Kapitel 1.2

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~Seth

,,Wie viele waren es?"

Es gab nichts Schöneres, als Nachmittage in Estelle Büro zu verbringen. In den letzten Tagen hatten sich viele Dinge geändert, aber die Tatsache, dass ich mein Zelt an diesem Ort aufschlagen könnte, augenscheinlich nicht. Wahrscheinlich würde sich das niemals ändern. Estelle konnte einfach nicht auf meine bereichernde Anwesenheit verzichten.
Mein Blick schweifte durch das Büro und blieb an dem Aquarium hängen. Estelle hatte sich augenscheinlich einen weiteren Fisch angeschafft, der aussah wie Nemo.

,,Wie viele, Seth?", hakte Estelle genervter nach.
Ich wandte den Blick von den Fischen ab und richtete ihn wieder auf Estelle.

,,Hab nicht nachgezählt. Fünfzehn? Es waren jedenfalls genug."

Vor allem wenn man die Tatsache bedachte, dass sich nachts so gut wie nie Vasanisten vor dem Internat aufhielten. Wenigstens so intelligent waren sie normalerweise. Aber die Rebellion wollte höchstwahrscheinlich Unruhe stiften. Bisher waren es nur wenige von ihnen, aber ich hatte die Befürchtung, dass größere Angriffe bevorstanden.

Estelle nickte langsam und lehnte sich in ihren Stuhl zurück. ,,Wie macht sich Cleophea?"

Mein Blick wanderte wieder zu Nemo.  ,,Ganz okay. Besser als ich erwartet hatte." Ich ließ meine Fingerknochen knacken und starrte währenddessen weiterhin den orangenen Clownsfisch an. Ich wollte auch so einen...
,,Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Cleo diese Belastung noch lange durchhalten wird", gab ich zu. Es wunderte mich ehrlich gesagt, dass sie bisher noch keinen Burn-out gehabt hatte. Auf der anderen Seite brauchten wir sie. Ich war nach wie vor der Meinung, dass Cleo im Kampf gegen die Rebellion ein Joker war, den wir einsetzen sollten.
Ich war mir nur noch nicht ganz sicher, für welche Karten sich dieser Joker einsetzen ließ.

,,Mach sie nicht kaputt, Seth", sagte Estelle und blickte mir eindringlich in die Augen. ,,Sie ist nicht wie du."

Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Natürlich ist sie das nicht. Sonst wäre sie perfekt."
Mein Ego war ebenfalls eine Konstante meines Lebens. Solange ich nicht aufhörte, mit unendlich viel Selbstbewusstsein um mich zu werfen, brauchte sich niemand Sorgen um mich zu machen.
Estelle verdrehte die Augen. ,,Perfekt wärst du dann, wenn du keine Ratssitzungen stürmen und den Rat bedrohen würdest. Mal ganz zu schweigen von-"

Ich hob die Hände. ,,Okay, ich hab's verstanden."

Estelle faltete die Hände und lehnte sich nach vorne. ,,Gut. Lass uns darüber sprechen, weshalb du seit neustem in der Lage bist, rot-schwarze Flammen zu produzieren."
Genervt atmete ich aus. War das ihr Ernst? Ich hatte ihr ungefähr drei Mal erzählt, was in der alten Fabrikhalle geschehen war, von Cleo hatte sie es vermutlich auch noch mindestens ein Mal gehört. Langsam wusste ich wirklich nicht, was ich ihr noch darüber sagen sollte. Dass Leandros Tunnel im Ohr trug, möglicherweise? Oder dass die Wände in der Fabrikhalle einen Anstrich hätten vertragen können?

,,Ich wüsste nicht, was ich dazu noch sagen sollte."

Estelle musterte mich mit dem Blick, den sie immer aufsetzte, wenn sie heraufinden wollte, ob ich verbotene Dinge getan hatte. ,,Du verschweigst mir doch etwas, Seth. Es ist nicht nur dein Element. Es ist auch deine Ausstrahlung."
Verdammt. Fühlte sich meine Anwesenheit denn wirklich an, als wäre ich ein göttlicher Haufen voll Macht?
,,Ich glaube dir nicht, dass du plötzlich seltsame Flammen erzeugen konntest und das war alles. Was ist wirklich passiert?", verlangte die Rektorin zu wissen.
Dieses Thema war allerdings in der Tat... heikel. An jenem Tag, an dem ich gegen Leandros gekämpft hatte, hatte ich einen unentdeckten Teil meiner Energie angezapft, der wohl eher auf der dunkeln Seite der Macht zuhause war. Was genau passiert war, oder wie das möglich sein könnte, wusste ich bis heute nicht. Die meiste Zeit versuchte ich, nicht zu viel darüber nachzudenken, aber es funktionierte nicht wirklich. Ich fühlte mich anders als vorher, das konnte ich nicht leugnen. Aber was genau hatte das alles zu bedeuten? War ich eine schräge Laune der Götter, ein Experiment aus Langeweile? Vielleicht sollte ich zu diesem Thema eine geordnete Mindmap anlegen.
Anscheinend hatte Cleo Estelle nicht erzählt, dass ich in den Minuten, in denen ich Psycho-Seth gewesen war, rote Augen gehabt hatte, sonst wäre diese vermutlich schon längst ausgerastet. Ich fragte mich nur, warum Cleo es nicht getan hatte. Und zur Hölle, ich fragte mich, warum meine verdammten Augen überhaupt rot gewesen waren.

Angespannt ließ ich ein weiteres Mal meine Fingerknochen einrasten und betrachtete das Aquarium.
,,Wenn der Körper merkt, dass man kurz vorm Sterben ist mobilisiert er die letzten Kraftreserven", leierte ich herunter, was ich irgendwann mal im Sportunterricht gelernt hatte, ,,ich hab sie einfach angezapft." Es war zugegeben nicht sonderlich angenehm, auszusprechen, dass Leandros mich beinahe erledigt hätte.
Estelle stand auf und begann, unruhig im Raum herum zu laufen. ,,Mag sein", sagte sie, ,,aber dann sollte sich das wieder einstellen. Bei dir scheint es von Dauer zu sein."

,,Ich bin ein Halbgott. Bei mir ist alles ist möglich."

Sie blieb vor mir stehen. ,,Lüg mich nicht an, Seth. Was verschweigst du mir?"

Ich widerstand dem Drang, ein drittes Mal meine Fingerknochen knacken zu lassen und sah Estelle an. ,,Gar nichts. Ich weiß nicht, was passiert ist, okay? Ich weiß es genauso wenig wie du."
Das war allerdings tatsächlich gelogen. Ich wusste wirklich nicht viel- ich hatte keine Ahnung, was ich war oder weshalb ich es war, aber ich wusste, wie ich an diese Kräfte gekommen war. Und ich wusste, wie es sich angefühlt hatte.
Es war falsch. So etwas wie ich sollte eigentlich überhaupt nicht existieren. Möglicherweise würde irgendwann ein Gott hier auftauchen und mich zu Staub zerfallen lassen. Dass irgendein Wesen an ihre Stärke heran reichte, sahen sie nämlich überhaupt nicht gerne. Allerdings müssten sie sich wahrscheinlich beeilen, denn wenn die Götter eine Gefahr in mir sahen, tat der Rat es schon fünf Mal. Leandros war besiegt, deshalb brauchte er mich eigentlich nicht mehr. Mal sehen, wann die in Anzug gekleideten Volldeppen versuchen würden, mich auszuschalten.

Estelle seufzte. ,,Ich hoffe, dass ich dir vertrauen kann."
Ich hoffte ebenfalls, dass ich ihr vertrauen konnte, und nicht demnächst einen vergifteten Kaffee oder Ähnliches vorfinden würde. Das würde mich zwar nicht umbringen, aber auf die Bauchschmerzen konnte ich dankend verzichten.

Ich sah ihr in die Augen. ,,Das beruht auf Gegenseitigkeit, Estelle."

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Moin Freunde der Nacht, ich dachte mir gerade spontan, dass ich euch mal mit einer meiner furchtbaren Seth-Zeichnungen bewerfen könnte, weil... sie mir vorhin in meiner Galerie begegnet ist.
Und jetzt kratzt euch die Augen aus. Bitteschön.

(Wer weiß, weshalb dieses Bild von Seth nicht mehr ganz aktuell ist, kriegt ein Kopftätscheln und eine Auszeichnung als sehr aufmerksamer Leser

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(Wer weiß, weshalb dieses Bild von Seth nicht mehr ganz aktuell ist, kriegt ein Kopftätscheln und eine Auszeichnung als sehr aufmerksamer Leser.)

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt