock saß tief bis in die Knochen. Ich merkte, wie ich nach Luft rankte, als hätte mir jemand die Brust zugeschnürt.
Es tat so unheimlich weh ihn so zu sehen, hilflos gegenüber allen.
Er war tatsächlich ausgetreten, warum, keine Ahnung.
Ich wusste nicht mal, ob er es überlebt hatte oder nicht, geschweige denn wie es ihm geht.
Ich spürte wie mein Körper zu zittern begann und ich nur noch Rauschen wahrnahm. Joseph hatte ich ausgeblendet, ich hatte alles ausgeblendet.
Mir fiel es unglaublich schwer nicht zusammenzubrechen und anfangen zu weinen vor dem Mann, der ihn dahin gebracht hatte.
Plötzlich vibrierte mein Handy auf.
Mit zitternden Fingern drückte ich mir das Telefon ans Ohr, keine Ahnung, wer jetzt auf die Idee kam mich anzurufen.
"Annabelle?" Es war eine bekannte Stimme, die aufgebracht schien, aber ich war zu durch den Wind um sie einzuordnen.
"Hallo", flüsterte ich. Mein Kloß im Hals war dicker als ich dachte.
"Annabelle, ich bin's Logans Mutter", sagte sie leise und schniefte.
Logans Mutter? Ich drückte mir das Handy näher ans Ohr, sodass es schon fast weh tat.
"Mrs Drakeson", murmelte ich hektisch. "Ist etwas mir Logan? Wie geht's ihm?"
Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
"Annabelle", wisperte sie leise. "Du musst sofort ins Krankenhaus kommen."
Ohne Joseph eines weiteres Blickes zu würdigen, verließ ich abrupt die Fabrik.
Wie betäubt rannte ich zu meinem Auto und fuhr los zum Krankenhaus.
Ich weiß nicht, ob das etwas Gutes, oder Schlechtes war. Einerseits war Logan nicht tot, da man ihn sonst nicht ins Krankenhaus gebracht hätte, andererseits rankte er gerade vermutlich um sein Leben.
Ich nahm nichts mehr wahr, meine Gedanken galten nur noch dem Jungen, der versucht hatte das Richtige zu tun.
Am Gebäude angekommen, parkte ich schnell und lief zum Eingang der Notaufnahme.
Es war viel los, eine Menge Ärzte gingen hektisch von einem Patient zum Nächsten, aber keiner schien mich zu beachten.
Nach kurzer Suche fand ich Logans Mutter weinend in einem der Sitze.
Völlig aufgelöst sprang sie mir in die Arme und ich drückte sie fest an mich.
Obwohl ich Logans Mutter vielleicht dreimal gesehen hatte, empfand ich dasselbe, wie sie: Aufregung und Sorge.
Langsam wurde ihr Schluchzen weniger, sodass ich sie etwas von mir wegdrücken, sie aber noch an den Schultern festhielt.
"Was ist passiert?", fragte ich atemlos, voller Panik auf die Antwort.
Erneut bildeten sich Tränen und liefen ihr über ihre geröteten Wangen.
"Ich weiß es nicht", wisperte sie und schluckte. "Ich bekam einen Anruf hier aus dem Krankenhaus, sie meinten, ich solle unverzüglich hier her kommen, es handle sich um meinen Sohn Logan Drakeson."
Sie wischte sich mit einem Taschentuch über ihr gerötetes Gesicht.
"Ich wusste nicht, wen ich hätte anrufen sollen, Annabelle, es tut mir leid", flüsterte sie und begann wieder zu weinen. Schnell drückte ich sie an mich und strich sachte über ihren Rücken.
Ich konnte es mir nicht erlauben zu weinen, vermutlich stand ich auch einfach unter Schock.
Ich wollte, nein, konnte nicht darüber nachdenken, was mit Logan war.
"Ist schon in Ordnung", versuchte ich sie zu beruhigen. "Alles wird wieder gut."
Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, sprangen die Türen mit voller Wucht auf und ein Team aus Sanitätern stürmte hinein, die eine Liege schoben.
Der Patient wurde von Hand beatmet und fast vollkommen einbandagiert.
Als ich erkannte, wer auf der Trage lag, schnürte sich meine Kehle zu. Logan.
Sein Gesicht war durchzogen von kleineren Wunden, die Lippen aufgeplatzt, hunderte von blauen Flecken und Blutergüssen bildeten sich bereits auf seiner Brust, sein Kopf wurde durch eine Stütze verstärkt.
Es waren vielleicht nur wenige Sekunden, in denen ich ihn sah, aber alles spielte sich in Zeitlupe ab.
Ich konnte nicht anders, als Logans Mutter alleine zu lassen und der Liege hinterher zu rennen, bis mich eine Ärztin vor einer großen weißen Tür aufhielt.
Das Schild war deutlich: Kein Zutritt für Zivilisten.
Aber mir war alles gleichgültig, ich musste zu Logan, ich musste ihn sehen.
"Miss, bitte warten sie im Warteberwich des Krankhauses, ihr Freund wird erstmal versorgt." Die Ärztin schien mich zu beruhigen wollen, aber es klappte nicht.
"Er ist in guten Händen, meine Kollegen werden ihr bestes geben, das verspreche ich Ihnen", fügte sie hinzu.
Ich fuhr mir aufgeregt durch die Haare und sah Logan nach.
Alles lag nun in den Händen der Ärzte und ich konnte nichts tun, außer warten.

Good Badboy ?!Where stories live. Discover now