Justins Sicht:
Als wir das Haus von meiner Mutter erreichten und ich aus dem Auto steigen wollte, krallte sie ihre Hand auf meinen Oberschenkel und schüttelte den Kopf. Sie hatte Tränen in den Augen und es brach mir das Herz sie weinen zu sehen. Sie hatte es nicht verdient von irgendjemandem verletzt zu werden und schon gar nicht von ihrem Ehemann – meinem Manager.
„Wenn Scooter... ich... also... kann ich dann erstmal bei euch wohnen?", fragte sie mich nervös. Ich strich ihr durch das braune Haar und verzog meine Lippen zu einem kleinen Lächeln.
„Natürlich, Mum. Solange du willst. Amélie wird nichts dagegen haben und unsere Kinder sowieso nicht", sagte ich leise. Mum griff nach meiner Hand und sah mir tief in die Augen.
„Ich bin froh, dass du glücklich bist und ihr nochmal Eltern werdet", hauchte sie leise. Dann atmete sie tief ein und aus und stieg als Erste aus dem Auto. Sie klingelte an der Tür, ich blieb erstmal im Hintergrund stehen und achtete darauf wie Scooter reagierte – immerhin war sie einfach abgehauen, nachdem er nach Hause gekommen ist.
Es wunderte mich sowieso, dass er ihr keine Nachricht geschrieben oder sich bei uns gemeldet hatte, ob wir wussten wo seine Frau sich aufhielt.
Scooter öffnete die Tür und sah Pattie mit einem ganz normalen Blick an. Ich erkannte in seinen Augen keine Liebe, keine Besorgnis.
„Da bist du ja", sagte er schließlich. Dann bemerkte er mich und er kräuselte verwirrt die Stirn. Meine Mutter stampfte an Scooter vorbei und begrüßte erstmal ihre kleine Tochter mit einer Umarmung. Auch ich ging an Scooter vorbei, ohne etwas zu sagen.
Ich nahm meine Halbschwester auf den Arm und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen.
„Schätzchen, wollen wir gleich im Garten noch ein bisschen Schaukeln? Wartest du auf mich, ich muss noch kurz mit deinem Daddy reden", flüsterte ich leise. Julie nickte lächelnd und rannte nach draußen in den Garten. Es war für sie beinahe Schlafenszeit, aber irgendwie musste ich sie beschäftigen. Außerdem würde mich die Zeit mit meiner Schwester von diesem Gespräch ablenken, wie auch immer es ausgehen wird.
„Was macht ihr hier?", fragte Scooter verwirrt. Ich sah die Tränen in den Augen meiner Mum und musste mich zusammenreißen nicht jetzt schon komplett auszurasten.
„Ich wohne hier?", sagte Pattie mit einem leicht fraglichen Ton.
„Das ist mir schon klar, aber was macht Justin hier?"
Ich konnte es nicht mehr zurückhalten, sondern holte den Zettel mit der eindeutigen Nachricht aus meiner Hosentasche. Wütend knallte ich den Zettel auf den Wohnzimmertisch und spürte das Pochen meiner Hand, denn offensichtlich hatte ich zu fest auf die Tischplatte geschlagen. Scooter runzelte verwirrt die Stirn und griff nach der Nachricht. Er las sie sich durch und legte sie wieder zurück auf den Tisch.
Ich wartete geduldig darauf, dass er etwas sagte. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis er endlich den Mund aufmachte.
„Pattie", hauchte er leise. Er stand auf und ging auf meine Mutter zu. Aufgebracht ballte ich meine Hände zu Fäusten und bereitete mich darauf vor zuzuschlagen. Meine Mutter zitterte am ganzen Körper, als Scooter ihre Hände in seine nahm.
„Was hat diese Nachricht zu bedeuten?! Sag mir die Wahrheit!", schrie meine Mutter verzweifelt. Ich atmete tief ein und aus und musste mir selbst die Tränen unterdrücken.
„Die Nachricht bedeutet, dass... dass ich eine Affäre habe."
Jetzt waren die Worte raus und mir verschlug es die Sprache. Meine Mutter riss sich von Scooter los und scheuerte ihm eine.
„Warum?! Wie kannst du mir das antun?!", brüllte sie heulend. Ich wollte mich einmischen, ich wollte ihn verprügeln, aber ich riss mich zusammen. Meine Mutter musste es mit ihm klären, ich sollte mich da raushalten.
„Zwischen uns lief es doch schon länger nicht mehr und... dann ist es einfach passiert. Es sollte eine einmalige Sache bleiben, aber ich habe mich in sie verliebt."
Meine Mutter schüttelte den Kopf und rannte nach draußen in den Garten. Sie schnappte sich Julie und verschwand heulend aus dem Haus. Scooter wollte ihr hinterhergehen, aber ich hielt ihn zurück, indem ich ihn am Kragen packte und gegen die Wand drückte.
„Du hast meiner Mutter wehgetan, hast ihr das Herz gebrochen!"
„Ich weiß, Justin. Es tut mir leid, aber ich bin halt auch nur ein Mann, der seine Bedürfnisse hat", verteidigte er sich. Ich konnte mich nicht mehr zusammenreißen und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht.
Er taumelte zur Seite und hielt sich am Wohnzimmertisch fest. Mein Verlangen ihn krankenhausreif zu prügeln war ins unermessliche gestiegen, aber der Gedanke an meine weinende Mutter, die darauf wartete endlich von diesem Ort wegzukommen, hielt mich davon ab. Stattdessen warf ich ihm einen abwertenden Blick zu und schüttelte den Kopf.
„Halt dich von meiner Mum und von Julie fern, klar? Niemand verletzt jemanden aus meiner Familie!", ermahnte ich ihn wütend.
„Ich gehöre auch zu deiner Familie", keuchte Scooter, der sich immer noch nicht von dem Schlag erholt hatte. Ich lachte auf und schüttelte den Kopf.
„Nicht mehr, Scooter. Du bist nur noch ein feiges Arschloch."
Amélies Sicht:
„Daddy kommt bald wieder, Süße", flüsterte ich leise an Joys Bett, während sie sich in ihre Decke einkuschelte und mich mit müden Augen ansah. Jayden hatte ich vor ihr ins Bett gebracht, er schlief von tief und fest.
„Okay. Erzählst du mir die Geschichte vom Tanzen?", fragte sie liebevoll. Sie meinte damit die Geschichte, wie Justin und ich uns kennengelernt hatten. Beinahe jeden Abend wollte sie diese Geschichte hören, obwohl sie die schon in und auswendig konnte. Trotzdem erzählte ich ihr nochmal ganz leise, wie wir uns kennengelernt hatten und wie wir zusammengekommen sind. Als ich fertig war mit dem Erzählen schlief auch Joy tief und fest und ich konnte mich darum kümmern die Küche aufzuräumen und die Herdplatte von dem Mehl und dem Teig zu befreien. Wenn man kleine Kinder an die Schüsseln ließ, musste man damit rechnen, dass viel daneben landete.
Während ich die Herdplatte putzte, spürte ich wieder eine leichte Übelkeit im Magen. Ich fasste mit der Hand an meinen Bauch und schloss die Augen, weil ich so das Gefühl hatte den Babys ganz nahe zu sein.
Komplett in Gedanken versunken bemerkte ich gar nicht, dass Justin und Pattie nach Hause gekommen waren, denn auf einmal spürte ich Justins Hände auf meinen und er küsste liebevoll meinen Hals.
„Ist dir schlecht?", flüsterte er leise.
Ich drehte mich zu ihm um und begrüßte ihn mit einem Kuss.
„Ein bisschen."
Justin ging in die Hocke und schob mein Oberteil hoch. Dann küsste er meinen Bauch und lächelte überglücklich. „Hört auf meine Frau zu ärgern", ermahnte er die zwei Embryos leise. Es war unglaublich süß wie er mit mir und den ungeborenen Babys umging.
„Wie verlief das Gespräch?", fragte ich schließlich. Justin sah enttäuscht auf den Boden und seufzte lautstark.
„Scooter hat vermutlich ein blaues Auge", murmelte Justin schuldbewusst. Ich hielt mir eine Hand vor den Mund und schüttelte geschockt den Kopf, weil ich genau wusste, was das zu bedeuten hatte. Scooter hatte seine Frau betrogen. Die Tatsache, dass Justin Gewalt angewendet hatte spielte in dem Moment für mich keine Rolle.
„Scheiße... wie geht es Pattie?", flüsterte ich besorgt. „Wo ist sie jetzt?"
„Ich habe sie und Julie mit hergenommen und ihnen angeboten, dass sie solange hier wohnen bleiben können, wie sie möchten. Dadurch, dass wir Beide eh in zwei Wochen nach Europa fliegen habe ich gedacht, dass es kein Problem für dich wäre, wenn die Zwei erstmal hier einziehen. Ihr geht's beschissen."
„Es ist überhaupt kein Problem für mich, Schatz. Natürlich können sie hierbleiben solange sie wollen. Warum hat er das getan? Hat er irgendwas gesagt?", wollte ich neugierig wissen.
„Weil es in der Ehe nicht mehr lief. Er hat eine Affäre mit irgendeinem Flittchen angefangen und er hat sich in die Schlampe verliebt", sagte er wütend. Ich konnte seine Wut nachvollziehen. Aufgelöst wollte ich zu Pattie und Julie gehen, aber Justin hielt mich an der Hand fest und zog mich zu sich.
„Die Zwei sind im Gästezimmer und versuchen zu schlafen. Lass meiner Mum erstmal ein bisschen Zeit, um das zu verdauen", flüsterte Justin leise. Er legte seine Lippen auf meine und mein Herz fing automatisch an schneller zu schlagen. Ich war einfach nur glücklich, ihn wiederzuhaben.
Zwei Wochen später war es soweit. Wir würden heute Nachmittag nach Europa fliegen und mit dem zweiten Teil unserer Tour starten. Ich war inzwischen in der 13. Schwangerschaftswoche und es verlief alles perfekt. Die Symptome quälten mich zwar manchmal, aber ich hatte das erste – risikoreiche – Trimester überstanden.
Pattie hatte sich in den letzten zwei Wochen ziemlich mit ihrer Tochter zurückgezogen. Wenn ich nachts an ihrem Zimmer vorbeiging, hörte ich sie manchmal weinen. Es brach mir das Herz, dass sie von ihrer großen Liebe so verletzt wurde und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ab heute erstmal alleine sein würde in diesem großen Haus.
Aus diesem Grund suchte ich noch einmal das Gespräch mit ihr, während Justin zwei kleine Koffer packte, die wir als Handgepäck mitnahmen. Die restlichen Koffer mit den Klamotten waren schon gestern in den Privatjet geladen worden.
„Wie geht es dir, Pattie?", fragte ich leise. Sie sah mir in die Augen und zuckte mit den Schultern.
„Ganz okay denke ich. Es ist vorbei und damit muss ich klarkommen. Ich habe immerhin noch Julie", flüsterte Pattie leise. Die Kleine spielte gerade mit meinen Kindern und Mikey im Garten Fußball.
„Und du hast Justin und mich. Wir sind immer für dich da, Pattie."
In dem Moment hörte ich Justin unten etwas brüllen. Panisch hielt ich die Hand an meinen Bauch und lief die Treppen nach unten. Vor der Haustür stand Scooter und er hatte wirklich ein blaues Auge, was sich inzwischen aber schon violett gefärbt hatte.
„Lass mich zu meiner Tochter, bitte! Ich will mich verabschieden, bevor wir nach Europa fliegen!", flehte Scooter hoffnungsvoll.
„Nein, du sollst dich von meiner Mum und Julie fernhalten!", sagte Justin mit ernstem Ton. Scooter hatte Tränen in den Augen. Er schaute Justin flehend an, doch Justin war eiskalt. Er versperrte Scooter den Weg.
„Justin, bitte!"
Mein Mann schüttelte erneut den Kopf.
„Verpiss dich, Scooter."
Ich stellte mich neben Justin und sah ihn mit ernster Miene an.
„Du kannst ihm nicht verbieten seine Tochter zu sehen", murmelte ich verzweifelt. Justins Blick traf mich wie ein Schlag ins Gesicht.
„Halt dich da raus, Amélie!", zischte er aufgewühlt. Ich zuckte zusammen und ging einen Schritt nach hinten. Scooter wollte sich an Justin vorbeiquetschen, aber der schubste ihn wieder nach draußen. Unser Manager fiel dabei beinahe die Treppe herunter. Natürlich hatte er Scheiße gebaut, aber Justin konnte ihm nicht den Kontakt mit seiner Tochter verbieten.
„Scooter hat ein Recht darauf seine Tochter zu sehen, Justin!", sagte ich noch einmal. Dieses Mal mit ernsterer Stimme. Aber Justin hörte nicht auf mich. Stattdessen drückte er mich zur Seite.
„Verdammt, Amélie! Ich habe gesagt du sollst dich da raushalten!"