Black Ice

By Ambi63

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Schnee, Kälte und Eis. - „Ich würde mit dir bis ans Ende dieser Welt gehen." - Als ich diesen Satz zu Ni... More

Trailer
Songliste Part I
Songliste Part II
Prolog
01. Plan B
02. San Giuliano
03. In Hiding
04. Paranoid
05. First Separation
06. Barrow
07. Vegas, Baby!
08. Uncle
09. Quick Departure
10. Mishap
11. Pursuit
12. Scheme
13. Prayer
14. Hiring
15. Misery
16. Support
17. Train
18. Discomposure
19. Outsmarted
20. Under Pressure
21. Ice Desert
22. Reunited
24. Serendipity
25. Memory
26. Emotions
27. Exhausting
28. Tornado
29. Northern Lights
30. Action
31. Shorttaken
32. Settled
33. Repulse
34. Emotional Chaos
35. Silence
36. Arbitration
37. Leave
38. Rescue
39. Reprimand
40. Better than words
41. Ice Cubes
42. Clearing up
43. Unforgotten
44. Massacre
45. Flight Adventures
46. Examination
47. Power
48. Missing
49. Fear (Epilog)
Thanks ♥♥♥
Black Vision
Fanart
Wichtige Info

23. Stressed out

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By Ambi63


♪ Drag me down – One Direction


Sienna

Entgegen aller Erwartungen erwachte ich am nächsten Morgen recht früh. Es war noch dunkel draußen und die Uhr meines Handys, welches auf dem kleinen Nachttisch lag, zeigte gerade sieben an.

Wenn man bedachte, dass ich nur wenige Stunden geschlafen hatte, fühlte ich mich dafür überaus fit. Ganz sicher lag dies aber an dem fantastischen Sex, den ich mit Niall genießen durfte.

Lächelnd drehte ich mich in seiner Richtung. Er schien noch in seinen Träumen zu versinken, was mich jedoch nicht davon abhielt, einen sanften Kuss auf seinen Lippen zu platzieren, bevor ich mich aus dem Bett erhob, um das Badezimmer aufzusuchen.

Nach wie vor überraschte mich die angenehme Temperatur des Raums, als ich diesen betrat. Das Rosa glitzerte mir schon fast provokativ entgegen, so, als wollte es mich auffordern, für die dringend notwendige Dekoration zu sorgen.

Grinsend stieg ich in die halbrunde Duschkabine und drehte die Brause auf.

Fließendes Wasser! Wie sehr hatte ich dies während der letzten Tage vermisst. Non-Stopp mit einem Auto unterwegs zu sein, keine richtige Waschgelegenheit, geschweige denn ein Bett zu haben, führten dazu, dass ich sogar alltägliche Dinge im Moment als Luxus betrachtete. Selbst hier, am Ende der Welt gab es warmes Wasser, von dem ich an diesem Morgen nicht genug bekommen konnte.

Gestern hatte ich das noch immer fremde Haus gar nicht richtig in Augenschein genommen, doch dies sollte sich heute ändern. Abtrocknen, Zähne putzen, anziehen, ich spulte mein Programm ab, und als ich fix und fertig vor dem Bett stand, erwachte Niall langsam.

„Baby", murmelte er und streckte seinen Arm nach mir aus, „komm zu mir."

Vorsichtig kniete ich mich auf die Matratze, beugte mich zu ihm herab und drückte ihm einen Kuss auf den Mund.

„Ich bin schon wach und angezogen, du alter Langschläfer", wisperte ich.

Doch wenn ich geglaubt hatte, so einfach davonzukommen, täuschte ich mich gewaltig. Blitzschnell umfasste Niall meinen Körper und zog mich zu sich. Lachend landete ich auf ihm und als er seine blauen Augen aufschlug, begann mein Herz schneller zu schlagen. Es waren der faszinierende Blick, sowie sein Lächeln, was mich noch immer anmachte. Doch im Moment dominierte das Befinden meines Magens, der heftig zu knurren begann, über allen anderen Dingen.

Niall kriegte sich vor Lachen nicht mehr ein.

„Da hat aber jemand Hunger", japste er.

„Und wie! Deshalb solltest du dich schleunigst erheben, denn ich werde jetzt Frühstück machen. Vorausgesetzt, ich finde unsere Küche."

Etwas verlegen kratzte Niall sich am Hinterkopf.

„Weißt du", begann er, „hier gibt es nur eine große Küche und ein riesiges Wohnzimmer. Wir teilen uns das mit den anderen Mitbewohnern."

„Was?!" Das Lächeln verschwand schlagartig aus meinem Gesicht. „Wir haben nur das Schlafzimmer und das Bad für uns?"

Er seufzte, als er sich aufsetzte. „Ja, und Kierans Zimmer und mein Büro."

Resigniert ließ ich den Oberkörper auf seine Brust sacken.

„Das wird ganz und gar kein Vergleich zu Oceanside", murmelte ich.

Niall hauchte einen Kuss auf meine Stirn. „Das wird schon, Baby. Sie sind alle total nett. Du wirst dich hier bald eingewöhnen."

Ich hatte wohl keine andere Wahl.

Während Niall sich ins Bad verzog, packte ich den kleinen Rucksack aus. Gestern Abend war ich dazu nicht mehr in der Lage gewesen. Ich fand noch eine Packung Kaugummis, die Sophia gehörte, sowie eine angebrochene Flasche Wasser. Der Rest bestand aus den wenigen Kleidungsstücken, die ich aus dem Koffer entnommen hatte, welchen wir auf der Flucht in unserem Wagen zurücklassen mussten. Es würde mich jedoch nicht wundern, wenn Alistair inzwischen jemanden aus dem Netzwerk beauftragt hatte, der sich um diese Dinge kümmerte. Somit bestand Hoffnung, an all das zu gelangen, was sich im Koffer befand, unter anderem auch wärmere Kleidung für Kieran, die ich auf Sophias Anraten gekauft hatte.

Kieran. Wie er sich wohl gerade fühlte?

Sofort wurde ich traurig und nervös. Hoffentlich ging alles gut, wenn er seine Reise von London nach Barrow antrat. Ich wollte unbedingt mit ihm skypen, sein süßes Gesicht sehen und sein Lachen hören. Sogleich fiel mir ein, dass das Internet nicht funktionierte. Es war wirklich zum Verrücktwerden.

„Ich bin dann fertig."

Nialls Stimme holte mich abrupt aus den trüben Gedanken. Als er seine Hand nach mir ausstreckte, ergriff ich diese und erhob mich vom Bett.

„Lass uns frühstücken gehen, Baby", sagte er.

„Das hier ist doch kein Hotel", sprach ich verwundert.

„Nein, aber Briana kümmert sich stets um unser leibliches Wohl. Egal, ob morgens, mittags oder abends. Und ich versichere dir, sie kann ausgezeichnet kochen."

Ich ließ mich gerne überraschen, wenngleich ich es auch seltsam fand, nun bekocht zu werden. Vielleicht konnte ich einen Deal mit Briana aushandeln und ihr ab und zu zur Hand gehen.

„Wo war Briana eigentlich gestern?", erkundigte ich mich, bevor wir die Küche erreichten.

Bevor Niall darauf antworten konnte, vernahm ich lautes Gezeter.

„Oh, Louis! Du hast schon wieder deine Boots nicht ausgezogen und den ganzen Schnee mit ins Haus gebracht!"

Da war wohl jemand sauer, was ich durchaus verstehen konnte.

„Wann wirst du es endlich lernen?", ging es weiter.

„Vermutlich nie, zumindest nicht, solange du dich weiterhin künstlich darüber aufregst, Briana", vernahm ich eine männliche Stimme, die zweifelsohne Louis Tomlinson gehörte, der innerhalb der nächsten Sekunde aus der Küche gestürmt kam.

Sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln, als er uns erblickte.

„Guten Morgen, ihr beiden, ich hoffe, ihr habt gut geschlafen."

In diesem Augenblick wusste ich nicht, ob seine Mimik nur aufgesetzt war, zumal er sich gerade mit Briana gestritten hatte. Dieser Umstand ließ mich automatisch zurückhaltender werden als sonst.

Zum Glück antwortete Niall jedoch sofort.

„Ja, wir haben prächtig, wenn auch nur kurz geschlafen."

Mir war durchaus klar, dass Louis diese Worte richtig zu deuten wusste, weshalb mich sein mehr oder weniger süffisantes Grinsen nicht verwunderte.

„So soll es auch sein", meinte er und zwinkerte uns zu.

Wie konnte ein Mensch binnen weniger Sekunden seine Laune dermaßen ändern? Um ehrlich zu sein, war mir Louis ziemlich suspekt. Umso gespannter war ich nun darauf, Briana kennenzulernen.

Kaum betraten wir die Küche, wurde meine Aufmerksamkeit jedoch auf jemand anderen gelenkt. Ein etwa fünfjähriger Junge saß am Esstisch und aß Smacks aus einer kleinen Schüssel. Sofort dachte ich an Kieran. Ich spürte einen Stich in meinem Herzen, denn ich vermisste unseren Sohn unendlich.

„Guten Morgen."

Die junge Frau, die neben dem Jungen saß, erhob sich sofort, um auf uns zuzugehen.

„Ich bin Briana und du musst Sienna sein."

Ihr Lächeln wirkte aufrichtig, aber ihre Stimme klang noch leicht gestresst, was wohl darauf zurückzuführen war, dass sie sich gerade mit Louis gestritten hatte. Trotzdem mochte ich sie auf Anhieb gut leiden.

„Ja, ich bin Sienna", erwiderte ich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.

„Gesellt euch zu uns und frühstückt mit uns."

Sie schaute kurz zu dem Jungen, der aufgehört hatte zu essen und mich neugierig ansah.

Ich schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand.

„Ich bin Sienna, und du?"

„Freddie. Wohnst du jetzt auch hier? Gehörst du zu Niall?", plapperte er drauflos.

„Ja, ich gehöre zu Niall."

„Das ist cool! Ich mag Niall. Aber weißt du was? Wir dürfen ihn nur hier so nennen. Wenn wir draußen sind, heißt er John."

Da hatte jemand gründliche Arbeit geleistet.

„Ja, ich weiß", erwiderte ich. „Und bei mir ist das genauso. Wenn wir draußen sind, heiße ich Jennifer, ok?"

„Ok."

Grinsend aß er weiter, was mich zu einem Schmunzeln animierte. Er war ein süßer, kleiner Racker, vermutlich ebenso lebhaft wie Kieran. Ich war froh, dass Freddie hier wohnte, denn so würde unser Sohn einen Spielkameraden haben.

Die Rühreier schmeckten wirklich hervorragend und ich sparte nicht mit Lob, worüber Briana sich immens freute. Bevor ich mir eine zweite Tasse Tee einschenkte, öffnete sich die Tür und Liam trat in Begleitung von Sophia, Basil und Eleanor ein. Somit war unsere Runde fast komplett, wenn man von Louis absah, der sich jedoch wenige Minuten später die Ehre gab.

Inzwischen hatte er sogar seine Boots ausgezogen, wie ich aus den Augenwinkeln bemerkte.

„Nun, da wir jetzt alle beisammen sind, kann ich ja mit meinen Ausführungen beginnen", leitete er das Gespräch ein, worauf alle nickten, auch ich.

Er strahlte eine natürliche Autorität aus, ähnlich wie Alistair; man musste einfach zuhören.

„Das Internet wird noch heute, im Laufe des Tages, funktionieren. Die Telefone gehen bereits, Anuun hat mich gerade angerufen."

„Gott sei Dank", seufzte Eleanor erleichtert, worauf Louis ihr zulächelte.

Komisch, dass er sich Briana gegenüber so biestig verhielt.

„Das bedeutet, dass wir Skype Unterhaltungen führen können", hörte ich Niall erfreut sagen.

Sofort klopfte mein Herz schneller. Ich wollte mit unserem kleinen Schatz reden, es gab nichts, was ich mir im Augenblick mehr wünschte.

Als das Wort „Wann?", über meine Lippen kam, schaute Louis zu mir.

„Eine genaue Uhrzeit kann ich leider nicht nennen, aber rechne mal mit heute Nachmittag", gab er zur Antwort.

„Und in der Zwischenzeit machen wir was?", ließ Liam nun verlauten.

„Die Gegend unter die Lupe nehmen, zumindest gilt das für euch. Eleanor wird dich und Sophia in Sachen Motorschlitten unterweisen, während ich mit Basil und den Hunden zu Anuun fahre."

Die Hunde, fast hätte ich diese vergessen. Ich wollte mir die Huskys unbedingt aus der Nähe anschauen, deshalb richtete ich eine Frage an Louis.

„Darf ich die Tiere mal sehen?"

„Wenn du keine Angst vor ihnen hast, darfst du mit nach draußen kommen. Anderenfalls bringe ich sie ins Haus."

Er besaß wirklich einen seltsamen Humor. Ich sollte jedoch sogleich erfahren, was es mit dieser Aussage auf sich hatte, denn kaum sprach Louis diesen Satz aus, schnaubte Briana wütend: „Untersteh dich!"

Sie schien große Angst vor den Hunden zu haben und ich war mir nicht sicher, ob Louis seine Drohung vielleicht doch wahr machen würde; nur um Briana zu ärgern, verstand sich. Langsam wusste ich, wie der Hase lief und es gefiel mir überhaupt nicht, wie Louis sich ihr gegenüber aufführte. In meinen Augen war so etwas respektlos. Zum Glück würde Niall sich niemals so verhalten.

Seufzend erhob sich Briana vom Tisch.

„Komm, Freddie, du solltest dir deine Hände waschen", forderte sie ihren Sohn auf, der von seinem Stuhl rutschte, um seiner Mutter zu folgen.

„Irgendwann wird mein Sohn noch verweichlicht", brummte Louis, nachdem die beiden verschwunden waren.

„Aber ganz sicher nicht vom Händewaschen", konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen, worauf alle, einschließlich Louis lachten.

Immerhin besaß er genügend Humor oder vielleicht auch ein dickes Fell, um meine Bemerkung wegzustecken.

Auch er erhob sich nun. „Ich gehe jetzt zu den Hunden, wer mitkommen mag, ist gerne gesehen."

Er nickte in meine Richtung, drehte sich um und verschwand aus der Küche. Als ich zu Niall schaute, lächelte er kurz.

„Auf was wartest du, Baby? Du wolltest dir doch die Huskys anschauen."

„Nur, wenn du mitkommst."

„Kein Problem, ich habe heute frei."

Grinsend erhob er sich, ergriff meine Hand und führte mich in den langen Flur, in welchem zahlreiche Boots herumstanden. Zum Glück fand ich meine sofort und schlüpfte schnell hinein. Anschließend zog ich meine Daunenjacke an, die Basil für mich in Anchorage gekauft hatte. Ohne diese wäre ich hier aufgeschmissen. Dies spürte ich sofort, als Niall die Haustür öffnete.

Eisige Kälte schlug uns entgegen, gepaart mit einem Windstoß, der mir fast den Atem nahm. Von Sonne keine Spur und der Schnee lag meterhoch an den ungeräumten Stellen. Das hier war alles andere als ein Paradies. Wie um alles in der Welt sollte Kieran hier klarkommen?

Meine Hände gruben sich tiefer in die Taschen des Parka, als ich neben Niall auf dem kleinen Pfad entlang wanderte, der vor kurzem frei geschaufelt worden war. Man konnte dies deutlich erkennen, da bisher nur eine einzige Fußspur den Schnee durchbrach.

Aus der Entfernung nahm ich Louis' Gestalt wahr, der sich bereits in der Nähe der Scheune befand. Meine Augen nach vorne gerichtet, beobachtete ich, wie er das große Tor zur Scheune öffnete und keine Sekunde später sprangen die Hunde an ihm hoch. Sie schienen ihn zu lieben.

Als Niall meinen Blick bemerkte, sagte er: „Es sind wunderschöne, liebenswerte Tiere. Du brauchst keine Angst vor ihnen zu haben."

„Die habe ich auch nicht."

Entschlossen ging ich weiter, nur alleine um Louis zu zeigen, dass ich keine Scheu vor den Huskys besaß. Allerdings rechnete ich nicht damit, dass alles sechs gleichzeitig auf mich zu rannten. Als sie dann noch an mir hochsprangen, blieb ich einfach stehen und wartete ab.

„Nimm deine Hände aus den Taschen", forderte Niall mich auf.

Mein Herz klopfte rascher, doch ich tat wie mir geheißen, um überrascht festzustellen, dass die Hunde lediglich meine Hände ableckten und daran schnupperten. Nicht einer von ihnen begann zu knurren oder zu bellen, sie verhielten sich äußerst friedfertig.

„So ist es gut, jetzt haben sie deinen Geruch aufgenommen", erklärte Louis, der nun direkt neben uns stand.

„Du gehörst jetzt zu unserem Rudel", fuhr er fort, „und das heißt, dass sie dich auch beschützen."

„Darf ich sie streicheln?"

„Klar."

Wunderbar weich und kuschelig, so fühlte sich das dichte Fell der Schlittenhunde an. Ihre Augen wirkten stechend, jedoch nicht bösartig und sie führten sich allesamt neugierig auf. Wie kleine Kinder, die etwas erkundeten. Sollte meine Theorie stimmen, was Briana anging, so verstand ich nicht so ganz, warum sie sich vor diesen edlen Geschöpfen fürchtete. Trotzdem war es in meinen Augen nicht ok, das Louis sich darüber lustig machte.

Nachdem ich erfolgreich Bekanntschaft mit den Huskys gemacht hatte, legte Louis den Tieren das Geschirr um befestigte dieses an dem großen Schlitten. Zwischenzeitlich kam auch Basil durch den Schnee gestapft.

„Du kannst dich vorne in den Schlitten setzen", wies Louis ihn an, was der Ire ohne zu zögern tat.

Louis hingegen nahm den Platz am oberen Ende des Schlittens ein. Er stand und gab den Hunden die Kommandos, die sie augenblicklich befolgten.

„Ich bin in spätestens zwei Stunden wieder zurück", rief er uns im Wegfahren zu.

Nachdem Niall und ich ins Haus zurückgekehrt waren, suchten wir die gemütliche Küche auf, wo Briana gerade dabei war, das Mittagessen vorzubereiten. Da sie dieses nun für acht Erwachsene und ein Kind tat, nahm die Arbeit einige Zeit in Anspruch.

„Komm, ich helfe dir", bot ich sofort an.

„Das musst du aber nicht", erwiderte sie lächelnd.

„Ich möchte es aber."

„Und ich werde mich in der Zwischenzeit um Freddie kümmern", vernahm ich Nialls Stimme.

Ich wusste, dass er Kieran ebenso vermisste wie ich und dass Freddie eine willkommen Abwechslung zwischen all dem Chaos war, das unser Leben beherrschte. Vor allem handelte es sich jedoch bei ihm um einen super süßen, kleinen Jungen, der beschäftigt werden wollte.

Der Kindergarten, den er wochentags besuchte, wie Briana uns erklärte, hielt am Wochenende seine Pforten geschlossen. Zum ersten Mal seit langem nahm ich bewusst auf, welchen Wochentag wir hatten: Samstag.

Die Zeit bis zu Louis' Eintreffen verging weitaus schneller als erwartet. Erstaunt sah ich auf, als er mit Basil im Schlepptau die Küche betrat.

„Das Internet sollte gleich wieder funktionieren", teilte er uns erleichtert mit.

Sofort dachte ich an die Skype Unterhaltung. Ich wollte unbedingt mit meinem Sohn sprechen uns tat dies auch kund.

„Können wir Alistair anrufen?"

„Das hätte ich jetzt sowieso gemacht. Ich habe zwar von Anuun aus kurz mit ihm telefoniert, doch das Skypen bleibt trotzdem unerlässlich", antwortete Louis, bevor er sich anschickte, eine Tasse aus einem der Hängeschränke zu nehmen und diese mit heißem Tee zu füllen, den Briana vorhin gekocht hatte.

In dieser Gegend und bei diesen Wetterverhältnissen zählte heißer Tee zu den bevorzugten Getränken, das war selbst mir bewusst.

Zehn Minuten später saßen Niall und ich vor Brianas Laptop und warteten auf das Herstellen der Skype Unterhaltung. Zum Glück funktionierte die moderne Technik problemlos und als Kierans kleines Gesicht vor meinen Augen auftauchte, konnte ich mur mit allergrößter Mühe meine Tränen unterdrücken.

„Mami! Papa!", rief er völlig überdreht. „Ich hab euch soooooo lieb! Ich will wieder bei euch sein!"

Vorsichtig tastete Niall nach meiner Hand. Er wollte mich beruhigen, damit Kieran meine Tränen nicht sehen musste. Ganz kurz wandte ich mich ab, dann jedoch fing ich mich.

„Hallo, mein kleiner Schatz. Ich hab dich auch lieb. Geht es dir gut?"

„Ja, Mami! Es ist toll bei Alistair und Harry ist jeden Tad da und spielt mit mir. Und Maddie ist auch oft da und malt mit mir. Aber ich will jetzt wieder nach Oceanside. Zu euch."

Niall räusperte sich kurz, bevor er zum Sprechen ansetzte.

„Kieran, wir sind nicht in Oceanside. Wir machen diese Reise, oder hast du das schon vergessen?"

Angestrengt dachte unser Sohn nach.

„Okeeey."

Dann allerdings hellte sich sein Gesicht auf.

„Seid ihr schon dort?"

Als wir beide nickten, brach er in laute Jubelrufe aus. „Juchuuu! Alistair und ich haben dewonnen! Wir kommen als Letzte!"

Er tanzte im Kreis vor unseren Augen umher, dass mir fast schwindelig wurde, vor Glück, aber auch vor Sehnsucht nach ihm.

„Mami, Papi, wann darf ich zu euch?"

Diese Frage konnte nur Alistair beantworten, der kurz darauf im Bild auftauchte.

„Sienna, Niall, wie geht es euch beiden?", erkundigte er sich lächelnd.

„Danke, gut", antworteten wir beinahe synchron.

Ich ging davon aus, dass Louis seinen Boss inzwischen über alle Vorkommnisse informiert hatte, denn Alistair strahlte eine immense Ruhe aus, als er mit uns sprach. Er stellte weder neugierige Fragen, noch erwartete er Erzählungen bezüglich der Reisen nach Barrow.

„Nun, ihr fragt euch sicher, wann Kieran nach Alaska fliegen wird", begann er seine Rede, welche große Hoffnungen in mir aufkeimen ließ.

Doch sein nächster Satz bewies, dass noch nicht alles rund war.

„Es wird noch einige Tage dauern, bis es soweit ist. Leider kann ich euch keine bessere Mitteilung machen."

Verzweifelt versuchte ich meine Tränen zurückzuhalten und Niall, der dies bemerkte, nahm mich sofort in seinen Arm.

So lange die Skype Übertragung lief, musste ich mich zusammenreißen und die Nerven behalten. Kieran würde im Hintergrund mitbekommen, wenn ich weinte und das wollte ich nicht. Noch gab er sich fröhlich, um nicht zu sagen aufgedreht. Ich konnte es nicht riskieren, unseren Sohn in ein seelisches Tief zu reißen, indem ich mich gehen ließ.

Auch Niall machte gute Miene zum bösen Spiel und scherzte, als unser Sohn nochmals kurz auftauchte.

„Sei schön brav zu Alistair und auch zu Harry, hast du verstanden?" ermahnte Niall ihn sanft.

Kieran nickte und warf uns eine Kusshand zu. Von wem er das wohl gelernt hatte?

„So meine Lieben, wir sprechen uns in einigen Tagen wieder", beendete Alistair schließlich die Unterhaltung.

Mit einem leisen Schluchzen sank ich in Nialls Arm, der behutsam mit seinen Fingern über meine Wangen streichelte.

„Es wird alles gut, Baby", flüsterte er und hauchte anschließend einen Kuss auf meine Stirn. „Bald ist Kieran bei uns, bitte vertraue Alistair, er tut schon das Richtige."

Im Grunde meines Herzens wusste ich, dass Niall Recht hatte, doch ein Teil in mir litt so sehr durch diese Trennung, dass ich nur noch weinen wollte.

Zum Glück gab es jemand, der mich mehr als nur verstand, denn sie war wie ich eine Mutter, die ihren Sohn liebte: Briana.

Zuerst brachte sie heißen Tee, dann setzte sie sich mir gegenüber und sagte: „Kieran ist wundervoll, ihr beiden müsst mächtig stolz auf ihn sein."

„Das sind wir auch", gab ich zur Antwort.

„Er wird sich bestimmt gut mit Freddie verstehen", fügte sie hinzu.

„Das denken wir auch", kam es von Niall, der noch immer seinen Arm um meine Schultern gelegt hatte.

„Es wird alles gut werden, Sienna. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich weiß, eine Mutter tut das immer, wir können nicht aus unserer Haut."

Sie wirkte so liebevoll, ich schloss sie immer mehr ins Herz und versuchte nun zu lächeln.

„Habt ihr beiden Lust, morgen mit zum King Eider Inn zu kommen, um beim Schneemannbauen zuzusehen?", lautete ihre spontane Frage.

„Was ist das King Eider Inn?", erkundigte ich mich.

„Ein Hotel", klärte Niall mich auf. „Ich bin schon mit dem Motorschlitten daran vorbeigefahren. Es sieht ganz nett aus."

In der Tat vertrieb es uns die Zeit und auch einige trübe Gedanken mit Briana, Freddie und Louis dem alljährlichen Wettkampf der schönsten, selbstgebauten Schneemänner beizuwohnen, welchen Louis und Freddie erfolgreich abschlossen. Sie belegten den ersten Platz und demnach durfte Freddie, der kleine Hotelkönig, sich etwas wünschen.

„Ich möchte eine Ausrüstung zum Eishockey spielen!", lautete seine Ansage, die Briana zwar die Hände über dem Kopf zusammenschlagen ließ, doch als Anuun ihr versicherte, dass er ihrem Sohn alles beibringen würde, ließ sie sich breitschlagen.

Freddie strahlte über das ganze Gesicht und freute sich total, als Aki, Anuuns Tochter und Managerin des Hotels, ihm einen Gutschein überreichte, der ihn dazu ermächtigte, im besten Shop Barrows nach Eishockeyleidung Ausschau zu halten.

Aki lud uns alle zu einer Runde Kakao, Tee und Kuchen in der Hotel Lobby ein, was wir dankend annahmen. Dort plauderten wir ungezwungen, während das Feuer im Kamin vor uns flackerte.

„Du hast schon deinen Ruf weg, Louis", zog Aki den Mann zu ihrer Rechten auf.

„Meinst du als Greenhorn?", entgegnete er schmunzelnd.

„Das auch, aber ich meinte eher den Umstand, dass du mit zwei Frauen zusammenlebst."

Schallendes Gelächter ertönte am Tisch, selbst ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Doch Louis nahm das relativ gelassen.

„Und wenn schon", sagte er, „das sollen die anderen erstmal nachmachen. Dann bin ich halt der Typ mit den zwei Frauen, es muss ja niemand wissen, dass ich mit keiner von beiden Sex habe."

„Hast du nicht?" Aki schaute erstaunt zu ihm, was Niall dazu veranlasste einen Kommentar abzugeben. „Nein, hat er nicht. Ich kann das bestätigen."

„Sieh mal einer an, Bleichgesicht meldet sich zu Wort", kam es von Anuun, der anschließend herzhaft lachte.

„Greenhorn und Bleichgesicht, diese Namen sind echt das Beste", japste ich.

„Pass bloß auf, dass man dir nicht auch noch einen Spitznamen verpasst", ließ Niall sich mit einem Augenzwinkern vernehmen.

Wir verbrachten einen wunderschönen Nachmittag in Barrow, den wir bei einem gemeinsamen Abendessen in unserem neuen Heim ausklingen ließen. Eleanor, Liam, Sophia und Basil lauschten den Ereignissen des heutigen Tages und beglückwünschten Freddie und Louis zu ihrem Sieg.

Gemeinsam mit Briana durfte ich Freddie sogar ins Bett bringen. Er bestand drauf, was mir zeigte, dass wir einen guten Draht zueinander hatten.

Als wir zurück ins Wohnzimmer gingen, hörte ich wie Louis zu Niall sagte: „Am besten du erzählst niemandem, dass ihr verheiratet seid, dann ist alles in Butter."

„Was meinst du denn damit?", entfuhr es mir ungehalten.

„Sienna, beruhige dich, das hängt mit meinem Beruf zusammen", versuchte Niall zu erklären.

„Wie bitte? Du bist ein evangelischer Pfarrer, du darfst heiraten und Kinder haben!"

Empört stand ich vor ihm, doch es war Louis, der mich vollends aufklärte.

„Es tut mir leid, Sienna, aber hier in Barrow ist nur die Stelle des katholischen Priesters frei. Niall muss zumindest so tun, als sei er nicht verheiratet. Die Inuit sind ziemlich tolerant, was diese Dinge angeht, also ihr dürft Kieran schon als euren Sohn ausgeben. Aber falls der Bischoff hier mal auftaucht, wäre es nicht angebracht, wenn er überall zu hören bekäme, dass Niall mit einer Ehefrau gesegnet ist."

Im ersten Moment blieb mir die Luft weg, dann fauchte ich: „War das dein Werk?"

Louis lehnte sich entspannt im Sessel zurück, als er antwortete: „Ich hatte keine andere Wahl."

Am liebsten hätte ich ihn in Stücke gerissen.

Der Abend endete also alles andere als entspannt und der nächste Morgen begann noch schlimmer als erwartet.

Direkt nach dem Frühstück, bei welchem klar wurde, dass Basil heute abreiste, tollte Niall mit Freddie im Schnee, während ich Briana half, den Tisch abzuräumen. Als ich anschließend unsere Gemächer aufsuchen wollte, lief ich an Louis' Büro vorbei. Die Tür stand einen Spaltbreit offen und so hörte ich, dass er mit Alistair telefonierte.

„Ja, Alistair, es ist dringend. El, Sophia und Liam haben gestern eine Entdeckung gemacht, als sie die Areale überprüften."

Länger konnte ich nicht lauschen, denn hinter mir knarrte die Küchentür, aus der Briana herausgelaufen kam.

Schleunigst suchte ich das Weite, doch meine Gedanken standen nicht still. Was mochte das wohl für eine Entdeckung sein?

________________________

Ich glaube, langsam ist auch dem letzten Leser klar geworden, dass es hier nicht unbedingt friedlich zugeht. Es wird noch ganz schön knallen, in vielerlei Hinsicht.

Wie immer habe ich gegoggelt: Das Hotel, in welchem Aki arbeitete, gibt es wirklich in Barrow.

Ich hoffe, ihr mochtet das Kapitel und bedanke mich wie immer für euren tollen Support in Form von Kommentaren, Votes und Reads.

Das nächste Update wird spätestens am Sonntag kommen.

LG, Ambi xxx

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