Warum ich James Sirius Potter...

By Nachtwanderin

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Als James eines Abends eine Liste findet, die Gründe aufzeigt, warum man ihn hassen müsste, beschließt er all... More

Prolog
*1. Die Liste
*2. Neue Punkte
*3. Die Party
*4. Projekt "Neue Freunde"
*5. Unerwartete Diagnose
*6. Quidditch Komplikationen
*7. Wie Julie nicht tot war
*8. Auf dem kleinen Weg hinab
*9. Unerwartete Begegnugen
*10. Ernste Gespräche
*11. Auseinandersetzungen
*12. Beschimpfungen
*13. Ein Streich
*14. Der Wandel
*15. Rachepläne
*16. In nur vier Tagen
*17. Verloren
*18. Neue Motivation
*19. Tarot
*20. Der Humor der Gründer
*21. Die Spuren vom Vergangenen
*22. Der Schwindel
*23. Die letzten Schultage vor den Ferien
*24. Zu Hause
*25. Familie vereint
*26. Weihnachten
*27. Jahreswechsel
*28. Jene Tage im Januar
*29. Quidditch und Geburtstage
*30. Erkenntnisse
*31. Der alte Joshua
*32. Valentinstag
*34. Planungen
*35. Der Ausflug
*36. Müdigkeit
*37. Hürden
*38. Wahnsinn
*39. Schlafmangel
*40. Swivenhodge
*41. Streichen
Epilog

*33. Hundertachtzig Grad

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By Nachtwanderin

Die Tage und Wochen verflogen, ohne dass sich viel veränderte. Der Waffenstillstand mit James hielt noch immer, in den Apparierkursen machten alle Schüler große Fortschritte und auch das Quidditchtraining war zwar hart wie eh und je, aber fiel allen Beteiligten nicht sonderlich schwer. James hatte tatsächlich einmal die Augen geöffnet und schließlich Zeit damit verbracht, einen Trainingsplan zu entwerfen, der niemanden überlastete, sondern nur stärkte.

Es schien wie ein ganz normaler Dienstag, als Julie vom Frühstück zu Alte Runen lief. Mary war etwas zurückgefallen, als sie Craig Lufkin traf, welcher beschlossen hatte, die Gryffindor zu ihrem Klassenzimmer zu begleiten. Julie hatte erwartet, dass sie solche Sachen wütend machen würden, doch erstaunlicherweise war sie vollkommen im Reinen damit, dass Mary nun eine weitere Person gefunden hatte, mit der sie sogar lieber Zeit verbrachte als mit Julie.

Und so kam es, dass Julie sich zunächst allein an ihrem Tisch niederließ und ihr Schulbuch, sowie Pergament, Federkiel und Schreibfeder aus ihrer Tasche holte. Sie sah am anderen Ende der Reihe, wie Thommy sich bereits über einige Runen gebeugt hatte. Neben Thommy sah sie James, welcher gedankenverloren aus dem Fenster starrte. Sie konnte nicht anders, als an ihr Gespräch zurückzudenken, in dem sie temporären Frieden geschlossen hatten. Sie erinnerte sich genau daran, wie wütend sie auf ihn gewesen war, wie sie ihm am liebsten den Hals umgedreht oder ihm zumindest einen kräftigen Schlag verpasst hätte. Davon war seit seinem Geburtstag erstaunlicherweise nur wenig übrig geblieben. Es war ein einziges Gespräch gewesen, das ihr gezeigt hatte, wie gut sie doch eigentlich mit ihm auskommen konnte. Und die folgenden Wochen hatten ihr es nur noch mehr bestätigt.

Als sich Mary neben ihr auf den Sitz fallen ließ, wurde Julie erst bewusst, dass sie James die gesamte Zeit angestarrt hatte. Sie konnte nur hoffe, dass das niemand bemerkt hatte. Stattdessen wandte sie sich mit einem Grinsen auf den Lippen an Mary, welche ihre volle Konzentration auf ihre Schultasche gewandt hatte.

„Und hat er dich endlich um ein Date gebeten?", fragte sie und wackelte mit den Augenbrauen. Marys Gesicht wurde auf einen Schlag dunkelrot und sie sah peinlich berührt von ihrer Tasche auf, schüttelte dann aber den Kopf.

„Ich weiß sowieso nicht, ob das jemals geschehen wird", bemerkte Mary und senkte den Kopf wieder.

„Ach was, er braucht nur etwas mehr Mut und dann ist die Sache geritzt. Wenn es sein muss, rede ich sogar mit Norman Knightley, damit er seinen Kumpel auf die richtige Spur bringt", meinte Julie und ihr Grinsen wurde noch breiter, als sie sich vorstellte mit Norman zu sprechen, denn das hatte sie noch nie getan. Doch sie musste zugeben, dass eine gewisse Vertrautheit von dem Ravenclaw ausging, schließlich sah er aus wie Julies Bruder Daniel.

„Bloß nicht!", erwiderte Mary und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. „Ich muss einfach abwarten, ob etwas passiert, wenn er mich nicht fragt, dann mag er mich halt nicht, damit ich kann ich leben." Julie warf ihrer Freundin einen kritischen Blick zu, denn sie war nicht wirklich sicher darüber, dass Mary damit leben könnte.

„Er wird schon Mut finden, warte nur ab. Er ist schließlich kein mutiger Gryffindor, sondern ein kluger Ravenclaw, der wahrscheinlich alle Möglichkeiten in seinem Kopf durchgeht, um den perfekten Weg zu finden, dich um ein Date zu bitten", versuchte Julie Mary aufzumuntern und tatsächlich erhellten sich ihre Gesichtszüge ein wenig.

„Dann kann ich ja nur hoffen, dass er den perfekten Weg gefunden hat, bevor er seinen Abschluss macht. Ich weiß sowieso nicht, wie wir es auf die Reihe bekommen sollten — natürlich nur falls aus uns tatsächlich etwas werden sollte — eine Fernbeziehung aufrecht zu erhalten, nachdem er Hogwarts verlässt und ich noch ein Jahr hier absitzen muss."

„Darüber könnte ihr euch wenn es soweit ist noch den Kopf zerbrechen. Aber ich meine, es gibt so einige Schüler, die das auf die Reihe bekommen haben, schließlich gibt es Ferien und Hogsmeade Wochenenden", meinte Julie und wollte eigentlich noch etwas hinzufügen, doch Professor Babbling warf ihr einen strengen Blick zu und begann daraufhin den Unterricht.

Wie immer gab Julie sich die größte Mühe, um im Unterricht aufzupassen, doch ab und zu, erwischte sie sich selbst dabei, wie sie aus dem Fenster sah und vom Fenster schweifte ihr Blick zu einer bestimmten Person, die am Fenster saß. James sah Professor Babbling an und tippte ungeduldig mit seinen Fingern auf den Tisch. Doch Julie sah auch, dass sich sein Blick viel zu schnell veränderte und er sich Gedanken verlor, ehe er wenige Minuten später wieder hochschreckte und versuchte, seiner Lehrerin Aufmerksamkeit zu schenken, was Julie immerzu daran erinnerte, dass sie das gleiche tun sollte.

Der Unterricht zog sich in die Länge, bis sie schließlich einen Text bekamen, den sie übersetzten sollten. Julie kam das ganze sehr Recht, denn es war angenehmer, selbst eine Aufgabe zu bearbeiten, als einfach nur zuzuhören, wie etwas erklärt wurde, von dem sie große Teile sowieso schon kannte.

„Ich wünsche dir und Craig aber nur das Beste", führte Julie das Gespräch weiter, als sie neben Mary durch die Korridore zu ihrer nächsten Stunde lief. Es stand Kräuterkunde auf dem Plan, welches Mary und Julie mal wieder zusammen hatten.

„Das ist lieb, aber erstmal muss das etwas werden. Er macht mich einfach nur so furchtbar nervös, aber auf der anderen Weise ist er einfach nur wie Balsam für meine Nerven. Hilf mir, Julie! Ich weiß nicht, ob ich das überleben werde!"

„Ach wirklich? Vor einer Stunde meintest du noch, dass du damit leben könntest, wenn er dich nie um ein Date bittet", erwiderte Julie und verdrehte die Augen. Ja, verliebte Menschen konnten einem ziemlich auf die Nerven gehen.

„Ich könnte damit leben, wenn er mich nie nach einem Date bittet und wir uns nicht mehr sehen würden, aber wenn ich in seiner Nähe bin, dann drehe ich durch, meine Konzentration ist dahin und ich bin furchtbar aufgeregt. Zum einen will ich mit ihm reden, dann aber wieder habe ich Angst, dass das in Peinlichkeit endet, wenn wir dann aber reden, ist alles gut und die Worte kommen wie von allein von irgendwoher. Hilf mir, Julie!"

„Wie soll ich dir damit helfen? Du bist offensichtlich verknallt und fragst mich nach Rat? Mary, seien wir mal ehrlich, ich bin die letzte, die dir in Sachen Liebe weiterhelfen kann. Ich war noch nie verliebt, war in noch keiner Beziehung und drehe mich immer um, wenn ich ein Pärchen sehe, dass sich gegenseitig die Zunge in den Hals steckt." Mary senkte den Kopf — sie wusste, dass Julie die Wahrheit sprach.

„Haben Nick und Marlene, denn niemals etwas zu dem Thema gesagt? Ich meine in acht Jahren Beziehung könnte doch zumindest einer von beiden irgendwas zu dem Thema gesagt haben", meinte nun Mary hoffnungsvoll. Julie kramte in ihrem Gedächtnis, fand allerdings nicht sonderlich viel.

„Da ist abgesehen von den unzähligen ‚Warte nur ab, bis du dich einmal verliebst' nicht wirklich etwas", antwortete Julie schulterzuckend.

„Au ja, auf den Tag freue ich mich auch schon!", beteuerte Mary enthusiastisch und schien ihren eigenen Kummer für einige Sekunden vergessen zu haben.

„Dann kannst du wahrscheinlich noch eine Weile warten", erwiderte Julie grinsend.

„Damit kann ich leben, aber ich erwarte, dass du mir, wenn dieser Fall eintritt, sofort Bescheid gibst!"

„Abgemacht!"

Die beiden Freundinnen verließen das Schloss in jenem Moment und liefen auf die Gewächshäuser zu. Sie wechselten einige Worte über Craig Lufkin, doch sie schweiften schnell vom Thema ab und fingen an, über Professor Longbottoms Angewohnheit zu reden, seinen Schülern immer zu Aufsätze schreiben zu lassen.

„Wahrscheinlich liest er nur gerne", meinte Mary schulterzuckend.

„Aber das sind etwa fünf Klassen am Tag und von vierzig Schülern einen Aufsatz zum gleichen Thema zu lesen, stelle ich mir nicht als spannende Lektüre vor."

„Vielleicht hat er auch nur Spaß daran, sich über all die falschen Informationen lustig zu machen", erwiderte Mary grinsend und Julie lachte leise. Sie stellte sich ihren Professor vor, wie er jeden Abend über Stapel von Pergamenten gebeugt saß und sich halbtot lachte, doch irgendwie passte das nicht zu ihrem Bild von ihrem Professor. Professor Longbottom schien keineswegs eine Person zu sein, die sich über andere Menschen lustig machte, insbesondere nicht über seine Schüler.

Sie hatten die Gewächshäuser beinahe erreicht und aus irgendeinem Grund musste Julie an den Moment vor etwa vier Monaten zurückdenken, als sie nach einer Kräuterkunde Stunde mit Mary zum Mittagessen gegangen war, allerdings auf dem Weg durch ihren starken Husten Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hatte. Jetzt, wo sie daran dachte, war es beinahe lustig, wie sich die Dinge seitdem verändert hatten. Das war nur wenige Tage, nachdem sie die Liste geschrieben hatte, gewesen. Damals hatte sie James dafür verflucht, dass er bei einem solchen Wetter Training machte.

Julie seufzte leise, es war so viel falsch gelaufen in den letzten Jahren. Sie schüttelte die Erinnerung ab und folgte Mary in das Gewächshaus, wo Professor Longbottom sie überschwänglich begrüßte. Sie begaben sich auf ihre Plätze und Julie konnte hören, wie Erin Reid sich bei Alicia Richards beschwerte: „Wenn wir noch mehr Aufsätze in dieser Woche schreiben müssen, dann mach ich vielleicht 'nen Weasley!"

„Ich bezweifle, dass irgendjemand die legendären Weasley Zwilling auch nur ansatzweise toppen kann, Erin", gab Alicia zu bedenken. „Selbst wenn jemand abhauen würde, würde niemand einen solch stilvollen Abgang hinlegen, wie die Weasley Zwillinge. Meine Mum meinte, dass Weasleys Zauberhafte Zauberscherze zu den Zeiten noch genialer waren, als heute. Wahrscheinlich, weil Fred damals noch gelebt hat."

„Mach mal halblang, Alicia, ich hab's schon verstanden", meinte Erin nahezu beleidigt. Julie hatte die Hufflepuff noch nie ausstehen können. Sie schien immerzu bissig und zu sehr von sich selbst überzeugt. Glücklicherweise hatten die beiden es sechs Jahre lang erfolgreich bewerkstelligt, sich nicht zu beachten.

Mary überflog noch einmal ihren Aufsatz, während Professor Longbottom Anstalten machte, den Unterricht zu beginnen. Julie sah ihren Professor gelangweilt an und hörte seinen Worten zu, wobei sie mal wieder feststellen musste, dass die Hälfte an ihr vorbei ging. Auch in dieser Stunde erwischte sich Julie mehrmals dabei, dass sie James anstarrte, insbesondere wenn es sich so anfühlte, als würde jemand aus der Richtung sie anstarren, was aber nie der Fall war. Kräuterkunde verging langsam und am Ende der Stunde wies Professor Longbottom seine Schüler an, ihm ihre Aufsätze nach vorne zu bringen.

„Und da einige von euch schon mit dem Gedanken spielen, die Schule abzubrechen, wenn sie in dieser Woche auch nur einen weiteren Aufsatz schreiben müssen, erwarte ich von euch, dass ihr über das Wochenende Kapitel neun bis elf in eurem Lehrbuch lest und versteht", kündigte Longbottom an und fixierte Erin mit seinem Blick. Mary und Julie sahen sich an und mussten sich größte Mühe geben, um nicht lauthals loszulachen. Mary schlug ihre Hand vor ihren Mund und beeilte sich, ihre Sachen zusammenzupacken, während Julie sich so stark auf die Unterlippe biss, dass sie erwartete, Blut zu schmecken.

Als sie das Gewächshaus verließen, prusteten die beiden los. Es fühlte sich gut an, einfach befreit zu lachen. Es war als gäbe es keine Sorgen mehr, als wäre nichts wirklich vorhanden abgesehen von der Freude am Leben.

„Hast du Erins Gesicht gesehen?", fragte Mary unter Tränen und Julie schüttelte den Kopf. „Erst hat sie total begeistert ausgesehen, doch als sie Longbottoms Blick bemerkt hat, sah sie vollkommen geschockt aus. Sie wurde erst kreideweiß, dann scharlachrot, es war herrlich!" Mary wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, während Julie sich wünschte, sie hätte es gesehen.

Die beiden Freundinnen liefen eine Weile schweigend nebeneinander her. Julie genoss es immer wieder aufs Neue, wenn Mary und ihr Stundenplan so waren, dass sie die meiste Zeit zusammen Unterricht hatten. Und obwohl Julie in der nächsten Stunde zu Verteidigung gegen die dunkeln Künste und Mary zu Muggelkunde musste, konnten die beiden sich zumindest ihren Weg teilen, da beide Klassenzimmer im ersten Stock lagen, was ebenso hieß, dass die beiden zusammen zum Mittagessen gehen konnte. Nur dann würden sich ihre Wege trennen, denn Mary hatte an diesem Tag keinen Nachmittagsunterricht, Julie allerdings musste noch eine Stunde Wahrsagen hinter sich bringen.

„Wie willst du das später eigentlich machen? Ich meine, du willst Lehrerin werden und so, aber Professor Longbottom sieht nicht so aus, als würde er seinen Posten in den nächsten siebzig Jahren verlassen", unterbrach Julie nachdenklich das Schweigen. Mary zuckte nur mit den Schultern.

„Ich weiß nicht mal genau, ob ich überhaupt Kräuterkunde unterrichten will. Astronomie wäre auch toll und bei Professor Sinistra habe ich wohl höhere Chancen, dass ich die Stelle bekomme. Und selbst falls das nicht klappen sollte: Es gibt doch schließlich auch Zauberschulen in anderen Ländern", erwiderte Mary. Und damit war das Gespräch beendet. Julie dachte über Marys Worte nach und ging in ihren Kopf die Zauberschulen durch, von denen sie wusste, dass sie existierten. Da wären zum einen Beauxbatons in Frankreich, Durmstrang, ein privates Institut in Irland, Castelobruxo in Braslien und dann hatte Julie noch von einer Zauberschule in Skandinavien gehört. Sie war sich sicher, dass es da noch so einige weitere Schulen gab, wahrscheinlich hatte sogar jedes Land seine Eigene.

Julie hatte gerade ihren Gedanken zu Ende bringen können, als Craig Lufkin wie aus dem Nichts auftauchte und Mary augenblicklich einen Umweg einschlug. Julie verdrehte nur die Augen und erreichte die Treppe, welche in den ersten Stock führte.

Sie war eine der Ersten, die das Klassenzimmer erreichte, wobei sie feststellen musste, dass Professor Goldstein trotzdem schon dabei war, mit seinen Schülern über alles mögliche zu sprechen. Julie wusste nicht so recht, was sie über ihren Lehrer denken sollte, denn zum einen trieb es sie in den Wahnsinn, dass er so schnell abgelenkt wurde und nicht einmal die Hälfte der Schulstunde aus konstruktiven Unterricht bestand, aber zum anderen hatte er eine solch fröhliche und freundliche Art, dass es einem schwer fiel, ihn nicht zu mögen.

Mit der Zeit kamen immer mehr Schüler in das Klassenzimmer, darunter auch James, Max und Lorraine, wobei Max und Lorraine sich auf ihre Plätze setzten und ihr Gespräch fortführten, während James genervt auf seinem Platz saß und Löcher in die Luft starrte. Julie beobachtete, wie Clarisse ihm auf einmal gegenüber saß und ihn anzüglich ansah. Sie beugte sich zu ihm vor und raunte ihm etwas ins Ohr, was Julie keineswegs verstehen konnte. James verharrte an Ort und Stelle und verzog keine Miene, doch Julie konnte sehen, dass es ihm nicht behagte, Clarisse so dicht bei sich zu haben. Jedenfalls war das Julies Theorie, es konnte selbstverständlich auch umgekehrt sein und sein ganzer Körper spannte sich an, weil er sich beherrschen musste, Clarisse nicht noch näher zu sich zu ziehen, doch aus irgendeinem Grund klang das absurd in Julie Ohren.

Plötzlich kam wieder Leben in James und er tat das Unglaubliche: Er drückte Clarisse sanft von sich weg und sah sie entschuldigend an. Julie konnte nicht anders, als den Atem anzuhalten und die beiden genau zu beobachten, glücklicherweise sprach James laut genug, damit sie seine Worte verstehen konnte.

„Ich denke das wird nichts mit uns, tut mir Leid, Clarisse", sprach er klar und deutlich. Julie sah, wie sich Clarisse' Blick gefror, sie saß vollkommen geschockt da, bis ihr Blick auf einmal blankes Entsetzten aufzeigte und sie langsam zu begreifen schien, dass man ihr gerade eine Abfuhr verpasst hatte.

„Aber du hast es mir versprochen, du hast mich gefragt, ob ich mit dir ausgehen will und jetzt machst du auf einmal einen Rückzieher?", fragte sie und ihr Ton wechselte von geschockt zu wütend. Spätestens ab jenem Zeitpunkt war Julie nicht mehr die einzige, die die beiden beobachtete.

„Es tut mir Leid, okay? Das damals ist nun drei Monate her", versuchte James die Rothaarige zu beruhigen.

„Ich habe meine Meinung aber doch auch nicht geändert!", startete Clarisse einen weiteren verzweifelten Versuch, doch James sah sie nur entschuldigend an. Julie hörte, wie ein Slytherin in der letzten Reihe losprustete und sich vor Lachen nicht mehr einkriegen konnte, einige seiner Mitschüler taten es ihm gleich, während der Rest noch genügend Anstand besaß, um das Lachen auf das Mittagessen zu verlegen, wo die Geschichte mit Sicherheit die Runde machen würde.

Clarisse drehte sich schmollend um und setzte sich auf ihren Platz, wo Felisha ihr beruhigende Worte einflüsterte.

Es war in Wahrsagen, als alles Julie auf einmal vollkommen aus der Fassung zu bringen schien. Das Mittagessen war vollkommen normal verlaufen, nur dass Hugo und Annabel sich noch immer nicht ausgesprochen hatten und letztere somit am anderen Ende der Großen Halle saß.

Doch in Wahrsagen schien alles auf einmal eine hundertachzig Grad Drehung zu machen, jedenfalls für Julies Verstand. James hatte sich nur unweit von ihr auf eines der Kissen nieder gelassen und sie konnte sich immer wieder aufs Neue dabei erwischen, wie sie zu ihm schaute. Und als wäre das nicht genug gab es diese seltsame Erwartung, dass er sie ansprechend würde, was Julie zum einen unter gar keinen Umständen wollte, eine verräterische Stimme in ihrem Kopf allerdings hoffte.

Nichts geschah, James kritzelte etwas in sein Wahrsage-Notizbuch und beachtete Julie kein bisschen. Sie versuchte, ihre Gedanken von ihm abzulenken, doch das schien schwerer als erwartet. Sie starrte angestrengt auf ihre Hände, um ja nicht dabei erwischt zu werden, wie sie James ansah. Sie musste sich eingestehen, dass etwas anders war, sodass ihre Hände auf einmal zitterten und sie sich kein bisschen konzentrieren konnte. Ebenso musste sie anerkennen, dass James etwas damit zu tun hatte und Gedanken beschlichen sie, die so absurd klangen, aber irgendwie auch nicht. Konnte es sein, dass sie ihn über die letzten Wochen angefangen hatte zu mögen? Dieser Gedanke allein ließ sie das Gesicht verziehen, doch sie durfte diese Möglichkeit nicht einfach außer Acht lassen. Allerdings hatte sie keine Ahnung, wie es sich anfühlte, Gefühle für jemanden zu hegen, die über Freundschaft hinausgingen.

„Willkommen zu einer weiteren Stunde Wahrsagen", begann Professor Wilson den Unterricht und Julie schreckte aus ihren Gedanken hoch. „In dieser Stunde möchte ich gerne ein weiteres Projekt ankündigen." Ein Murren ging durch die Schülermenge und viele verdrehten die Augen. „Keine Sorge, es wird nicht so umfangreich sein, wie das Letzte!"

Julie sah gespannt zu ihrer Lehrerin, so sehr sie Projekte auch nicht leiden konnte, es waren hin und wieder interessante Aufgaben dabei.

„Ihr werdet in Zweiergruppen auf einen kleinen Ausflug gehen, welchen ihr vollkommen in der Zukunft lesen müsst. Das Medium, welches ihr zum Wahrsagen verwendet spielt keine Rolle, aber ihr müsst irgendwie genügend Informationen aus der Zukunft bekommen, um einen kleinen Ausflug auf die Beine zu stellen."

Die meisten Schüler schauten vollkommen verwirrt aus der Wäsche, während Julie versuchte mit ihrem Kopf abzuklären, ob dieses Projekt überhaupt im Bereich des Möglichen war. Währenddessen teilte Professor Wilson ihre Schüler in Gruppen ein, wobei ihr ihre Kristallkugel gesagt hatte, dass sich dieselben Personen zusammentun sollten, welche beim letzten Projekt auch schon zusammen gearbeitet hatten. Julie verdrehte nur die Augen, sie konnte sich kaum an ein Projekt erinnern, an dem sie nicht zu James' Partnerin ernannt wurde.

Julie fühlte sich seltsam, als James sich schließlich ihr gegenüber niederließ und schon einige Tarot-Karten auf dem Boden ausbreitete. Es war, als würde sie frösteln gemixt mit einer seltsamen Aufregung.

„Ich denke, von den Tarot-Karten können wir am meisten über unseren Ausflug herausfinden", meinte nun James und legte die Karten in das keltische Kreuz, doch Julie stoppte ihn.

„Schon richtig, aber ich denke, dass das keltische Kreuz und nicht allzu gut bei unserem Weg helfen wird. Wir sollten Bienenwaben legen", meinte Julie und nahm James die Karten aus der Hand. „Sieben Karten."

James wählte sieben Karten, welche Julie ordnungsgemäß auf dem Boden auslegte. Sie spürte seinen Blick auf sich und hoffte, dass sie nicht rot wurde. Ihre Hände fingen an zu zittern und sie hoffte, dass er es nicht bemerkte. Als sie auf die Karten vor sich sah, machte auf einmal alles keinen Sinn mehr. Ihr Kopf war wie leergefegt, sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.

Sie verbannte alle Gedanken an James aus ihrem Kopf und sah schließlich wieder klar. Sie wusste, dass sie nur den Anfang finden musste und dann würde alles leichter werden.

„Also, die erste Karte steht für das Thema, um welches es geht", meinte sie und deckte die Karte in der Mitte auf. „Fünf der Münze, also Quälerei."

„Na das hört sich ja schon mal gut an", bemerkte James. „Denkst du, dass das uns wirklich einen Ausflug vorhersagen wird?" Julie konnte nicht anders, als mit den Schultern zu zucken. Sie deckte die zweite Karte auf, welche genau unter der Ersten lag.

„In der Vergangenheit gab es Erschütterungen, was so viel heißt, dass wir uns von unserem alten Bild lösen müssen und Neues entdecken", fuhr Julie fort und deckte die dritte Karte auf, welche über der Ersten lag. „Gedanken zu dem Thema ist der Teufel, also das wir Regeln brechen sollen."

„Das lässt sich auf dem Ausflug sicherlich einbringen", meinte James grinsend und Julie verdrehte nur die Augen.

„Unsere Strategie ist im Moment die Königin der Münzen", Julie stoppte kurz und blätterte in ihrem Orakelbuch herum, ehe sie einen älteren Eintrag gefunden hatte. „Sie steht für Sinnlichkeit. Und wenn wir Sinnlichkeit als Strategie beibehalten, dann werden wir neues Wissen erwerben und die Vergangenheit hinter uns lassen. Doch Mäßigkeit wäre eine noch bessere Strategie und wenn wir die benutzen würde das zu der Königin der Kelche führen, welche für Hingabe und Leidenschaft steht." Perplex starrte Julie auf die sieben Karten vor sich. Besonders aufgrund der letzten Karte wurde ihr Blick mit jeder Sekunde verstörter.

„Lass uns das aufschreiben und dann sollten wir vielleicht noch ein wenig in Kristallkugel starren oder Teeblätter lesen, was auch immer", meinte James und überging Julies Verstörtheit gekonnt. Julie nickte und kramte ihre Feder aus ihrer Tasche und fing an, alle Karten und ihre Bedeutungen aufzuschreiben. Als sie damit fertig war, sah sie James erwartungsvoll an.

„Und, hast du schon irgendwelche Schlüsse gezogen?", fragte sie ihn. Er zuckte allerdings nur mit den Schultern.

„Abgesehen, davon, dass wir die Regeln brechen sollen, nicht", erwiderte er unbeeindruckt. „Aber ich habe auch keine Ahnung, wie Professor Summers sich das vorstellt. Ich meine, für einen Ausflug braucht man Details, in Wahrsagen bekommt man immer nur sehr vage formulierte Vorhersagen, wie bei Merlins Barte sollen wir da einen Ausflug planen?"

„Ich denke, dass ist gerade der Grund, warum das hier ein Projekt ist: Es soll nicht einfach sein", erwiderte Julie und stand auf, um sich eine Kristallkugel zu schnappen. „Aber ich denke, dass die Tarotkarten uns zumindest ein Grundgerüst gegeben haben, wir können nur hoffen, dass wir müde genug sind, um irgendeinen Schwachsinn in diesem Ding zu sehen, das uns weiterhelfen könnte." Julie stellte die Kristallkugel in die Mitte der beiden und setzte sich wieder auf ihr Kissen.

„Kristallkugeln sind der größte Schwachsinn überhaupt", meinte nun auch James, starrte aber dennoch auf den milchigen Nebel in der Kugel. „Die beste Möglichkeit ist wahrscheinlich, es für heute aufzugeben und morgen früh unsere Träume aufzuschreiben und daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen."

„Wahrscheinlich hast du Recht. Theoretisch ist es auch egal, wohin uns unser Ausflug führt, solange wir es irgendwie von unseren Vorhersagungen ableiten. Meinst du, wir geraten in Schwierigkeiten, wenn wir wirklich die Schulregeln brechen?", fragte Julie zunehmend besorgt und sah von der Kristallkugel zu James, welcher ihren Blick erwiderte.

„Keine Ahnung, wahrscheinlich ein wenig, aber solange uns niemand erwischt und uns nicht passiert, wird die Strafe milde ausfallen. Vielleicht einmal Nachsitzen oder so", erwiderte James.

„Hör auf davon zu sprechen, als sei es gar nichts! Ich musste noch nie nachsitzen und ich habe auch nicht vor, jemals damit anzufangen!", meinte Julie, woraufhin James sie belustigt ansah.

„Von dem, was ich über dein Treiben im dritten Schuljahr gehört habe, sollte man meinen, dass du Nachsitzen auf jeden Fall schon verdient hattest", sprach James mit gesenkter Stimme. Julie sah ihn mehr als geschockt an, denn sie hatte keine Ahnung, wie er sich an die Sache noch erinnern konnte, um genau zu sein, wie er es überhaupt wissen konnte, denn Julie hatte sich größte Mühe gegeben, um diesen Teil ihrer Schulzeit zu vergessen — ironischerweise.

„Ich weiß gar nicht, wovon du redest", versuchte sie sich aus der Sache herauszuwinden.

„Ich bin nicht dumm, Julie, du weißt genau, wovon ich spreche, außer du hast deine ganzen Vergessenszauber nicht nur an deinem Bruder, sondern auch an dir selbst ausprobiert", erwiderte James grinsend. Julie sah beschämt auf die Kristallkugel. Sie hatte damals ihr Talent für Vergessenszauber entdeckt und hatte Spaß daran, Erinnerungen von ihrem Bruder Daniel zu verändern, damit sie nicht in Schwierigkeiten geriet. Dem Ärger war sie im Endeffekt doch nicht entkommen, denn die ganze Tirade flog während der Weihnachtsferien in ihrem drittem Schuljahr auf.

„Themawechsel, bitte", verlangte sie, woraufhin sie James nur seufzen hörte.

In jener Nacht lag Julie noch lange wach und starrte an die Zimmerdecke. Sie konnte sich keinen Reim auf das machen, was bisher passiert war. Es war seltsam, James' Anwesenheit schien beinahe eine Panikattacke in ihr auszulösen, welche sich negativ und positiv zugleich anfühlte. Julie wusste genau, dass sie mit Mary über diese Sache reden musste, es würde hoffentlich helfen, ihren Kopf frei zu bekommen und doch fürchtete sie sich vor dem Urteil ihrer Freundin. Noch viel größere Angst hatte sie davor, was die anderen über ihren plötzlichen Wandel denken würde. Caitlin und Annabel würden noch Verständnis dafür finden können, doch Hugo und Albus würde vollkommen durchdrehen.

Sich im Klaren darüber, dass sie eigentlich schlafen sollte, um für ihr Wahrsage-Projekt einen ordentlichen Traum zu haben, schob sie die Bettvorhänge bei Seite und setzte ihre nackten Füße auf den kalten Steinboden. Von dort tat sie etwa zwei Schritte und krabbelte schließlich in Marys Bett, welche still auf der Seite lag, sich aber überrascht umdrehte.

„Alles in Ordnung?", fragte sie in Flüsterton. Julie begann zu zittern und wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Sie zog die Vorhänge zu und griff nach Marys Zauberstab um einen Schutzzauber auszusprechen, damit auch ja keiner ihrem Gespräch lauschen konnte.

„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll", murmelte Julie verzweifelt, woraufhin Mary hellwach war.

„Worum geht es denn?"

„James Potter", antwortete Julie leise und vorsichtig. Mary sah nicht allzu überrascht aus und gab ihrer Freundin mit einem Blick zu verstehen, dass sie weitererzählen sollte. „Ich weiß wirklich nicht, wo ich anfangen soll, Mary! Es ist einfach so seltsam. Ich meine ich habe rund sechs Jahre damit verbracht, ihn zu hassen und jetzt auf einmal fällt mir auf, dass wir eigentlich gar nicht so verschieden sind, weißt du? Wir haben es in den letzten Wochen sogar hinbekommen, uns miteinander zu unterhalten, ohne dass wir uns gleich in den Haaren lagen. Was geht hier vor?" Mary holte einmal tief Luft.

„Ich denke, dass hast du indirekt schon gesagt: Du lernst ihn kennen, Julie", erwiderte sie ruhig.

„Aber wie kann es sein, dass ich so viel Energie aufgebracht habe, um ihn zu hassen und ihn dann nicht einmal kenne?"

„Ich denke, weil er dir genug Anlass dazu gegeben hat. Du kannst ihn wegen seinen Handlungen nicht leiden, hast dich aber nie sonderlich um seinen Charakter geschert. Du kennst seine Handlungen, aber nicht die Person dahinter." Julie blieb für eine Weile still und dachte über Marys Worte nach. Es war zumindest teilweise richtig, doch hatte Julie immer gewusst, dass James' Handlungen nicht seine Person war, doch hatte sie nie weitere Nachforschungen betrieben. Hatte sie wirklich so blind gehasst?

„Aber warum kommt das alles so plötzlich? Ich meine, ich habe nie meine Einstellung ihm gegenüber geändert", hakte sie nach und Mary seufzte.

„Weil er dich lässt, Julie!", antwortete Mary mit Nachdruck. „Ich weiß nicht genau warum, aber aus irgendeinem Grund hat er sich dir gegenüber geöffnet und hat allgemein angefangen, sich weniger auffallend zu verhalten. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, sondern lass es einfach geschehen. Im Endeffekt, kannst nur du wissen, ob du ihn magst oder nicht." Julie sah ertappt auf ihre Hände und sah schließlich zu Mary auf.

„Und was ist, wenn ich ihn mag?", fragte sie unsicher. Es hörte sich vollkommen absurd an, doch es klang wie die Wahrheit.

„Dann wird dir die Zeit wohl zeigen, wie sehr du ihn magst", erwiderte Mary lächelnd und zwinkerte ihrer Freundin zu. Julie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. „Mach dir keinen Kopf, Julie, niemand wird dir den Kopf abreißen, solltest du James mögen. Warte einige Tage oder Wochen ab, dann wirst du weniger verwirrt sein."

„Woher weißt du das alles eigentlich? Hast du zu viele romantische Bücher gelesen, oder was?", fragte Julie.

„Das wohl auch, aber ich war vor einiger Zeit an einem ähnlichen Punkt und meine Mum hat mir einen ähnlichen Rat gegeben", erwiderte Mary geheimnisvoll und gähnte. „Wenn es dich nicht stört, dann würde ich jetzt gerne weiterschlafen."

„Und von Craig träumen?", hakte Julie grinsend nach, doch noch im selben Moment kletterte sie aus Marys Bett. Als Antwort bekam Julie nur ein Murren. „Danke", flüsterte sie und schlich zurück in ihr Bett, wo sie der Schlaf fast augenblicklich überfiel.


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