• Kapitel 42 •

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Kapitel 42:
lass uns Familie spielen
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Wir liefen schon seit einer guten viertel Stunde durchs Feenreich, und hatten bisher noch kein einziges Wort miteinander gewechselt.

Unangenehm.

Corey wollte mich nach wie vor nicht dabei haben, und das bekam ich nun zu spüren. Naja.

Was soll's. Immerhin konnte ich ihn auch nicht leiden. Sein mangelndes Interesse an einem Gespräch beruhte also auf Gegenseitigkeit.

Wir liefen einen kleinen Pfad am Rande eines Feldes entlang, und der Himmel leuchtete in wunderschönen Pastell Tönen. Wenigstens konnte Corey diesen Ort mit seiner Anwesenheit nicht weniger schön machen. Es war nach wie vor atemberaubend, hier zu sein.

Plötzlich fiel mir eine kleine, rosafarbene Blume am Wegesrand auf. Ich hielt einen Moment inne, und kramte Ravens Zutatenliste heraus. Bingo.

Wie es schien, hatte ich soeben die erste Zutat für meine bittersüße Rache gefunden. Ich steuerte auf sie zu, und pflückte sie vorsichtig.

Corey blieb genervt stehen. „Wir sind nicht hier, um Blumen zu pflücken. Wir haben eine Mission zu erledigen." sagte er. Ich zuckte mit den Schultern, und steckte sie behutsam in die Plastiktüte, die ich extra eingepackt hatte. „Komm jetzt." zischte er mir zu. Ich holte tief Luft, und setzte mich wieder in Bewegung. „Hör mal.." setzte ich an.

„Ich weiß ich bin nicht gerade deine erste Wahl für diese Mission, aber es ist nunmal, wie es ist. Komm endlich damit klar." versuchte ich so ruhig wie möglich zu sagen. Er warf mir einen Seitenblick zu. „Was hast du mit dem Ruprechtskraut vor?" schoss es plötzlich aus ihm. Ich starrte auf die Plastiktüte in meinem Händen. „Vielleicht will ich es dir ja schenken.. Weil du heute so besonders freundlich bist.." entgegnete ich ihm. Er bis sich auf die Unterlippe, und erwiderte nichts mehr.

Zum Glück.

Weiter vorne entdeckte ich dann meine nächste Zutat, und ich stürmte zufrieden los. Meine eigene Mission verlief schonmal ganz gut.

•••

Eine grauenvolle Stunde voller Schweigens später, kamen wir schließlich an eine meterhohe, nasse, von Moos überwucherte Felswand, die uns den Weg absperrte. Hier musste es sein. Die Grenze zwischen dem Menschen und dem Feenreich.

Die Energie pulsierte förmlich in der Luft, und ich hielt angespannt die Luft an.

„Hier ist es, oder?" hakte ich neugierig nach. Corey nickte. „Nimm meine Hand." sagte er und hielt sie mir widerwillig hin. „Muss das sein?" schoss es aus mir. „Ich bin auch nicht scharf drauf, aber jetzt mach es endlich." zischte er leicht wütend. Ich starrte ihn einige Sekunden lang wortlos an, und ergriff sie dann schließlich. Sie war verdammt weich und warm. „Gut." murmelte er, und bewegte sich schließlich vorwärts - auf die Steinwand zu.

In kleinen Schritten folgte ich ihm, bis sich schließlich, als wir nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt waren, ein riesiges Portal öffnete.

„Okay." murmelte ich. „Dann lass uns mal Familie spielen, Phil." grinste ich amüsiert. In der nächsten Sekunde traten wir hindurch, und es wurde für einen kurzen Augenblick eiskalt um uns herum.

Als ich meine Augen wieder öffnete, standen wir plötzlich in einem Wald. In der Menschenwelt.

Überrascht sah ich mich um. Der Wald sah stinknormal aus. Hier waren keine Runen in die Baumrinden geritzt, hier wuchsen keine exotischen Blumen oder Kräuter, und auch der Himmel sah stinknormal aus. Langweilig normal.

Ich befand mich tatsächlich wieder in der Menschenwelt. In meiner alten Welt.

„Du wirst jetzt aber nicht sentimental, und fängst an zu heulen, oder Normie?" zog mich Corey auf. Ich warf ihm meinen Fahr-zur-Hölle Blick zu. „Sicher nicht. Lass uns gehen, Brüderchen."

Plötzlich hielt ich jedoch geschockt inne. „Warte mal.." redete ich drauf los. „Wieso siehst du immer noch aus, wie du?" fragte ich perplex. Er blickte schulternzuckend an sich herunter. „Keine Ahnung. Dauert wahrscheinlich kurz. Ich musste bisher auf meinen Missionen hier, noch nie so einen Zauber anwenden. Ich hab also keine Ahnung.."

Nachdenklich sah ich ihn an.

Durch seine letzte Mission, in der er mich befreit hatte, wusste die Polizei und die Schule, wie er aussah.. deswegen musste auch er diesmal auf einen solchen Zauber zurück greifen.

„Lass uns einfach gehen." sagte er, und lief voran. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, folgte ich ihm. Als aller erstes mussten wir aus dem Wald heraus. Umso weiter wir uns von dem Portal entfernten, umso nervöser wurde ich.

Tausende Gedanken kreisten in meinem Kopf, und ich starrte schweigend auf den Weg unter mir. Bis ich plötzlich gegen Corey's harten Rücken knallte.
„Autsch." entfuhr es mir, und ich hielt mir den Kopf. „Pass besser auf." zischte er zurück, und drehte sich zu mir um. Und während er das tat, blieb mir vor Schreck das Herz in der Brust stehen.

„Ach du.. heilige.. scheiße." wisperte ich.

Die Person, die vor mir stand, war nicht länger Corey-Oberarsch-Jarozsek. Oh nein. Vor mir stand ein blondhaariger, braunäugiger Typ, mit perfekten Wangen Knochen und Sommersprossen.

Und er war verdammt heiß.

Hastig tastete ich mein Gesicht ab. Omg. Schnell kramte ich mein Handy hervor, und öffnete die Innenkamera. „Heilige scheiße.." entfuhr es mir perplex. Ich sah überhaupt nicht mehr aus, wie ich selbst. Meine sonst so langen, hellroten Haare, waren aschblond, und reichten mir nur noch bis zur Brust. Statt den leichten Wellen, an die ich sonst gewöhnt war, waren sie glatt und fühlten sich leicht auf meinem Kopf an. Meine Augen waren braun, und auf meinen Wangen zeichneten sich ebenfalls Sommersprossen ab. Doch zum Glück hatte ich meine Nasenform behalten.

Völlig geschockt betrachtete ich mich in meiner Innenkamera.. ich war eigentlich ganz hübsch.

Corey hatte ebenfalls sein Handy hervor gekramt, und betrachtete sich ausgiebig darin.

„Das ist ja voll abgefahren.." murmelte er begeistert. „Ja, und irgendwie auch voll creepy." sagte ich. Er nickte und packte sein Handy wieder weg. „Wir müssen unsere Stimmen verstellen. Wir hören uns noch zu sehr nach uns selbst an." „Stimmt." erwiderte ich mit meiner Stimme eine Oktave heller.

„So ist es besser." nickte er zufrieden.

Ich seufzte. „Okay. Auf eine erfolgreiche Mission." murmelte ich, und lief los. Bis Corey aka Phil mich plötzlich am Arm packte, und zurück zog.

„Du wirst keine Alleingänge unternehmen, hast du mich verstanden? Du bleibst immer in meiner Nähe, wo ich ein Auge auf dich haben kann." sagte er in einem Ton, der keine Widerrede duldete.

Wer's glaubt.

„Hast du mich verstanden?" hakte er todernst nach, als ich ihm keine Antwort gab. „Ja." presste ich hervor. Daraufhin lies er mich wieder los. „Gut."

Natürlich war das eine Lüge.

Immerhin hatte ich neben unserer Hauptmission, den Hexer zu finden, noch eigene Missionen, die ich unbedingt erfüllen musste. Und kein Corey der Welt konnte mich davon abbringen, das zu tun.

stars in the sky | rise Where stories live. Discover now