Kapitel 5

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~Seth

Der Tag meines Geburtstags begann unspektakulär. Wäre ich nicht mit 'Happy Birthday' - Emails von diversen Onlineshops überhäuft worden, hätte ich es vermutlich sogar vergessen. Wobei mich wohl spätestens die vierzehnjährigen Kids, die in Halloween-Kostümen über den Campus rannten, daran erinnert hätten. Wie schön es doch war, an Halloween Geburtstag zu haben.
Eigentlich machte ich mir nicht viel aus Geburtstagen. Die letzten Jahre hatte ich mir an diesem Tag gelegentlich ein Tattoo oder eine Gitarre geschenkt- das Tattoo hatte ich mir allerdings schon vor ein paar Wochen gegönnt und Gitarren hatte ich ohnehin schon zu viele, dementsprechend würde ich wohl still vor mich hin existieren und ein Bier auf meine Großartigkeit trinken.
Allerdings wunderte es mich zugegebenermaßen, dass Matt mich noch nicht attackiert hatte.
Und das war dann der Moment, in dem es an der Tür klopfte. Wenn man vom Teufel sprach. Ich stellte die Bierflasche zur Seite und öffnete die Tür. Die Tür war noch nicht ganz offen, da hatte Matt schon die Arme um mich geschlungen und drückte mir halb die Luft ab. ,,Alles, alles Gute zum Geburtstag, Seth!", gratulierte er mir.

,,Danke", murmelte ich, während er mich halb zu Tode knuddelte.

Ich befreite mich aus der Umarmung und musterte ihn stirnrunzelnd. ,,Es überrascht mich ehrlich gesagt, dass du noch nicht als Graf Dracula dein Unwesen treibst."
Für Matt war quasi jeder Tag Halloween, aber normalerweise war er immer jemand gewesen, der sich dem Kostümspiel der Kids angeschlossen hatte. An vorderster Front.

,,Ich habe viel zu tun, Seth. Torten backen sich nicht von selbst", antwortete er. Er hatte es wirklich ernst gemeint. Das war irgendwie... cool von ihm. Ich suchte nach einer passenden Antwort, aber bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte Matt schon wieder den Mund geöffnet. ,,Ich muss dann jetzt auch wieder, damit die Torte fertig wird und ich endlich Graf Dracula werden kann! Ist es okay für dich, wenn ich jetzt gehe?"
Leise lachend griff ich nach der Bierflasche und trank einen Schluck. ,,Matt, du bist hier derjenige, der der Meinung ist, dass dieser Tag unbedingt zelebriert werden muss. Lass dich von mir nicht stören."

,,Gut." Er klopfte mir mit der Hand auf die Schulter. ,,Dann sehen wir uns später. Besauf dich nicht schon ohne mich!"

Ich winkte ihm mit der Bierflasche zu. ,,Ich versuch's."

Matt nickte mir zu und verließ meine Wohnung. Daraufhin schnappte ich mir die Flasche und ließ mich wieder auf die Couch fallen. Es war schon eine gute Woche her, dass ich von meiner Göttlichkeit erfahren hatte und langsam gewöhnte ich mich an den Gedanken. Auch wenn ich in den Spiegel blickte, sah mir nicht mehr der gleiche Seth entgegen. Während es  Halbgott-Seth stets darauf angelegt hatte aus der Masse herauszustechen, bevorzugte Gott-Seth eine gedecktere Erscheinung. Meine Göttlichkeit brachte mir schon genug Aufmerksamkeit ein.

Ich saß gerade am Computer und spielte eine äußerst anspruchsvolle Runde Killingfloor 2, als ich eine Nachricht von Matt bekam. Torte ist in meinem Zimmer. Ich runzelte die Stirn. Warum klang das nach einem Köder? Ich nahm die Kopfhörer ab und erhob mich aus dem Stuhl.

Als ich den Gang entlanglief kam, mir eine Bande verkleideter Teenager entgegen. Sie alberten herum, verstummten aber schlagartig, als sie mich erblickten. Anscheinend brauchte ich kein Kostüm, um furchterregend zu sein. Ich war mir nicht sicher, ob das nun gut oder schlecht war. Vor Matts Zimmertür kam ich zum Stehen und klopfte an. Es dauerte eine Weile, bis er die Tür schließlich öffnete.  ,,Hi." Matt lächelte, sah dabei aber leicht verlegen aus. ,,Also... Bitte bring mich jetzt nicht um."

Ich hatte da so eine böse Vorahnung. Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. ,,Matt...?"
Aber Matt sagte nichts mehr, trat stattdessen einen Schritt zur Seite und zog mich ins Zimmer. Meine böse Vorahnung bestätigte sich. Das Zimmer war mit Luftschlangen und Ballons geschmückt, an der Wand hing eine 'Happy Birthday' - Girlande und vereinzelt waren Spinnennetze und Fledermäuse aufgehängt worden. Außerdem stand eine Bande mir sehr wohl bekannter Menschen im Raum. Cleo, die passenderweise ein Hexenkostüm trug, Chris, die eine Art Zombie darstellen sollte und ein sehr stark geschminkter Mensch mit Schal, an dessen Namen ich mich wie immer nicht erinnern konnte. Neben ihm stand Rev, aber ich hatte keine Ahnung, was er darstellen sollte. Er trug einen Einhorn-Overall, war im Gesicht weiß angemalt und hatte knallrot geschminkte Lippen, auf seinem Kopf befand sich außerdem ein Krönchen und aus seinen Mundwinkeln lief Kunstblut. Außerdem befanden sich noch zwei Freunde von Matt im Raum, die irgendwie vampirig aussahen.
Rev trötete in eine Partytröte und riss mich damit aus meiner Schockstarre. Eine Geburtstagsparty- die verdammte Party, die ich nie gewollt hatte. Sollte ich jetzt einfach gehen? Alle anderen rauswerfen? Ich war maßlos überfordert, schwieg und starrte die versammelten Menschen an. Eigentlich überraschte es mich gar nicht so sehr, ich hatte schon seit Matts Nachricht ein mieses Gefühl bei der Sache gehabt.  Matt stellte sich neben mich und sah verlegen auf den Boden. ,,Tötest du mich jetzt?", fragte er.

Nummer 13 - Todessohn IIWhere stories live. Discover now