Kapitel 14

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Es war schon dunkel, doch die Stadt war voll. Jede einzelne Kneipe, die Mel und ich passiert hatten, platzte aus allen Nähten. Wir hatten schlussendlich einen kleinen Tisch in einer Bar bei mir um die Ecke ergattert. Die großen Fenster waren aufgeschoben und so saßen wir in der leichten Brise dieser lauen Sommernacht und tranken Rotwein. Auf dem Bürgersteig neben uns war viel Betrieb. Die Luft war gefüllt von der Stimmung ausgelassener Menschen.

Mel nippte an ihrem Wein. Ihr kinnlanges Haar war verstrubbelt, es sah gut aus.
„Ich kann es einfach immer noch nicht glauben", sagte sie mehr zu sich selbst, als zu mir. Ich seufzte. Die Geschichte zwischen Raphi und Ferdi hatte sie kalt erwischt. Sie wusste nicht genau wohin mit ihren Gefühlen.
Sie wandte ihren Blick wieder mir zu. „Ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder sauer sein soll", erklärte sie dann, beinahe verzweifelt. „Wenigstens weiß ich nun eine Antwort auf meine Frage, was Ferdis neue Liebschaft hat, was ich nicht hab".
„Einen Schwanz", sagten wir beide trocken.
Wir lachten, doch Mel wurde schnell wieder ernst.

„Ich bin auch so traurig, dass Ferdi nicht mit mir darüber geredet hat. Wir haben uns doch alles erzählt. Es muss doch so an ihm gezehrt haben".
Ich konnte sie gut verstehen. Mit Raphael ging es mir ähnlich. Er hatte weder mit Henry noch mit mir gesprochen und wir hatten auch beide offensichtlich nichts gemerkt. Ich fühlte mich, als hätte ich als Freundin versagt.
„Er hat es jetzt gesagt, als er bereit dazu war", sagte ich zu Mel und irgendwie auch zu mir. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß doch". Es klang nicht so, als würde sie es wirklich glauben, sondern eher so, als würde sie das Thema beenden wollen. Es kam mir gelegen.
   
Ich dachte noch kurz an Raphael. Er und Henry begleiteten mich schon sehr lange, ich hatte einen speziellen Platz für sie in meinem Herz und ich liebte sie. Und sie liebten auch mich, selbst in Zeiten, in denen ich wenig liebenswert gewesen war – sie hatten nie aufgehört.
„Wir sollten ein paar Tage wegfahren", sagte Mel dann und lächelte, als würde sie es schon vor sich sehen. „Der August ist so gut wie rum. Lass uns ein paar Tage an die Ostsee fahren, ehe es zu kalt wird".
Die Idee gefiel mir und gleichzeitig dachte ich daran, dass ich so weniger Zeit mit Jelto verbringen könnte. Das nervte mich, ich würde nicht eine dieser Freundinnen sein, die wegen eines Typen ihr Leben in Standby versetzte.
„Das fänd ich schön. Vielleicht übernächste Woche?" Ich checkte den Kalender auf meinem Handy. „Also so vom siebten bis zum zwölften?".
Mel zuckte mit den Schultern. Da sie momentan nicht arbeitete, schien ihr das Datum gleich zu sein.
„Du kannst auch Jelto fragen, ob er mitkommt", sagte sie dann und grinste mich wissend an. Ich nippte ertappt an meinem Wein. „Aber nur, wenn wir noch Henry oder eine andere Person mitnehmen. Ich spiele nicht das dritte Rad am Wagen", ergänzte sie noch und ich nickte eifrig.

Nachdem Mel und ich uns verabschiedet hatten ging ich noch zu Jelto. Ich kroch zu ihm ins Bett, wo er den Abend mit Lesen verbracht hatte. Das Fenster stand auf und gedämpfter Straßenlärm drang in sein Zimmer. Ich kuschelte mich an ihn, er strich durch mein Haar und begann mir vorzulesen. Er las Berlin Alexanderplatzwie passend, dachte ich, während ich langsam in den Schlaf glitt. Der kleine Held in der großen Stadt.

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