~Cleo
Ich folgte Seth und Dawson, als sie das Mädchen zur Krankenstation trugen, weil ich nicht so recht wusste, was ich sonst mit mir anstellen sollte. Da es noch früh am Morgen war, begegneten uns keine Schüler, weshalb wir lediglich einer Pflegerin die Situation erläutern mussten.
Seth und Dawson hatten sich bereits abgewandt, während ich noch immer die Schülerin anstarrte. Was sollten wir tun, um diesen Vasanist zu finden? Es könnte verdammt nochmal jeder sein. Wir konnten nicht einmal nach der Augenfarbe gehen, denn mittlerweile wussten wir, dass Vasanisten nicht zwingend rote Augen besitzen mussten. Was sollten wir also tun?
Jemand legte mir eine Hand auf die Schulter. Dawson. Mir fuhr ein wohliger Schauer über den Rücken. ,,Du starrst gerade fast so gruselig wie sie." Er drückte mich sanft in Richtung Tür. ,,Komm."
Gemeinsam mit Dawson lief ich den Gang entlang. Seth schien sich schon aus dem Staub gemacht zu haben. ,,Übrigens", sagte Dawson und blieb stehen. ,,Bist du eigentlich schon bei deinem Kumpel -Zeke oder wie er heißt- gewesen?"
Ich blieb stehen und runzelte die Stirn. ,,Zeke? Ich dachte, der wäre im Moment gar nicht am Internat."
Er zuckte mit den Schulter. ,,Er ist da." Er deutete auf die Zimmertür zu meiner rechten. ,,Falls du zu ihm möchtest. Ich lass dich dann mal alleine." Schade, ich wollte nicht, dass er ging. Während Dawson mir zunickte und weiter ging, ließ ich mir meinen letzten Gedanken noch einmal durch den Kopf gehen. Ich... wollte nicht, dass er ging? Was zur Hölle?
Ich schüttelte den Kopf, als könnte ich damit diesen schrägen Gedanken loswerden, dann klopfte ich an der Tür. Als ich ein leises 'Herein' hörte, öffnete ich die Tür und trat ein.
,,Zeke?"
Der Dunkelhaarige hob ruckartig den Kopf und sah zu mir auf. ,,Cleo? Oh. Hi."
,,Es tut mir leid, dass ich nicht früher hier war, ich dachte, du würdest an einem anderen Internat aushelfen- was zur Hölle ist überhaupt passiert?" Besorgt musterte ich ihn. Auf den ersten Blick konnte ich keine ernsten Verletzungen entdecken, aber er trug auch ein Langarmhemd und einen dicken Schal. Er wirkte müde, ansonsten schien es ihm aber einigermaßen gut zu gehen.
Zeke richtete sich auf. ,,Ja, ich hab auch auf einem anderen Internat ausgeholfen- und dann hatte ich das unglaubliche Glück, mir genau den Tag des Überfalls für meine Rückkehr auszusuchen." Er verzog das Gesicht zu einem gequältem Lächeln. ,,Ich hab ein paar Dolche abbekommen, aber es heilt. Wie geht es dir?"
Das war so typisch für Zeke. Er lag in diesem Bett, auf der Krankenstation und er wollte wissen, wie es mir ging. Obwohl ich aufrecht neben ihm stand. ,,Naja..."
Zeke seufzte. ,,Ich habe das mit Matt mitbekommen. Es tut mir leid."
Ich zog mir einen Stuhl an das Bett und ließ mich darauf fallen. ,,Danke. Aber... reden wir nicht über mich. Du...-"
,,Mir geht es gut", winkte er ab. ,,Dir nicht. Es ist nicht nur Matt, oder? Da ist noch etwas anderes, das dich bedrückt." Ich öffnete den Mund und klappte ihn gleich darauf wieder zu. So gerne ich auch würde, ich durfte ihm nicht von der Schülerin erzählen. Ich wusste, dass ich Zeke vertrauen konnte, aber ich durfte es einfach nicht. Aber das war nicht alles. Da war noch etwas anderes, das mich belastete. Seit gestern abend- Ich hatte es verdrängt, aber gerade eben, als er gegangen war... Verdammt. Es war Dawson. Aus irgendeinem Grund hatten meine Hormone beschlossen ihn gut zu finden. Götter. Irgendjemand sollte mich mit dem Spaten erschlagen. Siebzehn Jahre hatten sie gewartet, irgendjemanden toll zu finden- und jetzt war es ausgerechnet Hasi? Ich verspürte das dringende Bedürfnis, mir eine Kugel in den Schädel zu jagen.
Angestrengt starrte ich auf den Boden. ,,Also... Das ist irgendwie sehr peinlich. So richtig peinlich-peinlich."
Zeke grinste. ,,Du musst es nicht erzählen, wenn du nicht willst. Aber ich höre gerne zu, wenn du das möchtest."
Ach, verdammt. Musste Zeke so unglaublich freundlich sein und in mir das Bedürfnis erwecken, ihm mein gesamtes Herz auszuschütten? Er hatte irgendetwas an sich, sodass ich mich in seiner Gegenwart einfach wohl fühlte. Als könnte ich ihm alles erzählen.
Ich räusperte mich und blickte angestrengt an die Decke, während ich die Hände zusammenkrampfte. ,,Also... Ich glaube, ich habe einen Crush."
Als ich zu Zeke blickte, sah ich, dass er lächelte. ,,Das kommt vor, Cleo."
Ich holte tief Luft. ,,Es ist Dawson."
Zekes Augen weiteten sich und er biss sich angestrengt auf die Lippe. ,,Oh."
Ich sah, wie seine Mundwinkel zuckten. ,,Ich schwöre, wenn du jetzt anfängst zu lachen, sorge ich dafür, dass sie dich auf die Intensivstation verlegen müssen", drohte ich.
,,Es tut mir leid-"
,,Es... ist irgendwie lustig", gab ich zu.
,,Es ist lustig", murmelte er.
Als sich unsere Blicke trafen, musste ich lachen. Eigentlich war mir eher zum heulen zumute, aber irgendwie... nachdem ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören und Zeke stimmte, mit ein.
,,Verdammt, Cleo", brachte er heraus, ,,ausgerechnet er?"
Noch immer lachend wischte ich mir die Tränen aus den Augenwinkeln und seufzte. ,,Ich weiß auch nicht, was da passiert ist."
Zeke bemühte sich um einen ernsteren Gesichtsausdruck. ,,Und was willst du jetzt tun? Wirst du mit ihm reden?"
Ich zog die Augenbrauen hoch. ,,Eher würde ich mir die Hand abhacken. Vielleicht geht das ja wieder weg", meinte ich hoffnungsvoll, ,,wie eine Grippe oder so."
Zeke neigte den Kopf zur Seite. ,,Wenn du Glück hast, kann das durchaus passieren. Am besten lenkst du dich irgendwie ab und hältst dich von ihm fern."
,,Ja, das wird wohl das Beste sein..." Meine Belustigung verschwand ebenso schnell, wie sie gekommen war und ich ließ frustriert den Kopf in die Hände sinken. Warum ausgerechnet Dawson? Warum jetzt? Und warum überhaupt? Ich vergrub die Finger in meinen Haaren. ,,Ahhh."
,,Soll ich dir auch etwas super Schräges beichten, damit du dich besser fühlst?", hörte ich Zeke sagen.
Verwundert hob ich den Kopf und sah ihn an. ,,Immer doch."
,,Alsooo..." Zeke spielte nervös mit dem Ende seines Schals und vermied es, mich anzusehen. ,,Ich glaube, meine Hormone mögen Rev so gerne, wie deine Dawson mögen."
Überrascht blinzelte ich. Ich wusste, dass sich die beiden zu engen Freunden entwickelt hatten, aber das hatte ich nicht erwartet. Es war irgendwie niedlich. Und Rev war zwar ein kleiner Volltrottel, aber er war noch immer ungefähr tausend mal besser als Dawson. So ziemlich jeder wäre besser als Dawson. Selbst Seth. Wobei...
,,Okay, das kam unerwartet", murmelte ich.
Zeke pustete sich ein paar Haarsträhnen ins Gesicht, als wollte er sich dahinter verstecken und sah verlegen zur Seite. ,,Ich glaube, ich mag fahrradfahrende Einhörner."
Sollten Rev und Zeke sich jemals an eine Beziehung miteinander versuchen, hätten sie meine vollste Unterstützung. Die beiden waren vollkommen unterschiedlich- aber ich konnte mir dennoch vorstellen, dass sie sich gut ergänzen würden. ,,Es gibt eindeutig schlimmere Dinge, die man mögen kann", erwiderte ich schulterzuckend, ,,Dawson zum Beispiel."
,,Oh Cleo, das tut mir so leid." Zeke seufzte, als könnte er meinen Schmerz selbst fühlen. ,,Hoffen wir, dass die Dawson-Grippe schnell vorüber geht."
,,Ja", seufzte ich. ,,Hoffentlich."
In diesem Moment öffnete sich die Tür und eine Pflegerin betrat das Zimmer. ,,Ich muss Sie bitten zu gehen", sagte sie zu mir. ,,Seine Wunden müssen versorgt werden." Ich nickte langsam und erhob mich aus dem Stuhl. ,,Mach's gut, Zeke", verabschiedete ich mich und tätschelte ihn etwas unbeholfen an der Schulter. ,,Danke für's Zuhören."
Er schenkte mir ein kurzes Lächeln. ,,Ich danke dir auch." Er winkte mir zu, dann verließ ich das Zimmer und zog die Tür hinter mir zu.
Als ich auf dem Gang stand, atmete ich tief durch. Götter. Ein Schwarm auf Dawson. Weil er mich ein verdammtes mal im Arm gehalten und für mich da gewesen war. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich so leicht zu begeistern war. Kopfschüttelnd setzte ich mich in Bewegung und machte mich auf den Weg zu meinem Zimmer. Von einem tollwütigen Vasanist gefressen zu werden schien im Moment eine echte Alternative zu sein.