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Murrend ziehe ich mich aus den Federn raus und frische mich im Bad auf. Mal wieder muss ich einen echt verrückten Traum gehabt haben, an den ich mich nicht erinnern kann. Das einzige was solche Träume hinterlassen sind komische Emotionen, die man nach dem Aufwachen hat. Während ich in die Küche schlendere versuche ich meine Gedanken zu ordnen und erinnere mich an den gestrigen Tag zurück. Bei alle diesen Problemen, muss es grade dieses sein, was mir besonders im Kopf hängen bleibt. Mit einer müden und grimmigen Stimme begrüße ich meine Tante, die vor einem gedeckten Tisch ihren morgendlichen Kaffee trinkt. Ich geselle mich zu ihr und rufe Brad an, damit wir gemeinsam frühstücken können. Ich rufe ihn tatsächlich an, da ich keine Lust habe, hoch zu laufen. Er legt sofort auf, sodass ich dann weiß, dass er wach ist und runterkommt.
Als dann auch seine Latschen auf dem Fußboden zu hören sind, beginnen wir und essen in Ruhe das Büffet leer. Morgens ist immer Stille bei uns angesagt, was auch nicht abzustreiten ist. Man hat den ganzen Tag sowieso genug um die Ohren, da sollte man den Tag in aller Ruhe und Frieden starten. Sobald wir fertig sind schleppt sich Brad wieder zurück in die zweite Etage. Er hat lediglich sein Teller abgestellt und nennt es getane Arbeit. Sobald die nette Dame von der Putzkraft den Tisch aufgeräumt und die Küche gesäubert hat, bringe ich den Müllsack raus auf den Bürgersteig. Wie schön ein Morgen doch sein kann. Ich sehe den Postboten vorbeifahren, ältere Menschen, die bummeln gehen und Taylan, der mit einem Hund auf mich zugelaufen kommt.
"Seit wann hast du einen Hund?", stelle ich die Tüte ab und gehe sofort auf den knuddeligen Husky zu.
"Ich wünsche dir auch einen guten Morgen.", sagt er betont. "Und der ist nicht meiner, er gehört dem Nachbarn.", fügt er hinzu. Ich knie mich vor dem Hund hin und streichle ihn.
"Der ist ja zuckersüß.", quietsche ich und umarme den Jungen, der sich hechelnd auf mich stürzt.
"Hast du Lust mit uns auf einen Spaziergang zu gehen?", fragt er neugierig.
"Natürlich, ich ziehe mich nur schnell um.", sage ich und renne wieder zurück ins Haus. "Tante, ich gehe mit Taylan spazieren.", rufe ich ihr zu, als ich hochjogge. In meinem Zimmer wechsle ich den Pyjama durch eine breite Jeans, Mack's Shirt und schwarzen Sneakern. Wieder ein weiterer Rekord gebrochen, Sage! Ich will Tay nicht länger warten lassen und binde schnell einen hohen Zopf, bevor ich wieder rausgehe. Die Treppen runtersausend verabschiede ich mich so schnell von meiner Tante, wie ich ihr vorhin Bescheid gegeben haben.
"Wir können los.", lächle ich und beobachte den Husky, der vor Freude nicht mehr aufhört, den Schwanz zu wedeln. Ich atme tief durch und komme wieder zu mir.
"Wir geht's dir, Zimtschnecke? Du scheinst ja in letzter Zeit zu strahlen.", plaudert er.
"Muss wohl meine neue Creme sein.", spaße ich und wende meine Augen keine Sekunden von dem Hund vor uns ab.
"Man sieht dir jedenfalls an, dass du glücklich bist. Das ist das wichtigste.", sagt er ernst und wuschelt wieder durch meinen Zopf. Ich brauche immer so lange, bis ich sie durchkämmen kann und dann kommt sowas. Ich nehme es ihm nicht übel, schließlich bin ich es gewöhnt. Und durch den Zopf sieht man sowieso nicht wirklich, ob sie durcheinander oder einfach nur wellig sind. Praktisch.
"Ich bin mir unsicher.", murmle ich. Er sieht mich fragend an. "Unsicher mit was?"
"Mit ihm."
"Was meinst du damit genau? Er hat dir deine Liebe gestanden. Und nicht nur das, er redet ständig von dir. So kenne ich meinen besten Freund nicht, er ist, wie ausgewechselt. Falls du es genau wissen willst, hatte er schon lange keine mehr. Und das ist wirklich ein Weltwunder für einen, wie ihn.", erzählt er detailreich drauf los. Ich sehe in die Ferne, das habe ich nicht erwartet.
"Es sind nicht die Zweifel an ihm, sondern an mir. Ich kenne diese Art von Bindung nicht. Bin ich überhaupt die Richtige für sowas?", schrecke ich vor mir selber ab. Er legt mir einfühlsam den Arm um die Schulter.
"Ich kenne dich zwar nicht so lange, wie ihn, aber zumindest so gut, dass ich sagen kann, dass du bereit dafür bist. Ich weiß, dass es schwer für dich ist, auf so eine Bindung einzugehen, aber wenn die Gefühle da sind, dann kommt alles andere von alleine. Mach dir darüber keine Gedanken." Das müssten wohl die schönsten Worte gewesen sein, die ich je aus seinem Mund gehört habe. So wahr, dass es mich wirklich wundert.
"Sind die Gefühle denn da?", fragt er nun. Ich atme langsam ein und höre mein Herz deutlich gegen meine Brust schlagen. "Ja." Es ist wieder der Gedanke an ihn, der meinen Puls höher schlagen lässt.
"Natürlich sind sie da. Das sieht doch jeder.", grinst er. " Du hast mir sogar erzählt, dass er dir nicht mehr aus dem Kopf geht."
"Hab ich das?", frage ich skeptisch nach. Er nickt.
"So, Zimtschnecke. Ich muss kurz zu Bank, hälst du ihn solange fest?", deutet er auf das Gebäude.
Ich nicke und nehme den süßen Husky an die Leine. Wie verträumt muss ich sein, dass ich Taylan so offen meine Gedanken erzählt habe? Mir muss es wohl wirklich ständig durch den Kopf gegangen sein, dass ich es ihm unbedingt erzählen musste.
Ich setze mich an auf die leere Parkbank und kraule dabei den Hund. Ich kenne ja nicht einmal seinen Namen, aber was soll's. Süß ist er ja trotzdem. Ohne mich von ihm abzuwenden, merke ich, wie sich jemand auf die Bank setzt und mich ansieht. Möglicherweise gefällt der Person der Hund, was ja nicht abzustreiten ist.
"Wie ich sehe, geht es dir ja blendend.", spricht sie mich an. Verwirrt sehe ich zu ihr hoch und erkenne dieses Gesicht und vorallem dieses falsche Lächeln. Mein herz macht einen Satz.
"Und wie ich sehe, hast du dir eine neue Haarfarbe zugelegt.", gebe ich im gespielten Ton zurück. Bei Milliarden von anderen Menschen, muss grade sie mir begegnen.
"Da Mack nicht so auf blonde steht, dachte ich, tue ich ihm einen kleinen Gefallen und werde brünette.", grinst sie mich wieder hinterhältig an. Sie kann uns allen einen gefallen tun, indem sie in ein anderes Land zieht. "Naja, mit diesem roten Schopf wirst du wohl nicht weit kommen.", drücke ich ihr provokant rein. Wenn sie spielen will, dann nur zu.
"Was du machst, gefällt mir überhaupt nicht, Sage. Also, wenn ich du wäre, würde ich vorsichtig sein. Draußen lauern viele Gefahren, von denen du keine Ahnung hast.", zickt sie und murmelt letzteres, als sie aufsteht und mir ein letztes Lächeln schenkt. 'Was du machst, gefällt mir überhaupt nicht' . Pah, was denkt sie, wer sie ist. Und was meinte sie überhaupt mit dem letzten Satz? Will die mir drohen oder was? Die soll mir bloß nicht noch einmal in die Quere kommen, denn dann bin ich nicht mehr so freundlich. "Miststück.", nuschele ich unter meinem Atem.
Taylan kommt wieder aus der Bank und steckt sich die Geldbörse in die Hosentasche. Man hat das lange gedauert. Um ihm nichts von dem Gespräch anmerken zu lassen, grinse ich ihn leicht an und übergebe ihm die Leine. Wie gerne ich es ihm auch erzählt hätte, behalte ich es lieber für mich. Ihm und Mack würde sie nicht unversehrt davonkommen, das weiß ich. Mack würde sie vielleicht noch davonkommen, schließlich waren die beiden ein Paar. Schon der Gedanke daran gibt mir Bauchschmerzen und wie sie ihm wieder gefallen will. Würde sich Mack wirklich in sie verlieben? Was rede ich da für einen Unsinn, Taylan hat doch gesagt, dass er nie jemanden geliebt hat. Ich sollte nicht so viel über alles nachdenken, aber der Pessimismus scheint mich wieder einholen zu wollen. Na toll, jetzt bekomme ich mich schlechte Laune wegen der Alten.

Love On The BrainWhere stories live. Discover now