Kapitel 20

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Ich saß in meinem ersten Seminar des neuen Semesters und starrte aus dem Fenster. Alles war wie immer und das störte mich. Es war, als hätte es die Skara des Sommers gar nicht gegeben. Ich kannte kaum jemandem im Raum, doch neben mir saß ein recht süßer Typ, der sich mir mit einem Zwinkern als Thorben vorgestellt hatte. Wir hatten ein paar Sätze zu Beginn der Veranstaltung gewechselt, doch jetzt lauschte er konzentriert der Professorin und ich hing meinen Gedanken nach. Ohne eine Ahnung zu haben was wir genau im Zuge des Semesters in diesem Seminar machen würden, überlegte ich mich wieder abzumelden. Ich war genervt von allem. Die Professorin, eine unglaublich kompetente und freundliche Frau, die ich schon kannte, warf mir einen prüfenden Blick zu und ich drehte meinen Kopf wieder in ihre Richtung. „Architekturmodelle in Berlin des 19. Jahrhunderts" stand an der Tafel und ich überlegte, ob mich das interessierte. Parallel dazu lag eine Veranstaltung, die sich mit Ästhetikkonzepten des Jugendstils mit Fokus auf Malerei beschäftigte, welche ich ebenfalls in Betracht gezogen hatte und ich entschied, dass mich das etwas mehr reizte. Die Professorin entließ uns mit einem gewaltigen Arbeitsauftrag zur nächsten Woche.

Ich machte mich auf den Weg, um mir einen Kaffee zu holen und traf auf Henry. Er hatte eine seiner alten Kameras um den Hals hängen und eine Zigarette im Mund. Er hielt das Gesicht mit geschlossenen Augen in die noch warme Herbstsonne. „Hi", sagte ich und stellte mich neben ihn. Er öffnete die Augen und lächelte. „Wie war dein Seminar?", fragte er dann und reichte mir seine Zigarette. Ich atmete hörbar aus und zuckte mit den Schultern. Henry drehte sein Gesicht wieder in die Sonne. „Willst du auch einen Kaffee?". Ich gab ihm seine Zigarette zurück, er zog daran und nickte. Also holte ich uns an einem der Kaffeeautomaten im Uni-Gebäude beiden eine Tasse und als ich wieder nach draußen kam, standen Mel und Raphi neben Henry. Die drei waren in eine hitzige Diskussion vertieft, doch als sie mich sahen, verstummten sie. Ich reichte Henry seinen Kaffee und warf ihm dabei einen skeptischen Blick zu, doch er bedankte sich nur. „Haben wir jetzt nicht gemeinsam eine Vorlesung, Skara?", fragte Mel. „Kunst der Moderne?", entgegnete ich nach einem kurzen Blick auf den Stundenplan in meinem Kalender und sie nickte. Wir machten uns gemeinsam zum Vorlesungssaal und ich sprach Mel auf das Gespräch an, was sie mit den Jungs geführt hatte. Sie sah mich seufzend an und ich wusste, dass es um mich gegangen war. „Spuck es aus", sagte ich mit Nachdruck und sie seufzte erneut. „Wir machen uns ein bisschen Gedanken um dich. Du bist so in dich gekehrt seit Jelto weg ist". Sein Name versetzte mir einen Stich und ich kniff kurz die Augen zusammen. Ich hatte beschlossen cool zu tun. Zum einen kam ich mir doof vor. Ich kam nicht damit klar, so verletzt zu sein. Das war nicht die Skara die ich war und die ich gerne vorgab zu sein. Ich war entspannt, lässig und schon gar nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. Zumindest behauptete ich das gerne. Und jetzt war ich so unglaublich traurig wegen eines dahergelaufenen Sommerflirts. Ich konnte das nicht zugeben und noch viel schlimmer, ich hatte Angst wenn ich all die Gefühle aussprechen würde, die in mir tobten, ich nicht mehr wüsste, wie sie wieder zur Ruhe kommen sollten. Wenn ich diese Kiste öffnen würde, dann würde ich sie so bald nicht mehr schließen. Ich atmete kurz durch und sagte dann ungefähr das, was ich immer sagte: „Mir geht's gut, Mel. Ich vermisse Jelto, aber das ist wirklich nicht so tragisch. Vielleicht vermisse ich einfach die Leichtigkeit des Sommers". Mel verdrehte die Augen, nahm es aber hin.

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