Kapitel 18.1

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~Cleo

,,Sie haben ihn!" Dawson schob sich wie selbstverständlich an mir vorbei in mein Zimmer und ließ sich auf mein Bett fallen. Stirnrunzelnd blickte ich zu ihm. Das war dann wohl das Startsignal - es ging auf zur Ratssitzung nach Missouri. Sie hatten Seth sicher aus seiner Zelle gebracht und verladen. Es mochte falsch sein, aber ein Teil von mir hatte gehofft, dass ihm die Flucht gelingen würde. Dass er dem Rat, der ihn morgen verurteilen würde, entkommen konnte.
Ich griff nach meiner Tasche und sah Dawson an. ,,Dann geht es jetzt los, oder?" Meine Stimme klang monoton.

Dawson stand auf und musterte mich prüfend. ,,Er hat dutzende Menschen getötet und wenn er nicht aufgehalten worden wäre, hätte er weiter gemordet." Als er weiter sprach, klang er fast verzweifelt. ,,Also hör bitte endlich auf mich anzuschauen, wie ein Hund, der sein Lieblingsspielzeug verloren hat."

Ich schwieg und umklammerte die Griffe meiner Tasche.

Er seufzte. Einen Moment starrten wir uns einfach nur gegenseitig in die Augen. ,,Warum hast du dich für mich entschieden?", fragte er schließlich leise.

Ich hatte es versprochen. Ich hatte meiner Mutter versprochen, dass ich auf dieser Seite kämpfte, ich hatte es Rune versprochen, selbst Seth hatte ich gesagt, dass ich für die Internate kämpfte. Aber in diesem Moment waren mir all die erzwungenen Versprechen egal gewesen. Ich hatte die mordenden Flammen von Seth in ihrem vollen Ausmaß gesehen, ich hatte gesehen, dass er Dawson beinahe getötet hätte. Ich hatte nicht gewollt, dass Dawson getötet wurde. Ich hatte gewollt, dass das ganze Töten endlich ein Ende nahm. Deshalb hatte ich mich für Dawson entschieden. Seth war mir wichtig, er würde mir immer wichtig sein - aber er hatte die falschen Entscheidungen getroffen. Zu viele Menschen hatten darunter leiden müssen.

,,Ich wollte nicht herausfinden, wie du gebraten aussiehst", flüsterte ich.

Dawsons Lachen klang ein wenig verzweifelt. ,,Ach Cleo..." Er tätschelte mir unbeholfen die Schulter. Dann nahm er mir die Tasche ab und ging auf die Tür zu. ,,Lass uns gehen."

Ich löste mich aus meiner Starre und watschelte ihm hinterher. ,,Danke, aber ich kann die auch selbst nehmen", rief ich.

Dawson drehte den Kopf zu mir, blieb aber nicht stehen. ,,Esme hat gesagt, ich soll mich mal an die Sache mit der Sozialkompetenz versuchen. Ich übe."

Völlig unvermittelt kroch mir ein Lachen die Kehle hoch. Bis vor ein paar Sekunden war das noch das letzte gewesen, wonach mir zumute war, aber Dawsons Worte fand ich so komisch, dass ich nicht anders konnte. Ich prustete los. ,,Sozialkompetenz?", wiederholte ich ungläubig.

Dawson seufzte. ,,Ich bin mir auch noch nicht ganz sicher, was sie damit meint."

Noch immer grinsend schüttelte ich den Kopf. ,,Wie geht's eigentlich Luke?", erkundigte ich mich.

,,Gut", erwiderte Dawson und hielt mir die Tür nach draußen auf. ,,Heute Morgen hat er sein erstes Wort gesagt. In zwei Monaten killt er mich dann und übernimmt die Weltherrschaft, denke ich."

Ich runzelte die Stirn. Keine Ahnung, wie Kinder funktionierten, aber für's Sprechen kam mir Luke dann doch noch etwas jung vor. Für Dawsons Ermordung vermutlich auch.

Nachdem wir bei den Autos angekommen waren und ich Dawson dabei zugesehen hatte, wie er meine Tasche in den Kofferraum verfrachtet hatte, stellte ich überrascht fest, dass noch eine weitere Person dort aufgetaucht war. Erstaunt neigte ich den Kopf zur Seite. ,,Rune?"

Der Wikinger drehte sich um. ,,Cleo."

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er ebenfalls an der Versammlung teilnehmen würde und er hatte es mir gegenüber mit keinem Wort erwähnt. Andererseits hatte ich ihn auch, seit ich ihn verzweifelt vollgeheult hatte, nicht mehr gesehen. ,,Du fährst auch zur Versammlung?", hakte ich überflüssiger Weise nach.

Nummer 13 - Todessohn IIWhere stories live. Discover now