Kapitel 11.3

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~Cleo

Aufgrund des Rebellenangriffs fand am nächsten Tag kein Unterricht statt. Ich war froh darüber. Ich fühlte mich scheiße, ich sah scheiße aus und vermutlich benahm ich mich auch so. Unter meinen Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab. Diese Nacht hatte mein Hirn sich die lustigsten Alpträume mit Seth ausgedacht. Es schüttelte mich, wenn ich nur daran zurück dachte.

Meine Finger strichen über Skotádis weiche Federn, diese Bewegungen beruhigte mich irgendwie. Es war faszinierend, wie anders die Welt plötzlich wieder aussehen konnte, wenn man ein Tier streichelte. Der Vogel - Seths Vogel - knabberte im Gegenzug an meinem Ohr.

Es klopfte an der Tür. Stirnrunzelnd erhob ich mich, während Skotádi aufgeregt auf meine andere Schulter kletterte. Ich ging zur Tür und öffnete sie. Überrascht sah ich auf. ,,Esme?"

,,Esmäää!", krächzte Sko begeistert, flatterte auf ihre Schulter und drückte den Kopf gegen ihren Hals. Wie automatisiert, hob Esme den Arm und strich Sko über den Kopf, dann sah sie wieder zu mir. ,,Hi Cleo. Ich hoffe, ich störe nicht?" Ihre freie Hand öffnete und schloss sich nervös, sie wirkte irgendwie beunruhigt.

,,Du störst nicht", winkte ich ab.

Sie senkte den Blick. ,,Es gibt da etwas, worüber ich reden muss. Und ich weiß echt nicht, wen ich sonst damit belästigen könnte." Sie versuchte sich an ein zaghaftes Grinsen, aber es wirkte künstlich.

,,Klar", sagte ich. ,,Willst du reinkommen?"

Esme strich angespannt über Skotádis Federn. ,,Wir könnten raus gehen, falls du nichts dagegen hast."

Ich schüttelte den Kopf und bückte mich, um meine Schuhe anzuziehen. Als ich mich wieder aufrichtete, flatterte Sko zurück auf meine Schulter. Ich schnappte mir noch eine Jacke vom Haken, dann schloss ich die Tür und ging mit Esme auf den Gang. Was sie mir wohl erzählen wollte? Sie hatte angespannt die Hände zusammengekrampft und hüpfte nervös neben mir her. Als uns draußen die kalte Winterluft entgegenschlug, räusperte sich Esme. ,,Also, der Zeitpunkt ist aufgrund der letzten Ereignisse echt beschissen. Also, eigentlich wäre jeder Zeitpunkt beschissen, aber-" Sie unterbrach sich und holte tief Luft. ,,Ich bin schwanger."

Ungläubig riss ich die Augen auf und starrte sie an. Wie automatisch wanderte mein Blick zu ihrem Bauch. Sie trug ein weites schwarzes T-Shirt, wodurch nichts zu sehen war. Allerdings war es untypisch für sie, T-Shirts zu tragen, noch dazu durchgängige. ,,Ach du schei- äh, ich meine Glückwunsch", brachte ich schließlich heraus.

Esme seufzte. ,,Scheiße trifft's eher."

Sie sah unglücklich aus. Verzweifelt. Gleichzeitig ein wenig erleichtert, vermutlich, weil sie diese Information losgeworden war. Ich räusperte mich. ,,Weiß Dawson davon?"

Sie wickelte sich angespannt eine glänzende, scharlachrote Haarsträhne um den Finger und schüttelte den Kopf. ,,Das ist das nächste Problem. Das... Kind ist nicht von ihm."

Ich öffnete den Mund und klappte ihn gleich darauf wieder zu. Ich wusste ehrlich nicht, was ich sagen sollte. Die Situation war beschissen. Ich würde ihr gerne helfen, aber zur Hölle, ich wusste nicht wie. Mit so etwas kannte ich mich nicht aus.

Esme ließ die Strähne los. ,,Das Kind ist von Seth."

Von... von Seth? Oh Götter, als ob eine ungewollte Schwangerschaft nicht gereicht hätte. Überfordert mit der ganzen Situation, spuckte mein Mundwerk das erste aus, das ihm in den Sinn kam. ,,Oha, das muss ja ein Widersehen gewesen sein."

Sie verzog das Gesicht zu einem gequältem Grinsen.

Ich runzelte die Stirn. ,,Aber warte, bist du dir wirklich sicher, dass es Seth war?", hakte ich nach.

Esme starrte auf den Boden. ,,Dawson und ich haben noch nicht... Du weißt schon."

Skotádi kletterte wieder auf meine andere Schulter. ,,Papa Seth?", krächzte sie. Oh Götter, das klang so falsch. Seth würde Vater werden. Jedenfalls wenn Esme das Kind behielt. Das war alles furchtbar verkorkst.

,,Im wievielten Monat bist du denn?", fragte ich etwas verlegen.

Sie starrte noch immer auf den Boden. ,,Im dritten."

Ich zog die Augenbrauen hoch. ,,Und du hast nichts gemerkt?"

Sie schüttelte den Kopf. ,,Die letzte Zeit war viel los und viel sehen tut man irgendwie auch nicht. Ich fühle mich normal und den Rest hab ich wohl verdrängt." Sie seufzte. ,,Was zur Hölle mache ich denn jetzt?"

Sie hatte sich auf diesem Gebiet aber auch die denkbar unnützeste Bezugsperson ausgesucht. Nachdenklich hob ich einen Ast vom Boden auf und reichte ihn Skotádi, die daraufhin begeistert begann, ihn in Sägespäne zu zerlegen. ,,Ich würde mit Dawson reden", sagte ich schließlich. ,,Ihr wart noch nicht zusammen, als du mit Seth geschlafen hast, also kann er dir das nicht vorwerfen."

,,Nur dass ich schwanger bin", murmelte sie.

,,Im Ernst. Rede mit ihm. Wenn er dich sitzen lässt, schießen wir ihn auf den Mond", bemerkte ich aufmunternd.

Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. ,,Klingt nach einem Plan."

Ich holte tief Luft und schüttelte die verspannten Schultern aus. ,,Und sollte sich die Gelegenheit jemals nochmal ergeben, sollte es vielleicht auch Seth wissen."

Sie lachte leise, aber es klang nicht erfreut. ,,Ich weiß nicht. Ich denke, Seth würde ein Gebäude in die Luft sprengen."

Ich zuckte mit den Schultern. ,,Lass es das Gebäude der Rebellion sein und wir wären das Problem auch gleich los."

Esme grinste, aber ich sah den wehmütigen Ausdruck in ihren Gesichtszügen. Witze über Seth fühlten sich eigenartig an. Wie er wohl reagieren würde, wenn er erfuhr, dass er Vater werden würde? Ich konnte ihn mir beim besten Willen nicht mit einem Kind im Arm vorstellen. Dawson genauso wenig. Aber ich hoffte, dass er Esme nicht alleine ließ. Ihre Situation war schon beschissen genug.

,,Ich werde später mit Dawson sprechen", sagte Esme. ,,Danke für's Zuhören."

,,Jederzeit wieder", versicherte ich ihr. ,,Sag Bescheid, wenn ich noch irgendwas für dich tun kann."

Sie schenkte mir ein kurzes Lächeln. ,,Danke, Cleo. Ich sage Bescheid, wenn ich jemanden brauche, der mir hilft, Dawson auf dem Campus zu vergraben."

Nummer 13 - Todessohn IIWhere stories live. Discover now