Kapitel 7

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~Seth


Zocken war eine wunderbare Möglichkeit, um auf andere Gedanken zu kommen. Eigentlich hätte ich viele Dinge zu erledigen- einen Krieg zu planen zum Beispiel, oder alternativ mein kleines Seelenproblem in den Griff kriegen. Stattdessen regte ich mich über Call Of Duty Kameraden auf und es fühlte sich herrlich normal an. Heute schien draußen sogar ausnahmsweise mal wieder die Sonne. Zwar hatte ich, wie es sich für einen anti-sozialen Nerd gehörte, die Rollläden herunter gelassen, aber die Sonnenstrahlen kämpften sich dennoch ihren Weg in mein Zimmer und malten gelbe Kreise an die Wand.

Ich hatte gerade mein Gefecht beendet, als es an der Tür klopfte. Still betete ich zu den Göttern, dass es nicht Estelle sein möge, die von mir verlangte, irgendetwas sinnvolles zu tun. Ich war heute absolut nicht in der Stimmung dafür, sinnvolle Dinge zu tun. Ich nahm mir die Kopfhörer ab und machte mich auf den Weg zur Tür. Als ich sie öffnete, blickte ich in ein schwarz umrahmtes, türkisfarbenes Auge. Das andere wurde von pechschwarzem Haar verdeckt. Nein, das war eindeutig nicht Estelle. ,,Matt", stellte ich begeistert fest.

Matt musterte mich stirnrunzelnd, als hätte er erwartet, dass ich ihm die Tür vor der Nase zuknallte. Unter anderen Umständen hätte ich das auch getan, im Augenblick war ich ihm aber nur dankbar, dass er nicht Estelle war. Meine Ansprüche waren in den letzten Tagen sehr gesunken.

,,Hi", sagte Matt und schenkte mir ein strahlendes Lächeln, während er mir die Hand hin hielt und mit mir unser Handschlagritual auf Kindergarten-Niveau vollführte.

,,Was gibt's?", erkundigte ich mich, während ich einen Schritt zur Seite trat, damit Matt hereinkommen konnte.

Matt reichte Skotádi, die ich vorhin in ihren Käfig verbannt hatte, einen Korn und ließ sich anschließend auf mein Bett fallen. ,,Nichts besonderes eigentlich", antwortete er verlegen. ,,Ich dachte, ich gucke mal vorbei, nerve ein bisschen und frage dich, ob wir zusammen was futtern gehen."

,,Essen klingt gut." Ich bückte mich, um meine Stiefel anzuziehen.

,,Bist du auf Drogen?", erkundigte Matt sich misstrauisch. ,,Du klingst heute so seltsam motiviert."

Ich schnürte die Stiefel zu und richtete mich wieder auf. ,,Du bist nicht Estelle."

,,Ist das jetzt ein Kompliment?"

,,Das beste, das ich dir geben kann."

Matt zuckte mit den Schultern. ,,Okay. Können wir?"

,,Jepp." Ich öffnete die Tür, hielt sie Matt auf und ließ sie schließlich hinter uns ins Schloss fallen.

Während wir über den Campus gingen, redeten wir über belanglose Dinge. Matt erzählte mir von dem Emo-Festival, auf das er in wenigen Tagen gehen wollte und ich zog ihn damit auf. Alles wie immer. ,,Eigentlich", brummte Matt, während er die Tür zur Kantine öffnete, ,,wirst du mich einfach nur voll vermissen und willst nicht, dass ich gehe."

,,Klar. Keine Ahnung, wie ich drei Tage ohne dich überleben soll", erwiderte ich und nahm mir eines der Plastiktabletts.

,,Du kannst ja mitkommen." Matt warf mir einen hoffnungsvollen Blick von der Seite zu. Das konnte er doch nicht im Ernst glauben. Ich zog die Augenbrauen hoch. ,,Eher würde ich drei Tage lang Toiletten reinigen."

,,Wie kannst du dir Green Day nur schon wieder entgehen lassen?" Matts Stimme klang, als könnte er das wirklich nicht nachvollziehen. Ich schüttelte den Kopf und ließ mir von den netten Damen hinter dem Buffet verschiedenste Sorten Essen auf den Teller häufen. ,,Es tut mir wirklich leid", sagte ich ironisch. ,,Sag Billie Joe, dem ältesten Teenager der Welt, doch bitte liebe Grüße von mir."

,,Das werde ich, Kumpel, das werde ich."

Wir steuerten auf einen leeren Tisch zu und ließen uns dort mit dem Essen nieder. ,,Es wundert mich irgendwie, dass... Esme nicht bei dir war", murmelte Matt, während er konzentriert Nudeln um seine Gabel wickelte. Es kam mir vor, als versuchte er bewusst, mich nicht anzusehen. Eigenartig. Ich zuckte mit den Schultern. ,,Die ist bei ein paar alten Freunden." Ehrlich gesagt war es mir nicht unrecht, dass sie gerade nicht hier war. Ihre Anwesenheit machte mich glücklich und ich freute mich wie ein kleines Kind darüber, dass sie wieder da war, aber gleichzeitig musste ich in den Griff kriegen, was auch immer ich für sie empfand. Ein Schauer fuhr mir über den Rücken. Götterverdammte Hormone. Ich wischte die Gedanken zur Seite und konzentrierte mich stattdessen auf Matt, der wieder einmal das Stachelhalsband trug, das ich ihm kürzlich geschenkt hatte. An seinem Hals hingen außerdem eine Rasierklinge und die Freundschaftskette, die auch ich trug. Ich musste ehrlich zugeben, dass es mir diese dämliche Kette irgendwie angetan hatte.

,,Was genau ist jetzt eigentlich der Plan? Was machen wir mit der Rebellion?", fragte Matt und nahm einen Schluck aus dem Wasserglas. ,,Ich muss zugeben, dass ich bei der Sitzung nicht so ganz durchgeblickt habe."

Diesmal war ich derjenige, der konzentriert den Blick auf sein Essen richtete. ,,Es gibt keinen Plan. Ich wollte in erster Linie Andersons tollen Plan, mich als Massenvernichtungswaffe einzusetzen, vom Tisch schaffen." Ich ließ angespannt meine Fingerknochen knacken. ,,Die aktuellen Kämpfe sind sinnlos und wir drehen uns im Kreis. Ich kann und will nicht den Massenmörder spielen. Was sollen wir also tun?"

Nachdenklich blickte Matt in sein Wasserglas, als könnte es ihm die Antwort auf diese Frage geben. Dann sah er ruckartig auf. ,,Warum eigentlich nicht? Du bist ein Gott. Theoretisch könntest du einen Amoklauf starten und das Thema erledigen."

Jetzt fing Matt auch schon damit an. Wie zur Hölle sollte ich meinen Mitmenschen erklären, dass ich nicht ihre Massenvernichtungswaffe sein konnte? Selbst wenn ich es gewollt hätte- jedes Mal, wenn ich meine Kräfte benutzte, wurde der Hunger stärker und ich... ich bekam das Bedürfnis, mir die Energie auf andere Weise zurückzuholen. Bei den Göttern, ich wünschte, ich könnte darüber sprechen. Matt war mein bester Freund und ich würde ihm gerne anvertrauen, dass ich ein psychopathischer Junkie war, aber es war zu riskant. Wenn es irgendjemand davon erfuhr, wäre ich erledigt. Ich senkte den Blick. ,,Ich besitze die Kräfte eines Gottes, aber keinen unendlichen Vorrat davon. Ich kann das nicht tun." Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Es wäre das Beste, wenn wir die Rebellion irgendwie zu einem großen Kampf bringen könnten, aber wir können ihnen ja schlecht eine Karte mit Einladung zu einer Schlacht in drei Tagen schicken."

Matt zuckte mit den Schultern und lehnte sich ebenfalls zurück. ,,Vielleicht gehen sie drauf ein, wenn wir eine hübsche Schleife um die Karte binden."

Unwillkürlich musste ich grinsen. Das wäre eine Möglichkeit. ,,Eine großartige Idee, ich werde Anderson davon berichten."

Matt öffnete den Mund, um etwas darauf zu erwidern, doch er kam nicht mehr dazu. Ein schrilles, ohrenbetäubendes Geräusch unterbrach ihn. Ich erstarrte. Als ich dieses Geräusch das letzte Mal gehört hatte, hatte ich Cat verloren. Mein Puls schnellte in die Höhe, während ich aufsprang und die Hände zu Fäusten ballte. Bilder einer blutüberströmten Cat fraßen sich in meine Gedanken und ließen mir einen Schauer über den Rücken fahren. Dieses Geräusch waren Sirenen. Sirenen, die auf einen Angriff aufmerksam machten. Einen Vasanistenangriff wie damals vor zwei Jahren, als ich sie verloren hatte. Matt sprang ebenfalls auf.

,,Verdammte Scheiße."

Nummer 13 - Todessohn IITempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang