Kapitel 1.3

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~Seth

Die Situation war einfach nur seltsam. Seit ich gegen Leandros gekämpft hatte, fühlte ich mich wie jemand, den man auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen hatte. Die Leute starrten mich an, als warteten sie darauf, dass ich mich vor ihren Augen in einen vierköpfigen Killer-Alien verwandelte und selbst Estelle schien ein kleines Bisschen Respekt vor mir zu haben. Das bereitete mir die größten Sorgen. Estelle hatte noch nie Respekt vor meiner halbgöttlichen Wenigkeit gezeigt.

Meine Schritte hallten eigenartig laut durch die Stille des  Gefängnisses. Meistens versuchte ich die Gefangenen zu ignorieren, doch diesmal begang ich den Fehler, zur Seite zu blicken. Mein Blick traf auf die verwahrlosten Augen eines jungen Mannes, kaum älter als ich. Er war dünn, geradezu mager, seine Haut gespenstisch blass. Seine hellgrünen Augen waren stumpf, schienen jeglichen Lebenswillen verloren zu haben. Ein Schauer fuhr mir über den Rücken. Das tat der Rat also mit Gefangenen- er hielt sie so lange hier fest, bis sie sich selbst aufgegeben hatten. Abstoßend. Unmenschlich.
Ich zwang mich dazu, mich wieder nach vorne zu drehen und weiterzugehen. Wenn ich mir das noch weiter ansah, würde ich vermutlich auf dumme Gedanken kommen.

Lysannas Zelle befand sich am Ende des Ganges. Ich wusste, dass es Wichtigeres gab, als mich mit der lilahaarigen Rebellin zu streiten, aber es gab etwas, das sie wissen sollte. Immerhin hatte ich die meisten Infos zur Rebellion und deren Anführer von ihr erhalten.
Als ich vor der Zelle zum Stehen kam, erhob sich Lysanna.

,,Hadessohn! Ich hab dich irgendwie echt überhaupt nicht vermisst."

Ich hatte das Gefühl, dass man dieses Mädchen Jahre in dieser Zelle festgehalten könnte und es trotzdem nicht schaffen würde, sie zu brechen. Das war das Seltsame an Lysanna- ich mochte sie irgendwie, vielleicht weil man sich so wunderbar mit ihr streiten konnte. Streiten. Vermutlich eine meiner liebsten und häufigsten Freizeitbeschäftigungen.
Ich setzte ein Lächeln auf und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Ich hab dich auch nicht vermisst."

,,Schön, dass wir uns einig sind."  Die Rebellin neigte den Kopf zur Seite. ,,Um dich von hier fortzubewegen, musst du den Körper um hundertachtzig Grad drehen und gerade aus gehen."

Ich verdrehte die Augen. ,,Ah, danke. Das war das Puzzlestück, das mir noch gefehlt hat."

,,Man hilft wo man kann."

Als Lysanna merkte, dass ich ihrem hilfreichen Rat nicht Folge leisten würde, zog sie die Augenbrauen hoch. ,,Weshalb bist du hier, Seth?"
Es war irgendwie eigenartig, meinen Namen aus ihrem Mund zu hören. Tendenziell tat sie das eher selten, weil sie ganz genau wusste, wie wenig ich davon hielt, alle zwei Minuten an die Identität meines Vaters erinnert zu werden.
,,Was würdest du tun", sagte ich und trat einen Schritt auf die Zelle zu, ,,wenn ich dir sagen würde, dass ich euren Rebellengott beseitigt habe?"

Lysanna gähnte abwesend. Anscheinend glaubte sie nicht, dass ich das ernst meinte. ,,Dich auslachen, vermutlich."

,,Ich mein's ernst."

,,Ich auch." Prüfend musterte sie mich, als erwartete sie, dass ich gleich lachen und ihr erklären würde, dass es sich um einen Witz handelte. Als ich das nicht tat, weiteten sich ihre eisblauen Augen. ,,Du meinst es ernst."
Nein. Hatte ich ja nur eben gesagt. ,,Das tue ich."
Sie wich von den eisernen Gitterstäben zurück und begann, unruhig in ihrer Zelle auf und ab zu laufen. ,,Leandros ist tot", hörte ich sie wieder und wieder murmeln. Ein solches Verhalten sah ihr eigentlich überhaupt nicht ähnlich, sie musste diesen schrägen Hipster-Vasanist wirklich vergöttert haben. Ruckartig blieb sie vor mir stehen. ,,Wie?", verlangte sie zu wissen. ,,Wie ist das möglich?"
Diese Antwort kannte ich leider selbst noch nicht. Nicht wirklich, jedesfalls. Ach, ich habe Leandros mit ein paar schrägen schwarz-roten Flammen, die ich eigentlich nicht besitzen sollte, auf Stufe super-knusprig geröstet.
Ich ließ meine Hand in Flammen aufgehen und wackelte mit den Fingern. ,,Oh, hiermit kriegst du so ziemlich alles geröstet."
Ungläubig wich Lysanna zurück. ,,Was zur Hölle... Was bist du?" Ich hatte sie noch nie so nervös gesehen. Und das wollte bei ihr wirklich etwas heißen. Jetzt kam ich mir einmal mehr wie ein Freak vor.
,,Ich weiß es nicht, ehrlich gesagt."

Nummer 13 - Todessohn IIWhere stories live. Discover now