Die Wunde der Vergangenheit

By demez34

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Im nächsten Moment wurde ich ruckartig nach hinten gezogen und prallte gegen die harte Brust vom Unbekannten... More

1 - der Einbruch
2 - die Nachricht
3 - unter Trümmern
4 - Doppelidentität
5 - der Sonnenaufgang
6 - das Wiedersehen
7 - Zielscheibe
8 - der Deal
9 - Eiskalt
10 - Tiefen des Meeres
11 - das Geschenk
12 - mit allen Sinnen
13 - einsam und zerbrochen
14 - der Besucher
15 - der Plan
16 - ein Funken Liebe
17 - die Übeltäterin
18 - Unerwünscht
19 - zwei Verbrecher
20 - Vollmond
21 - Grenzen
22 - ein Geheimnis
23 - Belogen
24 - schwach
25 - schön und einfach
26 - Sicherheit
27 - der Auftritt
28 - Vereint
29 - Tunnelblick
30 - unerwünschter Gast (Lesenacht)
31 - diese eine Nacht
32 - Flammen
33 - das wahre Gesicht
34 - Spiegelbild
35 - wertlos
36 - Klappmesser
37 - das Versprechen
38 - Pflaster
39 - eine Spur
40 - alles zu viel
41 - Realität
42 - Fetzen
43 - gescheiterte Liebe
45 - warm und kalt
46 - zerrissene Seele
47 - Prinz und Prinzessin
48 - das Weiße im Schwarzen
49 - Posttaube (Lesenacht)
50 - große Leere
51 - gefühlloser Mann
52 - Land der Schneestürme
53 - anonym
54 - Stalker
55 - die Devran Taktik
56 - Albtraum
57 - Durcheinander
58 - Mission Liebe
59 - Henker und Hexe
60 - unter Kontrolle
61 - graue Wolken
62 - Lebenszeichen
63 - Ungeheuer
64 - Beschützer und Feind
65 - neues Ich
66 - bewusstlos
67 - Augen voller Schmerz
68 - 7 Uhr morgens
69 - Herzschmerz
70 - Unschuld
71 - Loyalität oder Verrat
72 - zwischen Leben und Tod
73 - Wunder
74 - Romantik pur
75 - Familie Atahan (Lesenacht)
76 - harte Wahrheit
77 - die letzte Warnung
78 - Fluchtversuch vom Feinsten
79 - Geh nicht
80 - falsche Worte
81 - innere Stimme
82 - nächtlicher Besuch
83 - scheiternder Kampf der Gefühle
84 - zu perfekt
85 - ein Mann wie ich
86 - keine Liebe
87 - Gerüchte
88 - Mörder und Opfer
89 - meine bessere Hälfte
90 - halte durch
91 - selbstverliebter Eisbrocken
92 - die letzte Woche
93 - blutige Hände
94 - der Verräter
95 - Feuer und Wasser
96 - der große Schritt
97 - die schöne Seite der Welt
98 - der Alpha Mann
99 - Demir Bayraktar
100 - Mord und Trauer
101 - unser Schicksal
102 - die letzte Begegnung (Das Ende)

44 - Geborgenheit

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By demez34

Devran, 2.08.
Kämpfer zu sein, bedeutet nicht immer stark zu sein. Ein Kämpfer kann auch mal versagen oder verlieren, aber aufgeben, tut er nie.
Denn wenn du aufgibst, dann bist du ein Verlierer. Einen Kämpfer von einem Verlierer unterscheidet sein Mut und Wille. Der Kämpfer steht auf, egal wie oft er gefallen ist.
‚Wie oft bist du gefallen?', stelle ich mir die Frage. Zu oft. Aber ich muss wieder aufstehen. Wenn ich falle, werde nicht nur ich fallen. Ich bin nicht nur ein Mann, ich bin der Anhaltspunkt mancher Menschen. Wenn ich aufgebe, werde ich egoistisch sein. Ich darf nicht so egoistisch sein und zulassen, dass wegen mir weitere Menschen fallen. Wach auf Devran! Wenn die Welt nicht gerecht ist, dann sei du der Richter in deiner Welt. Steh auf, falle so oft du fällst, aber gib nicht auf...

Ich klappte mein Notizblock zu und stand vom Tisch auf. Jedes Mal tat es mir gut zu schreiben, weil ich nicht über meine Gefühle reden konnte. Sie sammelten sich in mir, bis ich nicht mehr konnte und schreib sie anschließend nieder.
Du bist mein größter Anhaltspunkt. Ist das dir klar? Wenn du fällst, werde ich auch fallen, fielen mir Damlas Worte ein. Ach Damla, wieso bist du mir nur begegnet? Ohne dich war das Leben leichter. Dieses Mädchen schaffte es sich in meine Gedankenwelt zu schleichen. Ich hatte sie in mein Leben reingezogen, also musste ich mit dieser Entscheidung klarkommen.

Im nächsten Moment klopfte es an der Tür und Serkan trat in mein Arbeitszimmer rein. In Sekundenschnelle packte ich mein Notizblock weg.
„Ich habe die Informationen gefunden, die du wolltest. Der Ordner ist fertig.", informierte Serkan mich.
„Dann lass uns ein Blick darauf werfen.", nahm ich es entgegen.
Unser Ordner Mansur Bahtiyar war bereit.
„Es ist schwierig Informationen über den Drogenboss zu finden. Er lebt in der Unterwelt und die wenigsten wissen von seiner Existenz. Man sagt, dass alle Polizisten, die auf seine Spur gekommen sind, verschwunden sind, oder tot aufgefunden wurden. Das heißt, dass er überall Spitzel hat, sogar bei der Polizei. Er arbeitet mit vielen Geschäftsmännern wie er aus dem Ausland zusammen, die ihn nochmals mit Schutzgeld bewachen. Iwan Danilow ist einer seiner größten Geschäftspartner, ein mächtiger Casino Besitzer aus Moskau. Sein Clan trägt den Namen Keskin Nişancılar (die Scharfschützen) und viele kleinere Clans gehören ihm an. Die Karacans zum Beispiel. Ihr Ziel ist es die ganzen Mächte aus Istanbul zu besiegen und den Verbund von Hamed Khalil zu lösen. Deine Familie und wir sind also auch betroffen. Langsam wollen sie in unser Verbund eindringen. Gestern bekam ich noch die Nachricht, dass Koray Özel zwei Angestellte abgeknallt hat, weil er sie als Spitzel hielt.", fasste Serkan zusammen.

„Das hatte ich mir schon gedacht. Zelal hat für heute Abend eine Besprechung organisiert und wird wohl das Thema ansprechen."
„Es ist uns ein Vorteil, dass unser Verbund und wir hinter der selben Person her sind. Der Verbund will zunächst die Karacans aus dem Weg räumen. Bahtiyar ist ein komplizierter Kandidat. Um an ihn zu kommen, müssen wir noch viel recherchieren und Pläne aufstellen."
„Das weiß ich Serkan... aber den Täter haben wir schon mal. Ich werde noch die Unterlagen meiner Mutter anschauen, worin wichtige Informationen sind."
„Abi, wieso geben wir nicht den Ordner deiner Mutter einfach bei der Polizei ab? Dann wäre alles leichter und wir hätten uns viel Zeit und
Kraft gespart.", schlug Serkan auf einmal vor.

„Die Polizisten kennen nicht die Regeln der Unterwelt. Die Ungerechtigkeit hier, können nur wir regeln! Willst du, dass weitere Polizisten wegen dem ehrlosen Hund sterben? Unser Land braucht die Polizisten für wichtigere Fälle. Außerdem ist Bahtiyar gut vernetzt. Seine Nachfahren würden regieren, wenn Bahtiyar im Knast landen würde. Wir müssen die Parasiten bis zur Wurzel reinigen! Jeder, der auch nur ein bisschen mit den Scharfschützen zutun hat, muss vernichtet werden.", machte ich klar.
„Ich weiß wie ehrgeizig du bist, aber ist das nicht eine Nummer zu groß für uns? Die Karacans gehen und als nächstes kommt ein weiterer Clan. Gegen welche sollen wir ankämpfen? Diese Unterwelt ist so - Legenden entstehen und Legenden sterben wieder.", versuchte Serkan mich abzuhalten.
„Sag mal, hast du Schiss? Was ist auf einmal los mit dir Bruder? Du bist Serkan Yılmaz, bist an der Seite der Atahans. Es ist nicht einfach ein Teil von uns zu werden. Ich habe dich angenommen, weil ich das Potenzial in dir gesehen habe. Unterschätze nicht unseren Clan, wir sind sicher. Weißt du in wie vielen Vierteln wir Männer haben?", wollte ich wissen. Serkan lachte auf.

„Ich weiß doch wie mächtig ihr seid. Ich bin gern bei dir, aber die Gegner darf man auch nicht unterschätzen."
„Ich unterschätze sie nicht, sie haben mein Respekt. Aber nichts ist unmöglich, wenn ich es möchte.", sicherte ich.
„Wenn ich ehrlich bin, habe ich Angst dich zu verlieren, Abi... ich habe schon viele Menschen im Leben verloren. Mein Vater, meine Schwester, als sie vier war, meine Freunde aus dem Block. Verstehst du, was ich meine?", wurde er sentimentaler. Ein Hauch von Trauer steckte in seiner Stimme. Gebrochen lächelte ich ihn an und stand auf.

„Serkan, du verdienst wirklich einen besseren Platz. Ich bin ein schlechter Mensch und ziehe dich in meine Angelegenheiten rein. Du kannst dir noch ein gescheites Leben aufbauen. Das ist mein Schicksal", sicherte ich.
„Das ist nicht nur dein Schicksal. Mein Vater war selbst im Geschäft und ich konnte es nicht schaffen meiner Mutter und mir ein gescheites Leben aufzubauen. Egal was passiert, wirst du immer mein Bruder bleiben. Blut ist dicker als Wasser, aber Loyalität hat nichts mit Blut zutun. Meine Onkel haben mir den Rücken zugedreht, während du mich aufgenommen hast. Du hast noch ein Herz Abi...", gab Serkan überzeugt von sich.
Diesen Jungen könnte ich nur lieb haben.
„Komm her Bruder.", zog ich ihn in eine kurze Umarmung. Lachend erwiderte er sie.
„Du bist ein Ehrenmann.", klopfte ich an seine Schulter und verließ den Raum.

Ich ging Richtung Yamans Zimmer. Wir wollten gleich losfahren, denn wir hatten eine Einladung zum Frühstück bekommen.
Nach einem Klopfen betrat ich sein Zimmer. Yaman war schon wach und hatte sich angezogen.
„Morgen.", grüßte ich ihn.
„Morgen Bruderherz.", gab er energisch von sich. Seit zwei war er permanent am Lächeln. Und es gab einen bestimmten Grund dafür: die Vereinigung mit unserer Mutter.
„Bist du fertig?"
„Ja.", gab er Bescheid und steckte Handy  vom Ladekabel aus.
„Dann lass uns gehen.", sagte ich und verließ wieder sein Zimmer. Zusammen gingen wir raus. Das neue Haus meiner Mutter war weiter weg, dass wir in 40 Minuten ankamen. Der Stau in der Stadt verlängerte die Fahrt nochmals.

Es war so seltsam zu wissen, dass ich zu meiner Mutter fuhr. Hätte mir jemand vor einer Woche gesagt, dass ich meine Mutter finden würde, hätte ich nicht daran gedacht.
Nachdem wir uns gefunden hatten, hatte ich Yaman angerufen und Bescheid gegeben, dass er mit Öykü zur Adresse kommen sollte, die ich ihm geschickt hatte. Auf dem Hügel trafen wir uns. Sie konnten es nicht glauben, dass ich unsere Mutter gefunden hatte. Nach sehr langer Zeit hatte ich Öykü wieder lachen gesehen. Yaman war auch überglücklich.
Ich freute mich darauf, meine Schwester wieder zu sehen. Mit einem Streit waren wir das letzte Mal auseinandergegangen. Ich glaube aber, dass sie nicht mehr länger kalt zu mir bleiben konnte, nachdem ich sie mit unserer Mutter vereint hatte.

Meine Mutter hatte strenge Sicherheitsvorkehrungen vor ihrem Haus. Bei ihrer Furcht konnte ich es auch nachvollziehen. So durfte es nicht mehr weitergehen! Ich muss meine Mutter unter mein Schutz nehmen. Keiner kann sie mehr verletzen! Ich stelle mich gegen jeden, der ihr wehtun will.

Meine Mutter wartete schon vor der Tür auf uns. Pünktlich um 9 Uhr trafen wir im Hof ein. Sofort fielen mir die vielen Sicherheitsmänner auf.
Lächelnd blickte meine Mutter uns an.
„Willkommen meine Söhne.", empfing sie uns. Yaman fiel ihr sehnsüchtig um den Hals.
„Guten Morgen Mama.", begrüßte ich sie.
Ich konnte es immer noch nicht wahrhaben, dass sie vor mir stand. Es war immer noch wie eine Illusion. Wir umarmten uns ebenfalls.
„Kommt rein. Öykü ist schon da.", lud sie uns ein. Sie war also früher eingetroffen.
Am Frühstückstisch sah ich sie schon. Die Gläser in ihrer Hand legte sie auf dem Tisch ab und wandte sich anschließend uns.
„Yaman!", freute sie sich ihn zu sehen.
„Meine Öykü!", umschlag er die Arme um sie. Ich schaute den beiden nur lächelnd zu. Dass sie mich so empfang, erwartete ich nicht. Ich wusste, dass sie noch distanziert zu mir stand. Öykü war kein Mensch, der leicht verzeihen konnte. Ich gebrochenes Herz hatte ich damals nochmal gebrochen. Vielleicht würde sie mir sogar nie verzeihen. Wer weiß?
„Willkommen Devran.", gab sie nur flüchtig von sich und nahm Platz.

„Wie geht es euch meine Lieben?", fragte meine Mutter in die Runde. Mit ihren Händen umfasste sie Yamans und Öyküs Hand, die rechts und links von ihr saßen.
„Nachdem wir dich gefunden haben, besser.", antwortete Yaman für alle.
„Ein Traum ist wahr geworden. Wie soll ich nicht glücklich sein?", stellte Öykü eine rhetorische Frage. Ich konnte das Glück von ihren Augen ablesen.
„Seitdem ich euch gesehen habe, fühle ich mich wieder lebendig... Das habe ich Devran zu verdanken, auch, wenn alles außer Plan gelaufen ist.", blickte meine Mutter mich an.
„Das Schicksal wollte es so... Wie lange sollten wir noch deine Sehnsucht aushalten?", sagte ich.
Kurz hielt sie inne.
„Lasst uns jetzt frühstücken. Später können wir noch lange reden... Bedient euch. Ich habe Pancakes gemacht, die ihr als Kind geliebt habt.", änderte meine Mutter das Thema. Sie wollte wohl nicht darüber länger reden. Verstand ich, wir sollten die gute Stimmung nicht kaputt machen.

Es tat mir so gut Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Seit langem hatte ich mich nicht so wohl gefühlt. Sogar in meinem jetzigen Haus fühlte ich mich nicht wirklich zuhause. Aber bei meiner Mutter war alles anders. Da, wo die Mutter war, war das Zuhause. Eltern machten das Zuhause. Diese Geborgenheit wurde mir vor Jahren entrissen. Ein Stück hatte ich jetzt wieder bekommen und ich war mehr als dankbar dafür. Danke Gott, dass du mir meine Mutter gegeben hast. Auch, wenn ich ein schlechter Mensch bin, weiß ich, dass du meine Gebete erhörst. Ich frage mich, ob ich noch Recht auf Bittgebete habe, nachdem ich so beschmutze Hände habe. Aber der Allmächtige hört uns immer, das weiß ich...

Die Gespräche am Tisch wurden nie langweilig. Ich sah meine Mutter wieder lächeln. Es war wie ein Teil des Paradies zu sehen. Ihr Lächeln gab mir Kraft. Sie musste nicht mal viel machen, um mich zu stärken - ihre Existenz reichte. Sie war die Frau, die mich am besten kannte, die mich auf die Welt gebracht hatte. Keiner konnte mich mehr lieben wie sie. Keine andere Frau der Welt konnte mir so gut tun, wie es meine Mutter schaffte. Sie hatte mich zu dem Mann gemacht, der ich heute war. Als Kind hatte sie mich schon fasziniert, wie sie so optimistisch bleiben konnte, während sie von einer Mafia-Familie umzingelt war. Sie war der weiße Punkt im schwarzen Loch...

Nach dem Frühstück räumten wir gemeinsam den Tisch auf. Wir baten meine Mutter sitzen zu bleiben und räumten zu dritt auf.
Durch die Gespräche in der Küche hörte ich, wie sehr Öykü Yaman vermisst hatte. Seitdem er ausgezogen war, sahen sie sich nicht mehr so oft.
„Kann ich kurz durch?", frage Öykü, als sie an mir vorbeiwollte.
„Klar.", rückte ich zur Seite, während ich die Gläser in die Spülmaschine einräumte. Wir waren allein im Raum. Yaman war kurz verschwunden.
„Wie geht es dir Öykü? Läuft alles gut?", versuchte ich ein Gespräch mit ihr zu öffnen.
„Wie immer. Alles ist gleich."
Das klang mehr nach einer Ausrede, keiner ehrlichen Antwort.
„Ich frage mich, wie es dir wirklich geht.", erklärte ich präziser und suchte ihr Blick.
„Wenn ich ehrlich bin, besser seitdem wir unsere Mutter gefunden haben. Aber ich bin wütend auf mein Opa, weshalb er uns das angetan hat. Ich kann ihn nicht mehr anschauen...", sprach sie voller Trauer aus.

Ich wollte nicht mehr, dass Menschen, die mir bedeuteten, litten.
„Ich will zu meiner Mutter ausziehen. Und zwar so schnell es geht. Dort habe ich nichts mehr zu suchen, während es meine Mutter gibt.", fügte sie hinzu. Das war ihr volles Recht.
„Lässt du mich das klären?", bat ich.
Ich war ein Mensch, der schnell seine Geduld verlor, doch bei Öykü war es anders. Ihr gegenüber konnte ich nicht böse sein. Hätte mich jemand anderes so behandelt, sähe es ganz anders aus.
„Ich kriege es schon hin.", behauptete sie strikt.
„Öykü, bitte. Du bist müde von der Sache, ich weiß es."
Tief schnappte sie nach Luft und schaute sich um, während sie durch die Haare fuhr.
„Ja, rede du mit Opa.", stimmte sie zu. Wie krampfhaft sie versuchte Stark zu bleiben, aber es nicht schaffte.

„Bist du immer noch wütend auf mich? Selbst, nachdem ich unsere Mutter gefunden habe?", wollte ich wissen und trat näher.
Lange blickte sie mich an, bevor sie anfing zu sprechen.
„Weißt du, wie es ist von jeden in Stich gelassen zu werden? Ich will wütend sein, aber ich kann es nicht mehr. Nicht du warst das Problem, sondern ich, die den Frust nie verarbeiten konnte... Ich habe einfach meine ganze Wut an dir rausgelassen, obwohl ich nicht das Recht dazu hatte."
„Oh, das weiß ich sehr gut Öykü! Ich war nicht mal selbst für mich da, als ich es brauchte..."
„Findest du nicht, dass es seltsam zwischen uns geworden ist? Du hast diese Kälte zulassen.", meinte sie daraufhin.
„Ich will dich wieder umarmen Öykü. Doch ich kann es nicht, während ich weiß, dass du mich hasst.", gab ich mit zittriger Stimme von mir.
Tränenerfüllt blickte sie mich an.
„Ich hasse dich nicht!", hörte ich auf einmal Öyküs liebevolle Stimme.
Ohne länger zu Zögern zog ich sie in eine Umarmung. So fest, dass ich ihre Rippen an mir spürte, doch so sanft zugleich, dass sie sich nicht erdrückt fühlte.

Mein Tag konnte nicht besser werden. Wir saßen alle nach Jahren zu viert am Esstisch, Öykü hatte sich mit mir vertragen und die Aufrichtigkeit, wonach ich mich sehnte, wurde wieder gefunden. Die Familie ist einer der wichtigsten Dinge im Leben. Ich wollte gar nicht das Haus meiner Mutter verlassen, doch langsam wurde es Zeit für mich zu gehen. Ich hätte noch einiges zu tun und musste zur Arbeit.
Meine Mutter begleitete mich noch bis zur Tür.
„Devran, dürfte ich dich etwas fragen?", hörte ich meine Mutter hinter mir.
„Klar. Um was geht es?", drehte ich mich ihr.
„Es gibt eine Sache, die mich beschäftigt...", fing sie an.
„Wie hast du Damla Bayraktar kennengelernt? Die Tochter vom Anwalt Adil Bayraktar. Was hast du mit ihr zutun?"
Wie verwurzelt blieb ich stehen.
„Es - ist eine lange komplizierte Geschichte. Wir arbeiten nur zusammen.", offenbarte ich. Verwundert blickte sie mich an.
„Wie ihr arbeitet zusammen? Ich habe euch in einer Zeitschrift gesehen und war mehr als verwundert. Ist eure Bekanntschaft zufällig?"
Sie wollte also nähere Informationen.

„Ja, wir arbeiten nur zusammen. Zuerst war sie mein Hacker. Und jetzt suchen wir ihr Bruder, der verschwunden ist. Ich muss langsam los. Können wir später darüber sprechen?", schnitt ich das Thema ab.
„Ja, bitte. Ich würde gerne mit Damla reden. Es gibt Dinge, die ich ihr sagen möchte. Könntest du morgen mit ihr kommen, wenn sie Zeit hätte?"
„Was? Mit Damla?"
Unsere letzte Begegnung fiel mir innerhalb Sekunden ein. Sie war förmlich vor mir geflohen. Ich wusste nicht wieso, aber dieses Mädchen gab mir das Gefühl verstanden zu sein. Deshalb konnte ich keine Distanz zu ihr halten. Die Umarmung war nicht in Ordnung gewesen. Ich musste mich besser unter Kontrolle halten.
„Ja, mit Damla.", sicherte meine Mutter
„Na gut, wenn du willst."
„Wenn es ihr auch passt. Wir sehen uns dann morgen.", verabschiedete sie sich. Was will denn meine Mutter mit ihr bereden? Das werden wir morgen sehen...

Nach ungefähr eine Woche Pause traf ich wieder in meinem Unternehmen ein. Es wurde langsam Zeit zu gehen und meiner Wunde ging es auch besser.
„Willkommen Herr Devran.", begrüßte mich ein Angestellter vor der Tür. Ich hab ein kurzes „Hallo." von mir. Weitere Angestellte nahmen meine Wiederkehr war. So viel Aufmerksamkeit war ich gar nicht gewöhnt.
„Willkommen zurück Herr Devran!", freute sich Gülin, als sie mich durch die Lagerhalle kommen sah. Ich hatte niemanden Bescheid gegeben, dass ich kam, weil ich es nicht als notwendig empfand.
„Es freut uns, dass sie wieder zurück gekommen sind. Wir haben gehört, dass sie einen kleinen Unfall hatten.", teilte ein anderer Arbeiter mit. Eine kleine Gruppe hatte sich um mich versammelt.
Ich fühlte mich etwas überfordert von der Aufmerksam.

„Danke Leute, mir geht es schon besser. Ohne mich seid ihr gut vorangekommen, habe ich gehört. Dafür will ich euch loben. Ich bin wieder zurück und muss auch an meine Arbeit. Gutes Gelingen euch.", machte ich mich fort. Gefolgt von Gülin.
„Mit was soll ich anfangen? Den Planänderungen, oder den neuen Verträgen, die unterschrieben werden müssen? Außerdem lief nicht alles problemlos. Ein Frachtschiff wurde auf der Fahrt beschädigt und eine kleine Summe der Lieferung wurde beschädigt. Die Versicherung-"
„Langsam Gülin. Lass mich mal durchatmen.", unterbrach ich sie und nahm seufzend Platz.
„Wie sie wollen.", zog sie einen imaginären Reisverschluss über ihr Mund. Nachdenklich fuhr ich über das Gesicht.
„Lass mich schauen.", widmete ich mich den Unterlagen, die meine Assistentin gebracht hatte.

Damla
Wieso tut die Liebe so weh? Ich verstand es nicht. Ich war müde, wirklich müde von der Liebe.
Görkem nicht aus dem Kopf. Er hatte mich mit seinen Worten im Herzen getroffen.
Ich sehe es, deine Augen leuchten nicht. Andere kannst du belügen, aber mich nicht, fielen mir seine Worte ein.
Ein Gefühlschaos spielte sich in mir ab. Ich hatte einfach behauptet, dass ich Devran liebte. Wieso hatte ich das getan? Diese Lüge wurde immer schlimmer. Ja, ich war nicht hinweg über Görkem, aber ich liebte ihn nicht mehr. Was noch da war, war nicht Liebe, sondern Sehnsucht. Ich hatte Sehnsucht auf Zuneigung.

Lustlos saß ich im Garten und betrachtete den Sonnenuntergang. Mein Kopf war einfach zu voll.
Die Stille im Garten wurde durch das Klingeln meines Handys unterbrochen. Wer störte mich? Niemand außer Henker, wer sonst. Was er wohl schon wieder möchte? Seufzend ging ich ran.
„Ich höre.", gab ich trotzig von mir.
„Dir auch Hallo.", fing er an zu sprechen.
„Hallo Devran. Besser so?", korrigierte ich.
„Könnte besser sein.", scherzte er.
„Ich habe keine Zeit für Späße. Was ist los?"
„Da hatte wohl jemand einen schlechten Tag. Kein Grund mich so anzumachen. Wollte dir nur sagen, dass du den Nachmittag morgen freihalten sollst.", gab er Bescheid.
„Was? Wieso? Da habe ich schon etwas vor."
„Das war keine Bitte.", sagte der Henker.

Wütend stand ich auf.
„Meine Freunde haben mich auf ein Treffen eingeladen und ich habe keine Lust kurzfristig wegen dir abzusagen!"
„Triff dich wann anders mit ihnen. Meine Mutter will mit dir reden und lädt dich ein.", hörte ich auf einmal.
„Was?", verging meine Wut wieder. Devrans Mutter will mich sehen? Wieso denn?
„Ich werde dich abholen. Sei um 17 Uhr bereit vor der Tür.", ließ er mich wissen und legte auf.
Fassungslos hörte ich dem Piepen zu. Was war aus dem Devran geworden, der mich Umarmte? Hatte er Stimmungsschwankungen? Definitiv.

Toll, dann muss ich Gamze absagen. Ich wählte ihre Nummer. Auf den Tag Morgen hatte ich mich gefreut und jetzt fiel mein Plan in den Eimer. Aber einerseits war ich auch gespannt darauf Devrans Mutter kennenzulernen.
„Hey Liebes.", nahm Gamze ab.
„Hallo Zeze.", sprach ich sie mit ihrem Kürzel an.
„Alles in Ordnung? Du klingst launisch.", hörte sie sofort raus.
„Ja... ich muss leider für morgen absagen."
„Was? Wieso? Du hattest doch Zeit für meine Hausparty.", wunderte sie sich.
„Es ist doch etwas dazwischen gekommen. Tut mir leid, kann nicht kommen."
„Sag schon, was ist passiert? Was ist so wichtig?", wollte sie wissen. Frag bloß nicht Gamze.
„Ehm... Devran lädt mich auf ein Essen ein.", log ich.
„Ihr geht ja nicht das erste mal essen. Wegen so einem banalen Grund?"
„Ja, aber seine Mutter kommt auch mit."

Scheiße, wieso hatte ich das gesagt? Hätte ich mir doch bloß auf die Zunge gebissen, um Gamze die Lüge zu sagen.
„Was? Seine Mutter?", änderte sich ihre Stimmlage zu aufgeregt.
„Ja?"
„Oh Mann! Dann ist ja eure Beziehung mehr als ernst! Hör mir gut zu Liebes, wenn Männer ihre Mutter vorstellen, dann heißt es indirekt: ich will dich haben.", hörte ich ihre fröhliche Stimme.
„Zeze, du übertreibst! Es ist nur ein einfaches Essen."
„Mensch Damla! Öffne die Augen. Dieser Typ ist in dich verknallt! Wäre es nichts Ernstes, hätte er nicht seine Mutter vorgestellt.", wurde meine Freude immer schlimmer. Seufzend grub ich mein Gesicht in die Hände. Verknallt? Devrans kaltes Herz konnte niemanden lieben.
„Ich muss jetzt auflegen. Reden wir morgen weiter.", hatte ich keine Lust mehr auf das Gespräch.
„Auf jeden Fall! Lass mich wissen, wie das Essen sein wird.", sagte sie noch und legte auf.

Unmittelbar fing ich an zu lachen. Devran und verknallt? Gamze hatte wieder ihre Fantasien. Während ich mir Gedanken darüber machte, wie ich mich von Devran distanzieren konnte, war er plötzlich mein ungewollter Freund geworden...

3522 Wörter, 25.07.2020

Fortsetzung folgt

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