Kapitel 34

45 5 6
                                    

Es war der erste Dezember und an der Uni gab es Glühwein. Wie aus dem Nichts begann für mich die Vorweihnachtszeit, doch das Wetter war noch immer grau und nass. Ich eilte von meiner einen Vorlesung zur nächsten und traf auf dem Weg Mel, die Plätzchen futternd versuchte mit mir Schritt zu halten. „Nach der Uni gehen wir auf den Weihnachtsmarkt", erklärte sie und ich sah sie zweifelnd an. „Mel, dafür ist noch vier Wochen Zeit. Da ist sicher die Hölle los. Wieso denn heute?".
Ich mochte Weihnachten. Ich mochte Glühwein. Ich mochte Winter. Aber ich war definitiv kein Fan von Weihnachtsmärkten. Die Lichter waren mir zu grell, die Leute, die sich viel zu eng an mir vorbei schoben, gingen mir auf die nerven und die Schlange vor den Getränkeständen war immer zu lang. Komisch, dass ich gerne in Clubs ging, dachte ich dann und lachte kurz über mich selbst. Mel sah mich irritiert an, redete dann aber weiter auf mich ein. „Skara, doch. Ich will den Dezember einläuten, mit so viel Kitsch wie möglich".
Ich stoppte und sah sie grinsend an. „Mit so viel Kitsch wie möglich?", fragte ich und sie nickte zögerlich. „Dann will ich auf den am Nollendorfplatz", entschied ich und Mel lachte. „Okay. Deal".

Pink. Alles war pink und ich liebt es. Den LGBTIQ*Weihnachtsmarkt am Nollendorfplatz besuchte ich gerne. Er war nicht so groß, er war ein kleines bisschen zu viel und es gab tolle Shows. Er war bereits gut besucht, als wir ankamen. Zu voll, war es hier leider auch meistens. Ich stelle mich an einen freien Platz an einem der Feuerkörbe und wartete darauf, dass Mel mit den Getränken kam. Es begann ein wenig zu nieseln und es war kalt, aber die Leute um mich herum waren gut gelaunt und angeschwipst. Britney Spears dröhnte aus den Boxen und ich merkte, wie meine Laune stieg. Dann kam Mel und drückte mir eine Tasse Glühwein in die Hand. Ich frage sie, ob sie mittlerweile etwas von Farid gehört hatte und sie nickte darauf eifrig. „Gerade heute morgen! Endlich hat er mir geschrieben", sie lachte über sich selbst. „Oh Gott, ich kling wie ein Teenager". Ich lachte ebenfalls, doch ich verstand sie gut. „Er hat gefragt ob wir uns morgen sehen wollen und ich habe selbstverständlich ja gesagt", erzählte sie dann weiter und grinste. Ich freute mich für Mel, merkte aber wie ich bei ihren Erzählungen, gedanklich immer wieder zu Henry abdriftete. Ich fand mich furchtbar egoistisch und schob mein eigenes Drama schnell wieder bei Seite, um ihr meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken zu können. „Trefft ihr euch bei dir?", fragte ich dann und sie schüttelte den Kopf. „Nein, das finde ich irgendwie zu intim. Wir gehen in eine Bar, haben wir ausgemacht. Aber keine Ahnung welche", sie schaute nachdenklich. „Es sollte nicht zu laut sein, nicht zu voll, aber trotzdem hipp. Und es sollte nicht allzu weit sein, damit ich schnell verschwinden kann, falls es unangenehm wird oder damit wir schnell gemeinsam verschwinden können, falls es nicht unangenehm", sie zwinkerte. „Hast du ne Idee?". Ich musste an den Tag im Sommer denken, als Jelto und ich im strömendem Regen spazieren waren und dann in einer Kneipe Halt machten, in der ich noch nie vorher gewesen war und auch nie wieder seitdem. Ich schlug sie nun Mel vor. Es war ein schöner Ort für erste Male und vielleicht hatten Farid und Mel ja mehr Glück und würden häufiger gemeinsam dort hingehen.
Irgendwann schrieb ich Henry und Raphi, ob sie uns nicht Gesellschaft leisten wollen würden und keine Stunde später waren die zwei, gemeinsam mit Ferdi, auch schon da.
„Schön, dass ihr zwei euch wieder vertragen habt", sagte Ferdi ein wenig amüsiert und ich verdrehte die Augen. Er sagte das so, als sei unser Streit nicht nachvollziehbar für ihn gewesen oder eine Überreaktion, was mich nervte.
„Ja die hysterischen Weiber haben sich wieder eingekriegt, Ferdi", sagte ich ironisch und lächelte ihn breit an. Jetzt verdrehte Ferdi die Augen. Henry und Mel schnaubten amüsiert.
Ab da hatten wir eine ziemlich gute Zeit gemeinsam und ich freute mich ehrlich auch, dass sich alle wieder vertrugen und es keine komische Stimmung gab. Das brachte mich aber auch dazu, die Sache mit Henry noch einmal aus anderen Perspektive zu betrachten. Vielleicht sollten wir wirklich alles, was geschehen war, einfach ausblenden, bevor wir die Harmonie zerstörten. Bevor wir etwas kaputt machten, was so kostbar war.
Henry legte mir gerade einen Arm um die Schulter, um mich säuselnd um mein Drehzeug anzuschnorren, als sein Handy klingelte. Er ging ran und sagte, dass er sich bald auf den Weg machen würde, dann legte er wieder auf. Fragend sahen wir ihn an. „Sorry Leute, aber ich bin noch mit Pia und Dana verabredet und muss mich mal los machen", er zuckte mit den Schultern, es schien ihm nicht leid zu tun. „Machts gut", er drückte mir seine halbvolle Glühweintasse in die Hand und zwinkerte, dann war er weg. Es versetzte mir einen Stich. Die anderen winkten ab und lachten, so war Henry eben, aber mir tat es weh. Und dann auch noch Dana und Pia. Vielleicht war es doch schon zu spät, dachte ich dann. Vielleicht ließ sich das was geschehen war nicht mehr ganz so leicht ausblenden. Ich seufzte, lachte dann etwas verspätet mit den anderen mit und trank Henrys kalten Glühwein aus.

TrifoliumWhere stories live. Discover now