Warum ich James Sirius Potter...

By Nachtwanderin

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Als James eines Abends eine Liste findet, die Gründe aufzeigt, warum man ihn hassen müsste, beschließt er all... More

Prolog
*1. Die Liste
*2. Neue Punkte
*3. Die Party
*4. Projekt "Neue Freunde"
*5. Unerwartete Diagnose
*6. Quidditch Komplikationen
*7. Wie Julie nicht tot war
*8. Auf dem kleinen Weg hinab
*9. Unerwartete Begegnugen
*10. Ernste Gespräche
*11. Auseinandersetzungen
*12. Beschimpfungen
*13. Ein Streich
*14. Der Wandel
*15. Rachepläne
*16. In nur vier Tagen
*17. Verloren
*18. Neue Motivation
*19. Tarot
*20. Der Humor der Gründer
*21. Die Spuren vom Vergangenen
*22. Der Schwindel
*23. Die letzten Schultage vor den Ferien
*24. Zu Hause
*25. Familie vereint
*26. Weihnachten
*27. Jahreswechsel
*28. Jene Tage im Januar
*29. Quidditch und Geburtstage
*31. Der alte Joshua
*32. Valentinstag
*33. Hundertachtzig Grad
*34. Planungen
*35. Der Ausflug
*36. Müdigkeit
*37. Hürden
*38. Wahnsinn
*39. Schlafmangel
*40. Swivenhodge
*41. Streichen
Epilog

*30. Erkenntnisse

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By Nachtwanderin

Nur vier Tage nach James' Geburtstag stand ein weiteres Event an, auf das schon alle Sechstklässler gewartet hatten. Es war der erste Tag, an dem sie alle in die Große Halle gingen und von einem Zauberer aus dem Ministerium empfangen wurden. James konnte spüren, wie sein ganzer Jahrgang vor Nervosität und Aufregung zu platzen drohte und er musste zugeben, dass es ihm selbst nicht besser erging. Apparieren war der nächste Schritt zu seiner Freiheit, ein Weg, um endlich ein erwachsener Zauberer zu werden, so schien es jedenfalls für ihn zu sein.

Von dem Vortrag, den der Ministeriumszauberer hielt, bekam James nur herzlich wenig mit, alles was ihm auffiel, war dass er den selben Lehrer hatte, von dem auch schon sein Dad damals unterrichtet wurde: Wilkie Twycross. Etwas abseits waren einige der Lehrer anwesend, doch sie schienen keine große Rolle im Apparierkurs zu spielen, ansonsten würden sie sich mit Sicherheit nicht so dezent im Hintergrund halten, da war James sich sicher.

„Die goldene Dreierregel lautet: Ziel, Wille, Bedacht!", flößte Wilkie Twycorss seinen Schülern gerade ein, als James Max zu murmelte: „Der ist ja älter als meine Urgroßtante Muriel."

„Also über hundertzwanzig", erwiderte Max und die beiden Jungen besahen sich den alten Zauberer etwas genauer. Max könnte durchaus Recht haben, wahrscheinlich hatte Wilkie Twycross selbst James' Großeltern zu ihrer Schulzeit unterrichtet. Leider hatte James keine Zeit, um weiter darüber nachzudenken, denn Twycross hatte seinen Vortrag scheinbar beendet und wies die Schüler an, sich einen Ring auszusuchen und schließlich einige Meter davon zurückzutreten. James endete neben Max und Elliot, wobei er über Letzteren alles andere als erfreut war. Neben Elliot war wie zu erwarten auch Duncan anwesend und die beiden wirkten bereits wie ein nervöses Wrack, wobei James sich sicher war, dass den beiden seine Anwesenheit nicht wirklich gut tun würde.

„Und nicht vergessen: Ziel, Wille, Bedacht", wies Twycross die Schüler an und schon war es totenstill in der Großen Halle. Als James sich umsah, sah er einen Haufen Schüler, wie sie angestrengt auf den Ring vor sich starrten, weshalb er entschied das Selbe zu tun. Es passierte nichts und Twycross versuchte seine Schüler mit einigen Tipps und Worten aufzuheitern, doch helfen tat es James auch nicht wirklich. Er wusste nicht, wie es allein aus seinem Willen hinaus funktionieren sollte, dass er an einem anderen Ort wieder auftauchte. James war noch nicht zu Punkt drei gekommen, der eine gezielte Drehbewegung forderte, als seine Konzentration unterbrochen wurde.

„Großartig, Mister Sanders, das ist ein wirklich großer Erfolg für das erste Mal!", rief Wilkie Twycross aufgeregt und James' Blick wanderte automatisch zu dem Ravenclaw, welcher nicht mehr wie jeder andere zwei Meter von seinem Ring entfernt, doch stattdessen einen halben Meter dahinter stand. James spürte Neid auf seinen Mitschüler und er wusste, dass er nicht der einzige war, als er seinen Blick zu der Person neben Thommy wandern ließ. Julie hatte ihren Kiefer angespannt und ihr Blick sprach Bände, wahrscheinlich ging es ihr genauso wie James. Er hatte der Erste sein wollen, er wollte Anerkennung für Apparierkünste bekommen und nun stahl Thommy allen die Show, sollten sie noch so gut sein. Thommy war nun einmal brilliant und niemand konnte ihn toppen, noch dazu war James in den letzten Monaten klar geworden, dass Thommy keineswegs eine Person war, die sich unterordnete. James hatte all die Zeit, in der Thommy seine Hausaufgaben gemacht hatte, geglaubt, dass Thommy seine Beliebtheit brauchte, doch als Thommy aufgehört hatte, gute Arbeit zu leisten, wurde James mehr und mehr klar, dass er selbst derjenige gewesen war, der Thommy gebraucht hatte.

Nachdem Thommy das Lob mit einem hochroten Kopf angenommen hatte, konzentrierten sich alle Schüler noch intensiver, denn jeder wollte der nächste mit Erfolg sein. James wollte gerade zu der Drehbewegung ansetzten, als er sich sicher war, dass er sich gut genug konzentrierte, als er erneut unterbrochen wurde. Zum einen war da der schmerzerfüllte Schrei und zum anderen das siegreiche Lächeln Julies. Die Schulkrankenschwester und der Rest der anwesenden Lehrer eilten zu Lorraine, welche schreiend in dem Ring lag, nur leider mit dem Problem, dass ihr linkes Bein noch neben Max lag, welcher ebenfalls alarmiert auf sie zulief.

In James' Augen passierte viel zu viel während der ersten Apparierstunde: Thommy und Julie schafften es, zu apparieren und Lorraine zersplinterte. Dabei hatten sie für dergleichen noch elf weitere Stunden Zeit. Es dauerte nicht lange, bis die Lehrer wieder von Lorraine abließen und sie wieder mit ihrem Bein verbunden war. Max half ihr auf die Beine und sie setzten sich etwas abseits auf eine der Bänke. Der Rest der Schüler versuchte weiterhin, zu appaieren, wobei die Hälfte die Angst ins Gesicht geschrieben stand. James sah zu Julie, welche sich wieder an ihren Platz neben Thommy eingefunden hatte. Alle schienen so abgelenkt von Lorraine gewesen zu sein, dass niemand mitbekommen hatte, dass Julie einen Meter nach vorne appariert war. Aus irgendeinem Grund wunderte es James nicht einmal, dass gerade Julie eine von denjenigen war, die als erstes Fortschritte aufwiesen, wahrscheinlich weil Julie besonders Willensstark war.

Während der Stunde schaffte es ein Slytherin, im Ring seines Nachbarn zu landen und kurz bevor die Stunde enden sollte, beschloss James sich voll und ganz auf den Ring zu konzentrieren. Er versuchte, alles andere auszublenden und verscheuchte alle Gedanken abseits seines Ziels. Schließlich stellte er sich vor, wie er in dem Ring auftauchte und wies jede Faser seines Körpers an, dorthin zu gehen. Es war wie ein seltsames Verlangen nach dem Ziel, welches James' Körper ergriff. Er vergaß beinahe, was der letzte Schritt war, doch als er die Drehbewegung ausführte, fühlte er das vertraute Gefühl von Apparieren gemischt mit dem unglaublichen Gefühl von Freiheit. James war schon oft Seit-an-Seit mit seinem Dad appariert und hatte es nie als sonderlich angenehm empfunden, doch nun wurde dieses unangenehme Gefühl mit etwas anderem ersetzt: Freude. Es kümmerte ihn nicht einmal, dass er weit über sein Ziel hinausgeschossen war, denn zumindest hatte er den Ort gewechselt, ohne einen Schritt zu tun.

„Großartig, Mister Potter!", rief Wilkie Twycross und tauchte wie aus dem Nichts neben James auf, um diesen väterlich auf die Schulter zu klopfen. „Ich denke, dieser Erfolg ist ein gutes Ende für die heutige Unterrichtsstunde." James nickte und konnte sich ein Grinsen nur schwer verkneifen, schließlich hatte er es doch noch geschafft zu den Erfolgreichen zu gehören. Julie mochte einen starken Willen haben, dich den hatte James zweifellos auch. Seine Mum hatte Recht gehabt, als sie meinte, er und Julie seien große Dickköpfe, vielleicht war das der Grund, warum die beiden so viele Probleme miteinander hatten, vielleicht sahen sie sich einfach nur zu ähnlich.

Die meisten Sechstklässler wandten sich zum gehen, andere blieben, um einen letzten Versuch zu wagen. James ging auf Max und Lorraine zu, welche noch immer auf der Bank ruhten. Er warf seinem besten Freund einen vielsagenden Blick zu, welcher nur mit den Schultern zuckte und weiter versuchte, Lorraine zu beruhigen. Die Halbfranzösin stand noch immer der Schock ins Gesicht geschrieben und James fühlte sich auf einmal seltsam schuldig dafür, dass er erfolgreich appariert war, während Lorraine offensichtlich einen Fehler gemacht hatte, denn schließlich war Lorraine immer diejenige, die alles richtig machte, nicht er.

„Geht es dir gut?", fragte James seine Mitschülerin überflüssigerweise. Als Antwort bekam er ein Schulterzucken und er setzte sich neben Max, da er keine Ahnung hatte, was er sonst tun sollte. Sie verbrachten die Zeit schweigend und saßen noch immer am selben Ort, als der letzte Schüler die Große Halle verlassen hatte. Wilkie Twycross wank allen Lehrern fröhlich zu, ehe er verschwand und sich die Lehrer daran machten, den Apparierschutz wieder aufzubauen.

„Wenn ihr nichts dagegen habt, gehe ich in den Gemeinschaftsraum und erledige einige meiner Hausaufgaben", meinte James, da er wirklich keinen Sinn darin sah, nutzlos rumzusitzen.

„Nur zu", erwiderte Lorraine und James fiel auf, wie sie sich an Max' Arm klammerte. Er nickte und stand auf und wollte gerade die Große Halle verlassen, als er sich noch einmal umdrehte und Lorraine „Gute Besserung!" wünschte.

▫▫▫

Es war eine kalte Nacht Ende Januar, als James grübelnd an seinem Fenster saß. Seine Gedanken waren wirr und kreisten nur um bestimmte Ereignisse in den vergangenen Wochen. Und diese Ereignisse waren allesamt mit einer Person verbunden, an die James vor wenigen Monaten nicht einmal einen Gedanken verschwendet hatte.

Er fragte sich, wie das ganze angefangen hat, wie all diese Ereignisse entstanden waren, doch er fand kaum einen Anfang, doch sein Geburtstag war in sein Gedächtnis gebrannt. Er wusste, dass es ein Schlüsselevent gewesen war, denn an jenem Tag hatten Julie und James angefangen, freundlich miteinander zu reden.

„Bist du bereit fürs Quidditchtraining heute Abend?", hatte James sie vor einigen Tagen aus dem Nichts heraus gefragt, als sie sich zufällig auf dem Korridor über den Weg liefen. Julie blieb stehen und schien für den ersten Moment etwas verwirrt, ehe sie antwortete: „Klar, ich hoffe nur, dass der Regen bis dahin aufhört."

„Wenigstens ist es kein Schnee", hatte James das Gespräch mit einem schiefen Grinsen weitergeführt. Für den ersten Moment schien es vollkommen irrsinnig, sich mit Julie zu unterhalten, doch die Worte flossen einfach aus seinem Mund, ohne dass er etwas dagegen machen konnte — oder wollte.

„Wenn Schnee nicht kalt wäre, dann wäre es deutlich angenehmer als strömender Regen", erwiderte Julie schulterzuckend. James dachte ein paar Sekunden über ihre Worte nach, ehe er antwortete: „Stimmt, aber alles ist besser als Hagel." Für diesen Kommentar hätte James sich am liebsten ins Gesicht geschlagen, denn es kam ihm einfach viel zu dumm vor, verschiedene Arten des Wetters aufzuzählen.

„Ach, Hagel kann ganz vorteilhaft sein, wenn man eine gewisse Hüterin von Hufflepuff austricksen will", meinte Julie mit einem Grinsen und spielte dabei auf Georgia Woods größte Niederlage an. Es waren zwei Tore gewesen, die Julie geworfen hatte und Dean konnte an jenem Tag ebenfalls ein Tor erzielen. James zwang sich zu einem Lächeln, er hatte immerzu versucht, alle Gedanken an Georgia zu verdrängen, es hatte ihn nicht einmal gekümmert, doch jetzt fing eine Stimme in seinem Kopf an, zu sagen, dass er etwas gehörig falsch gemacht hatte. Er war mit Georgia zusammen gewesen, um einen Vorteil für sein Quidditchteam herauszuschlagen, er wollte mehr über die Strategien von Hufflepuff wissen und das war der einzige Grund, warum er ihr Herz gebrochen hatte. Nun fühlte er sich wie ein Monster.

„Dann kann ich nur hoffen, dass es beim nächsten Spiel gegen Hufflepuff hagelt. Und dann erwarte ich mindestens drei Treffer, ich habe euch nicht umsonst bei allen Wettern aufs Feld geschickt", sprach James mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen. Für einen Moment befürchtete er, Julie würde den Sarkasmus in seinen Worten nicht verstehen, doch sie fing langsam an, sein Grinsen zu erwidern.

„Ach, das bekomme ich auch ohne Hagel hin, schließlich muss ich den Sichtern der Britisch-Irischen Liga doch zeigen, dass sie mich ganz sicher in ihrem Team brauchen", scherzte Julie und James' Grinsen wurde etwas breiter und er verdrehte gespielt genervt seine Augen. Doch irgendwie schwang auch ein Funke Wahrheit in ihren Worten mit, sie klang, als würde sie nicht nur scherzen, sondern einen Wunsch aussprechen.

„Das würde die mit Sicherheit beeindrucken, aber ich denke, du stehst sowieso schon auf der Liste, du müsstest es also mindestens zu den Chudley Cannons schaffen", meinte James. Julie lachte zum ersten Mal über etwas, was James gesagt hatte und das nichts weil es unglaublich dumm war, sondern weil er etwas Lustiges von sich gegeben hatte. Es fühlte sich seltsam an, doch James gefiel es, dass er der Grund dafür war, dass jemand aufrichtig lachte.

„Besser die Chudley Cannons als gar kein Team. Ich möchte aber lieber bei den Caerphilly Catapults spielen."

„Also ich würde gerne in der Nationalmannschaft spielen, aber darauf habe ich nun wirklich keine Chance", erwiderte James sarkastisch und brachte Julie erneut zum lachen. Es war seltsam wie sehr sich ihr Verhältnis seit dem Waffenstillstand verändert hatte, es schien als würden sie tatsächlich miteinander auskommen und das beste an allem für James war, dass Julies Hass auf ihn in keiner Faser ihres Körpers zu sehen war, keine Wut oder Abneigung hallte in ihrer Stimme wider, es war einfach nur Julie, wie sie jeder abgesehen von ihm kannte.

„Willst du damit sagen, dass ich keine Chance bei den Catapults habe?", hakte Julie grinsend nach.

„Wenn du hart genug trainierst hast du deinen Platz mit Sicherheit, du musst nur besser sein als die restlichen Jäger auf Hogwarts und die Teams werden sich um dich reißen." James ging im Kopf alle guten Jäger durch, die es mit Julie aufnehmen könnten. „Sei einfach besser als Jasmine Entwhistle, Scorpius Malfoy, Noel Pucey und Caitlin." Julie schenkte ihm ein schiefes Grinsen.

„Leichter gesagt als getan", meinte sie etwas leiser und sah auf den Boden, so als würde sie die Enttäuschung in ihren Augen verstecken wollen. James seufzte.

„Caitlin, Malfoy und Pucey kannst du schon einmal an Leistung überbieten und Entwhistle ist vollkommen auf deinem Level, also sollte es kaum Probleme geben", gab James zu und er sah lächelnd dabei zu, wie sich Julies Gesicht erhellte und sie ihn ungläubig ansah. Sie musste überrascht über seine aufbauenden Worte sein, er war schließlich von sich selbst überrascht, denn normalerweise gab er kein so großes Lob.

Die Erinnerung verschwamm vor seinen Augen und ehe er sich versah, waren die Sterne am Nachthimmel wieder sein Fokus. Dieses eine Gespräch war nicht das einzige der Art gewesen. Es folgten weitere Gespräche, nahezu Unterhaltungen, in denen kein falsches Wort gesagt wurde und James fühlte, wie die Worte einfach aus seinem Mund kamen, ohne dass er sie in irgendeine Weise beeinflussen konnte.

Ein weiteres Gespräch fand während einer weiteren Stunde Wahrsagen statt, in der Professor Wilson James und Julie mal wieder zu Partnern ernannt hatte.

„Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, was die Teeblätter über deine Zukunft sagen, wahrscheinlich passiert sowieso nichts Besonderes und dieses Etwas in der Tasse deutet auf irgendwas simples hin, wie eine Eule, die an deinem Fenster vorbeifliegt, oder so", gab James frustriert von sich und er sah, wie sich Julie Mühe gab, sich ein Grinsen zu verkneifen.

„So wie das letzte Mal, als du meintest, ich würde Schwierigkeiten bekommen, weil die Teeblätter zu einem Kreuz geformt waren und die Schwierigkeiten darin bestanden meine Schnürsenkel zu entknoten?", erwiderte Julie und diesmal war es an James über ihren Kommentar zu lachen.

„Lass mich mal sehen, Mister Potter!", forderte Professor Wilson als sie gerade an James und Julie vorbeikam. James drückte ihr die Tasse in die Hand und die Professorin warf einen Blick hinein. Sie schien zu überlegen, tausende Formationen und dessen Bedeutungen in ihrem Kopf durchzugehen, ehe ihr Gesicht sich erhellte und sie ihm die Tasse zurückgab.

„Eine Gitarre, Potter", erklärte sie ihm mit einem Blick, der ihm anscheinend so einiges sagen sollte, doch er verstand kein Wort. Er tauschte einen verwirrten Blick mit Julie aus, ehe sie synchron in ihrem Buch nach der Definition blätterten. Als James diese fand konnte er nicht anders, als lauthals loszulachen.

„Das klingt wirklich abgedroschen. Eine Gitarre steht für eine Romanze am Horizont", meinte er und lachte erneut los, als er Julies entsetztes Gesicht sah. Es sah fast so aus, als würde sie sich ekeln, ob es nun an der Formulierung lag oder an der Bedeutung, wusste James nicht.

„Hoffentlich bleibt sie auch am Horizont, ich bin schließlich praktisch mit meine Besen verheiratet", erwiderte Julie, was James noch lauter lachen ließ. Einige der anderen Schüler schauten die beiden Gryffindors verwirrt an und James konnte sie verstehen, denn normalerweise kamen nur Flüche und Verwünschungen aus ihrer Richtung, nicht aber Gelächter.

„Ich wusste ja nicht, dass du auf Objekte stehst, aber gut, ich verurteile dich nicht", gab James von sich und zwinkerte Julie schelmisch zu.

„Das freut mich, dass wenigstens einer meine Liebe zu Objekten akzeptierst. Wie nennt man das eigentlich? O-sexuell?"

„Ich meine das Wort Objektophilie mal in dem Zusammenhang gehört zu haben", erwiderte James und war selbst erstaunt, wie er diese kleine Information so schnell aus seinem Kopf hervorzaubern konnte. Auch Julies Blick sagte ihm, dass sie beeindruckt von ihm war. Die Genugtuung, die er daraufhin spürte, konnte er nicht leugnen.

„Es ist verrückt, dass es wirklich Leute da draußen gibt, die sich in Dinge wie den Eiffelturm verlieben", meinte schließlich Julie seufzend und griff nach James' Teetasse und warf einen kurzen Blick hinein, ehe sie in ihrem Buch blätterte, um nach der richtigen Bedeutung zu suchen. „Deine Geheimnisse werden wohl gelüftet werden, Potter, das sagt zumindest der Schlüssel in deiner Tasse."

„Ach, du meinst mein Geheimnis, dass ich eigentlich schon immer vorhatte, dem Eiffelturm einen Antrag zu machen?", hakte James nach und kurz darauf brachen sie beide wieder in Gelächter aus. James wurde schwindelig, in seinem Kopf sammelten sich zu viele Gedanken, zu viele verrückte Themen, die er nur zu gerne mit ihr besprochen hätte, doch stattdessen redeten sie weiter über Objektophilie, fanden irgendwie eine Überleitung zu Werwölfen und sprachen gerade darüber wie schade es doch war, dass Ted Lupins Dad hatte sterben müssen, als der Unterricht endete und ihre Wege sich zumindest für die wenigen Minuten zwischen den Klassen trennten.

Als James an das Gespräch zurückdachte musste er sich immerzu ein Lachen verkneifen. Es war so seltsam gewesen, dass es ihm selbst beinahe Angst machte. Zum ersten Mal war er froh darüber, dass Max nicht Wahrsagen gewählt hatte, denn hätte er dieses Gespräch mitbekommen, würde er James mit Kommentaren piesacken. Beschämt vergrub er sein Gesicht in seinen Händen und ehe er sich versah, tauchte eine weitere Erinnerung vor seinem inneren Auge auf.

Es war nur wenige Tage her, als er auf dem Quidditchfeld stand und geduldig auf sein Team wartete. Julie war die erste, die auftauchte.

„Was ist denn mit dir passiert?", rief sie ihm zu und schien ihn verwirrt zu mustern. James zog seine Stirn kraus, denn er hatte keine Ahnung, worauf sie hinaus wollte. Schließlich blieb sie etwa einen Meter vor ihm stehen und fuhr fort: „Du bist ja bleicher, als der Fastkopflose Nick!" Dies verwirrte James nur noch mehr.

„Mir geht es gut", antwortete er langsam und warf ihr einen fragenden Blick zu, Julie zuckte allerdings nur mit den Schultern und trat einen Schritt zurück, ehe sie grinsend verkündete: „Halt dich ja fern von mehr. Vielleicht bist du krank und ich will mich ganz sicher nicht anstecken!"

„Witzig!", erwiderte er sarkastisch. „Mal ehrlich, mir geht es wunderbar, ich werde ganz sicher nicht krank!"

„Schon klar und morgen liegst du mit Drachenpocken im Krankenflügel!"

„Du weißt schon, dass Madam Pomfrey einen bei Drachenpocken ins St. Mungos schicken wird, oder?", konterte James. Er musste zugeben, dass er sich unglaublich schlau fühlte, als Julie ihm anfunkelte und ihm damit bewusst wurde, dass er Recht hatte.

„Das ändert aber nichts daran, dass du krank werden könntest", redete sie sich aus ihrer Niederlage heraus und musterte ihn weiterhin etwas kritisch. James konnte sich nur über ihr Verhalten wundern, man könnte schließlich fast schon meinen, sie würde sich Sorgen um ihn machen, doch er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass dies nicht der Fall war.

„Wie oft denn noch? Mir geht es wunderbar, ich werde nicht krank und bekomme auch ganz sicher keinen Drachenpocken." Daraufhin war es einige Sekunden still, in denen die beiden sich nur anstarrten. Oder eher gesagt, schaute James Julie verwirrt an, welche ihn aus zusammengekniffenen Augen musterte. Jener Moment war der erste Moment, in dem James etwas Warmes spürte. Es war an seinem Bein, doch ehe er genauer darüber nachdenken konnte, wandte Julie ihren Blick und sah über die Ländereien, woher nun zwei Gryffindors auf sie zukamen.

„Das ist wirklich gruselig, zu solltest mal deinen Blutdruck überprüfen oder so, du siehst aus, als würdest du gleich zusammenklappen", meinte Julie schließlich, als sie ihn wieder ansah.

„Keine Sorge, ich werde schon nicht vom Besen kippen", erwiderte James und schnitt eine Grimasse. Er hatte erwartete, dass Julie wütend werden würde, doch aus irgendeinem Grund verzog sie ihre Lippen zu einem schiefen Grinsen und zuckte mit den Schultern. James hatte aufeinmal die Szene von damals wieder vor Augen. Er hatte Julie angebrüllt und gemeint, dass sie den Schläger doch richtig halten sollte und ihr das sogar demonstriert ehe ihm aufgefallen war, dass sie ihn nicht einmal ansah. Er hatte sie kritisch beäugt; ihre Hände hatten sich um den Besenstiel gekrallt, sie schwankte und ihr ganzer Körper hatte gezittert. Und dann war sie gekippt. James hatte geistesgegenwärtig gehandelt und sie festgehalten, ehe er nach Max gerufen hatte. Es war wahrscheinlich die beängstigendste Situation gewesen, in der er je gesteckt hatte.

„Das will ich für dich hoffen, denn ich fange dich ganz sicher nicht auf", erwiderte Julie.

„Ach komm schon, dann wären wir quitt!", protestierte James grinsend.

„Du vergisst einen wichtigen Punkt, Potter", meinte Julie. James sah sie auffordernd an. „Ich bin ein Fliegengewicht und du wiegst wahrscheinlich genug, um mich noch zusätzlich vom Besen zu reißen." In jenem Moment konnte James nicht anders, als ihr die Zunge herauszustrecken und sie einen „Schwächling" zu nennen, was sie allerdings gelassen wegsteckte.

James schreckte wieder einmal aus seinen Erinnerungen hoch. Dieses Mal, weil er etwas Warmes an seinem Bein spürte, wie schon damals auf dem Quidditchfeld. Verwirrt tastete er seine Hosentasche ab, ehe er auf etwas runde stieß. Überrascht zog er das etwas hervor und erblickte im schwachen Mondlicht die sonderbare Kugel, die Max ihm zu seinem Geburtstag geschenkt hatte. Wieder ging für einen kurzen Augenblick Wärme von ihr aus, ehe sie wieder eiskalt wurde.

Etwas, das Robert mir an meinem Siebzehnten geschenkt hat und mir in einer bestimmten Sache die Augen geöffnet hat. Du wirst noch früh genug herausfinden, worum es sich dabei handelte, du musst es nur immer bei dir tragen', hatte Max zu seinem Geschenk gesagt und James hatte keine weiteren Fragen gestellt. Obwohl er nicht wusste, was es ihm bringen sollte, hatte er Max' Rat befolgt und die Kugel immerzu bei sich getragen, bis sie wie ein Teil von ihm wurde und er vergaß, dass er sie überhaupt hatte.

James kniff die Augen zusammen und betrachtete die Kugel genauer. Sie sollte ihm in gewissen Dingen die Augen öffnen und wenn es so war, dann musste sie ihn auf etwas aufmerksam machen. Offenbar hatte sie es auch schon versucht, indem sie ihre Temperatur veränderte, doch was sollte das verursacht haben? Im Grunde kannte James die Antwort darauf schon, doch er überlegte angestrengt nach anderen Erklärungen, welche er nicht fand. Die Kugel hatte bisher zweimal reagiert: Einmal als er mit Julie auf dem Quidditchfeld war und ein weiteres Mal, als er an jene Momente mit Julie gedacht hatte. Es konnte also nur etwas mit Julie zu tun haben. Und noch dazu wusste James auch, worauf die Kugel in aufmerksam machen sollte, auch wenn es auf ihn mehr wie eine Warnung schien, obwohl Max eher danach geklungen hatte, es würde einen auf etwas Gutes aufmerksam machen.

Am liebsten hätte James die blöde Kugel ans andere Ende des Zimmers geschmissen — oder noch besser aus dem Fenster —, doch ihm war klar, dass es ihn nicht vor der Einsicht schützen konnte, dass er in den letzten Wochen begonnen hatte, Julie zu mögen. Wie sehr wusste er nicht, doch er hatte sich scheinbar genug verändert, sodass es tatsächlich möglich war — er hatte sich genug verändert, dass Julie ihn nicht mit Abscheu behandelte. Dabei standen doch noch so viele Punkte auf ihrer Liste offen. Das gab James Hoffnung, denn vielleicht hatte er bewiesen, dass seine Eigenschaften nicht so negativ waren, wie sie es auf der Liste ausgedrückt hatte, vielleicht war ihr bewusst geworden, dass sie ihn falsch eingeschätzt hatte.

Bei diesem Gedanken lief James ein eiskalter Schauder über den Rücken, denn er wusste, dass sie ihn nicht falsch eingeschätzt hatte. Einer der Punkte hätte ihm schon lange einleuchten sollen, dass Julie mehr über ihn wusste, als ihm lieb war. ‚Das alles macht er einem nur vor. Wenn es um seine Familie geht, dann ist er ganz anders drauf. Sein Leben in Hogwarts ist reine Schauspielkunst.' Damals war James wütend über den Punkt gewesen, hatte darüber geflucht, dass Julie doch nicht solche verrückten Vermutungen aufstellen sollte, dass sie kein Recht hätte, so etwas über ihn zu sagen. Doch nun wurde ihm klar, warum es ihn so wütend gemacht hatte: Sie hatte seine Tirade durchschaut, wenn auch nicht komplett.

Damals als er sich mit Albus verkracht hatte, hatte er sich Mühe gegeben, sich ein Scheinleben aufzubauen, er wollte nicht dastehen, wie man ihn sah: Der Sohn des berühmten Harry Potters, der keine Freunde hatte. Und so hatte er angefangen sich sein Kartenhaus aufzubauen und Julie hatte offensichtlich dabei zugesehen und war schließlich der Windhauch gewesen, der große Teile zum Einsturz gebracht hatte. Aber dafür, dass sie sein Haus zerstört hatte, hatte sie ihm indirekt gezeigt, wie man ein stabiles Haus bauen konnte, eines das nicht bei einem Windhauch einstürzte, eines das Stürme überleben konnte.

James schüttelte seinen Kopf und kniff die Augen zusammen. Er gab Julie viel zu viel Anerkennung für Dinge, die sie nur sehr indirekt getan hatte. Sie war der Auslöser gewesen, doch Max war derjenige gewesen, der ihm durch die Zeit der Veränderung geholfen hatte. Das Verrückte war jedoch, dass eine Stimme in seinem Hinterkopf Julie danken wollte, sie als Heldin seiner selbst verehren. Er mochte Julie und diese kleine Stimme in seinem Hinterkopf ließ ihn sorgen,

Die Kugel wurde auf einmal brennend heiß, sodass James sie erschrocken zu Boden fallen ließ. Sie landete mit einem unschön lauten Geräusch auf dem Boden. James ließ sie schnell wieder in seiner Hosentasche verschwinden und horchte dann. Es war totenstill, nicht einmal Duncan und Elliot hatten vergessen, ihre Himmelbetten mit Zaubern zu versehen, damit sie nicht den gesamten Schlafsaal mit ihrem Schnarchen belästigten. Ohne dass er es wollte, drehten sich seine Gedanken wieder um Julie und all die Gespräche die sie miteinander geführt hatten. Immer hatte er sie nur wenig beachtet, ihr ab und zu mal einen Streich gespielt und sie beim Quidditchtraining härter trainiert als jeden anderen. Die ganzen Jahre über hatte er nur Abneigung von ihr zu spüren bekommen und es war leichter gewesen, diese Abneigung zu reflektieren, als Energie aufzuwenden, um diese Abneigung in Zuneigung umzuwandeln. Nun hatte er einen Beweis dafür, dass Julie nicht schlimm war. Nun wusste er, dass er sie sogar ganz gut leiden konnte, dass sie eigentlich eine Menge gemein hatten. Und all diese Erkenntnisse machten ihm Angst, denn langsam aber sicher wurde ihm klar, wobei die Kugel Max die Augen geöffnet hatte und wobei sie ihm die Augen öffnen sollte.

James beobachtete wie eine Eule über den See flog, als er sich endlich traute, das Richtige zu denken. Er war auf dem besten Weg, Gefühle für Julie zu entwickeln und wenn es so weiter ging wie bisher, würde es nicht mehr lange dauern, bis er sich in die schwarzhaarige Gryffindor verliebte.

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