Kapitel 29

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„Sorry, aber ich habe gerade keine Zeit", sagte ich kühl, obwohl ich fast explodierte. Ich war so nervös. Das Blut rauschte durch meine Adern. Jelto sah unglaublich gut aus. Lässig hatte er die Hände in den Hosentaschen vergraben und ein schiefes Grinsen aufgesetzt. Sein dunkles Haar war etwas kürzer, sein Schnurrbart perfekt gestutzt wie immer.
Ich wich Henrys und Raphis Blick aus und verschwand im Bad. Mir war schlecht. Vor Nervosität und weil sich der Kater langsam in jede Zelle meines Körpers ausbreitete. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Am liebsten würde ich einfach duschen und dann in mein Bett verschwinden. Mein Magen rumorte.
Es klingelte erneut. Das waren jetzt wohl Leo und Malik.
Als ich zurück in den Flur ging, stand Jelto noch immer vor der offenen Wohnungstür. „Skara, bitte. Können wir reden?".
Henry und Raphi zogen sich schweigend ihre Schuhe und Jacken an und schenkten mir dann einen fragenden Blick. Würde ich mit ihnen oder Jelto gehen?
Das war mir zu viel. Alles zu viel.

„Hallöchen ihr Lieben", flötete Malik im nächsten Moment. Er und Leo tauchten neben Jelto auf. Die beiden sahen genauso fertig aus wie ich. Müde, verkatert, aber sie hatten immerhin frische Klamotten an.
„Seid ihr fertig?", fragte Leo und schaute ziemlich verwirrt zwischen allen Beteiligten hin und her.
Henry nickte und auch Raphi trat aus der Wohnung.
„Geht schonmal vor", sagte ich nach einer gefühlten Ewigkeit in der viel zu viele Blicke auf mir geruht hatten. Alle, außer Henrys. Der drückte auf seinem Handy rum.
„Musst du dich noch umziehen? Das hattest du doch gestern schon an", sagte dann Malik, dieser Null-Checker und mir fiel alles aus dem Gesicht.
Leo verkniff sich mit aller Mühe ein Lachen und Raphi schmunzelte ebenfalls verdächtig. Die anderen beiden Herren wagte ich nicht anzusehen.
„Geht einfach vor", sagte ich dann noch einmal und nickte Jelto zu, dass er reinkommen könnte.
  
Er ging ganz selbstverständlich in die Küche und lehnte sich an die Arbeitsplatte. Ich blieb unschlüssig im Türrahmen stehen.
„Also was willst du?", fragte ich und beinahe tat es mir leid, wie abweisend ich klang.
Jelto zögerte. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu lesen.
„Du hast mir gefehlt".
Ich spürte eine heiße Wut in mir aufflammen.
Ich hatte ihm gefehlt. Pah.
Er hatte mir auch gefehlt. Jeden einzelnen Tag. Aber das war nicht das, was ich von ihm hören wollte.
Ich verschränkte die Arme und sagte nichts.
„Mel hat erzählt, dass du weißt, dass ich sie angeschrieben habe", redete er weiter. Ich biss hart die Zähne aufeinander.
„Ihr scheint ja die besten Freunde zu sein", zischte ich dann doch. Jelto verdrehte die Augen, was mich nur wütender machte.
„Ich wollte doch nur wissen, wie es dir geht. Ob ich dir fehle, ob du mich noch sehen wollen würdest". Seine Stimme war neutral, doch seine Worte klangen verletzlich. Mein Herz wurde weicher. Das war doch irgendwie süß, oder?
„Natürlich hast du mir gefehlt", sagte ich dann und schlug die Augen nieder. Ich hatte einen dicken Kloß im Hals. „Aber wir haben gesagt, dass wir keinen Kontakt haben werden. Erinnerst du dich? Ende des Sommers – Ende von uns".
Jelto atmete hörbar aus. Er sah mittlerweile frustriert aus.
„Ich wollte ja auch nicht, dass es wieder ein uns gibt. Ich wollte –", er brach ab.
Autsch.
Was wollte er?
„Warum bist du überhaupt in Berlin?", fragte ich dann. Vielleicht weil ich keine Lust auf Antworten hatte, dich ich nicht hören wollte oder weil ich nicht Dinge sagen sollte, die ich bereuen würde oder einfach weil ich jetzt nicht über meine Gefühle sprechen wollte.
„Musste noch ein paar Sachen mit dem alten Job klären, ich fahre morgen schon wieder".
Ok. Wow. Für diese paar Stunden, die er hier war, brachte er meine ganze Gefühlswelt durcheinander. Das war nicht fair.
„Warum kommst du dann her?".
„Ich kann nicht ertragen, dass du wütend auf mich bist".
War ich das denn? Wütend auf ihn? Ich hatte keine Ahnung, was ich fühlte. Fest stand, dass er mich unglaublich aus dem Konzept brachte. Er bescherte mir Herzklopfen und wenn ich etwas zu lange in seine schönen Augen schaute, würde ich ihm alles vergeben. Deswegen schaute ich noch immer auf den Boden.
„Ich bin nicht wütend auf dich", sagte ich dann, obwohl ich nicht wusste, ob es stimmte. Ich blickte auf. Er ging einen Schritt auf mich zu, ich rührte mich nicht. Mein Kopf schrie Flucht und im nächsten Moment schrie er Nähe. Ich entschied mich für Flucht.
Ich durchbrach die aufkeimende Spannung zwischen uns. „Ich muss jetzt echt los".
„Ich begleite dich noch ein Stück".

Jelto brachte mich noch bis zur U-Bahn, dann verabschiedeten wir uns. Es fühlte sich seltsam an. War das jetzt der Abschied für immer? Müsste es dann nicht etwas Besonderes sein? Als er mich in den Arm nahm, brachte sein Geruch mich fast um den Verstand. Er löste eine heftige Welle von Gefühlen aus und als ich die Treppen zur U-Bahn runtereilte und er oben stehen blieb, drehte ich mich nicht um, denn ich begann zu weinen. 

TrifoliumWhere stories live. Discover now