• Kapitel 23 •

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Kapitel 23:
offene Augen
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„Man, selbst im Tod sehen ihre Augenbrauen katastrophal aus." murmelte Stormy, als wir vor einem der wenigen geöffneten Särge standen. Darin befand sich Medina, aka das Mädchen mit den weit auseinander stehenden Augenbrauen, dass ein Teil von Fredd's Clique gewesen war.

Ich nickte zustimmend, und betrachtete sie still. Ihre Haut war blass, und ihre braunen Haare bildeten einen starken Kontrast zu dem weißen Kissen, auf dem ihr Kopf platziert worden war.

„Meinst du, da wo sie jetzt ist, mobbt sie weiter?" rutschte es Stormy neugierig heraus. Ich zuckte mit den Schultern. „Vermutlich."

Ich hatte sie absolut nicht leiden können, doch das hier, Tod in einem Sarg zu liegen, nachdem ein Schnapper sie attackiert hatte, das hatte sie wirklich nicht verdient. Das hatte keiner von ihnen verdient.

Wir liefen weiter, zum nächsten Sarg. Dieser war geschlossen, so wie die meisten im Raum. Die Leichen waren einfach zu stark verstümmelt, um sie den Schüler zu präsentieren. Ich schluckte schwer, als ich realisierte, dass wir nun vor Ravens Sarg standen. Als Stormy das bemerkte, legte sie ihren Arm um meine Schulter. „Hey, sie ist jetzt an einem besseren Ort." versuchte sie mich aufzumuntern. Ich nickte schniefend. „Ich hoffe es doch.."

Plötzlich spürte ich ein gewisses Augenpaar in der Menge auf mir haften, und hob meinen Blick. Es war Fredd. Er starrte mich eindringlich an, und verzog dabei keine Miene. Ich starrte genauso eindringlich zurück, und atmete tief durch.

Zugegeben, als erstes hatte ich ihn verdächtigt, die Schnapper rein gelassen zu haben. Doch auch er hatte eine Freundin verloren, von daher ging ich nun nicht mehr davon aus, dass er es gewesen sein könnte.. oder vielleicht doch? Fredd war kaltherzig. Aber war er wirklich so kaltherzig, dass er eine Freundin von sich opferte?

Ich wusste es nicht.
Fakt war, ab jetzt war jeder ein Verdächtiger.

Eins hatte ich bisher außer Augen gelassen.. denn egal wie sehr ich mich an die Magie und den Reiz meines neuen Lebens gewöhnt hatte, ich hatte vergessen, wie gefährlich es eigentlich war.

Es starben Personen. Menschen. Schüler.
Meine Freunde.

Personen die mir nahe stehen.

Es war schon von Anfang an gefährlich gewesen, doch nun kam noch dazu, dass wir einen Mörder unter uns hatten. Ab jetzt konnte ich erstrecht niemanden mehr trauen.

Ich wischte mir die Tränen aus den Augen, und blieb noch etwas länger an Ravens Sarg stehen. Erinnerungen rauschten in Höchstgeschwindigkeit durch meinen Kopf, und ich hielt die Luft an. „Hey." ertönte es plötzlich von neben mir.

Überrascht drehte ich mich zur Seite. Dort stand Corey, und sah mich erwartungsvoll an. Ich hatte nicht mal mitbekommen, dass er sich mir genähert hatte. Schweigend betrachtete ich ihn. Die Blutergüsse in seinem Gesicht waren nach wie vor präsent, und ich wollte gar nicht wissen, wie sehr der Schlag geschmerzt haben musste.

„Hey." erwiderte ich leise. „Alles okay?" fragte er mich besorgt. Ich seufzte, und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. „Ja. Ich brauchte nur einen Moment." Er nickte. „Gut, dann lass uns mit zu den anderen gehen." sagte er, und machte eine Kopf Bewegung zu den vielen Stühlen, die in der Halle aufgestellt worden waren, und auf denen sich schon die anderen Schüler nieder gelassen hatten.

Ich nickte, schluckte den fetten Kloß in meinem Hals herunter und folgte ihm. Wir ließen uns in der zweiten Reihe auf die freien Stühle neben Noah, Stormy und Leo nieder. „Ich habe mit meinem Vater geredet." raunte Corey mir dabei ins Ohr. „Du kannst noch heute zu Stormy ins Zimmer wechseln." Dankbar sah ich ihn an. „Danke."

Er nickte mir zu. „Nichts zu danken."

„Meine Lieben.." setzte Mr.Jarozsek an, der sich mit den anderen Lehrern ganz in schwarz gekleidet vor uns positionierte. „Heute haben wir uns alle so zahlreich versammelt, um unseren gefallenen Schülern die letzte Ehre zu erweisen." Das Murmeln, welches bisher noch durch die Mengen ging, erlosch sofort, und eine bedrückende Stimmung senkte sich über den Saal. Ich krallte meine schwitzigen Handflächen in den Rock meines schwarzen Samtkleides, und hielt die Luft an.

„Unsere Schüler, die viel zu jung sterben mussten, und die diesen Tod nicht verdient haben." fuhr er fort, und dabei nahm ich ein leichtes Beben in seiner Stimme wahr. Ich lies meinen Blick durch die Menge gleiten. Überall wurde in Taschentücher geschnieft, oder der Kopf auf die Schulter des nebenan Sitzenden gelegt. Corey neben mir, zog ein ernstes, finsterstes Gesicht. Ich atmete tief durch, und blickte wieder zu den Lehrern nach vorne.

„Mögen ihre Seelen gut übertreten, und für immer in Frieden ruhen.."

•••

Die restliche Woche verging schleppend langsam. Dazu kam, dass ich ziemlich deprimiert war. Und das würde ich wohl noch für die nächsten Wochen bleiben. Dass ich nun bei Stormy im Zimmer wohnte, tat mir gut, doch trotz allem bekam ich Nachts einfach kein Auge zu.

Denn jedes Mal, wenn ich meine Augen schloss, sah ich sie vor mir. Ihre aufgerissenen Augen, das Blut und all die Wunden.. Dieses Bild hatte sich in mein Gehirn fest gebrannt, und ich bekam es einfach nicht mehr los. Zudem hatten die Lehrer die Sicherheitsmaßnahmen ganz schön angezogen.

Wir durften nur noch zu zweit das Akademiegelände betreten, und ab 18 Uhr hatte sich jeder drinnen zu befinden. Außerhalb des Geländes konnte man sich nur noch mit einer Genehmigung der Akademieleitung höchstpersönlich aufhalten.

Achja, und hatte ich schon das Training erwähnt?

„Schneller Reyna!" feuerte Stormy mich an. Schweiß lief mir über die Stirn, als ich verzweifelt versuchte, den von Mr.Wood aufgebauten Parkour in der vorgegebenen Zeit zu schaffen. Leo war nur knapp hinter mir. Erschöpft versuchte ich, mich schneller voran zu bewegen. Als ich dann endlich über die Linie rannte, die das Ende symbolisierte, atmete ich erleichtert auf.

Ich kam zum stehen, und wischte mir den Schweiß vom Gesicht. „Sehr gut gemacht." lobte mich Mr.Wood, als er mit der Stoppuhr in der Hand auf mich zu kam. „Danke." keuchte ich, und joggte hastig zu Noah und Stormy rüber, die am Rand des Trainingsplatzes auf mich warteten.

„Ich versteh eh nicht, wie dieses Training uns im Kampf gegen die Schnapper helfen soll.." „Ganz einfach.." murmelte ich, während ich nach meiner Wasserflasche griff. „Manchmal kommst du in die ziemlich beschissene Situation, dass du vor einem weglaufen musst. Da ist Ausdauer echt alles.. glaub mir, ich spreche aus Erfahrung." grinste ich.

Nun grinste Noah ebenfalls. „Dann hoffen wir besser, dass ich niemals in eine solch äußerst blöde Situation komme, denn meine Ausdauer gleicht der einer Schildkröte." „Wohl eher der eines Faultieres." wand Stormy ein.

Plötzlich piepste mein Handy auf, und zeigte mir eine neue Nachricht meiner Schwester an.

Neugierig öffnete ich sie.

Wir müssen reden.
Ruf mich in einer Stunde an.

stars in the sky | rise Where stories live. Discover now