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Mit geschlossenen Augen saß ich da und habe kaum gemerkt, dass wir schon angekommen waren. Ich schaue mich um und kann die Gegend sofort identifizieren. Wir sind wieder bei ihm. Wir laufen gemeinsam rein, wo er direkt auf das Kamin zuläuft. Sowas will ich auch mal haben.
"Setz dich! Ich telefonier kurz.", ruft er und verschwindet in eines der Zimmer. Ich umklammere meinen Körper, weil es in nassen Sachen doch recht kühl werden kann. Auch wenn das Haus an sich warm ist und der Kamin angezündet ist, fange ich leicht an zu zittern. Seine Fußschritte sind wieder zu hören und er kommt ins Wohnzimmer reingelaufen.
"Hier, zieh das an.", reicht er mir eines seiner Kaputzenpullover.
"Ich will dir wirklich keine Umstände machen.", murmle ich und sehe ihn weiter an.
"Machst du nicht. Sonst wärst du nicht hier.", drückt er mir ernst den Pulli in die Hand. Kurz zögern wir beide und später merkt er, dass noch etwas fehlt.
"Ach ja, das Badezimmer ist dort drüben. Zweite Tür links.", zeigt er, woraufhin ich zur beschriebenen Tür gehe. Im Waschbecken ringe ich mein Shirt und Hose aus. Zum Glück reicht mir der Pulli bis zu den Knien, da brauche ich die kalte Jogginghose nicht mehr anziehen. Erleichtert in dem warmen Stoff gehe ich wieder raus und stoße im Flur auf ihn.
"Die kannst du mir geben.", nimmt er mir die Kleidung aus der Hand und läuft damit in einen anderen Raum. Ich fühle mich wirklich nicht gut dabei, dass er meine zweite Mutter spielen muss. Ich hätte ihm sagen sollen, dass er mich nach Hause bringen sollte. Aber so nett, wie er grade ist, kann man auf ihn irgendwie nicht verzichten. Er ist wie ausgewechselt.
Auch er hat sich nun umgezogen und hat einen Nike Sportanzug an. Mir kann man sagen was man will, aber Typen in Sportanzügen sehen zum Anbeißen aus, Fakt. Als er es sich wieder auf der Couch gemütlich macht, klingelt es an der Tür. Ich werfe kurz einen Blick zu ihm rüber, woraufhin er seufzend aufsteht. Seine Faulheit erinnert mich wirklich an mich. Diese Lustlosigkeit kenne ich nur zu gut. Er kehrt mit zwei Schachteln Pizza zurück und stellt diese auf dem Tisch ab. Hat er jetzt ernsthaft eine für mich bestellt? Der Typ ist doch unglaublich, aber nett von ihm, dass er auch an meine verfressene Art denkt.
"Ich hab wirklich keinen Hunger.", taste ich mich langsam heran. Er sagt nichts weiter und öffnet stumm beide Kartons.
"Du isst jetzt. Ist mir egal, ob du Hunger hast oder nicht.", drückt er fest rein. Ich öffne meinen Mund, doch halte inne. Seine Aussage war klar und fest, ihm jetzt zu widersprechen wäre doch nur Unfug. Und das sage ich nicht nur, weil der Duft meine Speicheldrüsen anregt. Er nimmt eine Scheibe und hält sie mir vor den Mund. Lachend beiße ich ein Stück ab und nehme den Rest selbst in die Hand. Aus Spaß nehme ich ein Pizzabrötchen, dippe es in Kräuterbutter und drücke es in sein Mund rein. Mit befüllten Wangen kaut er auf dem Brot und ich sehe ihm dabei belustigt zu. Da ist er wieder, der komische Schmerz in meinem Bauch. Ich esse weiterhin von der Pizza, damit es wieder weggeht, aber der Schmerz kehrt immer wieder zurück. Ich beobachte ihn bei jeder kleinen Sache, es amüsiert mich irgendwie ihm beim Essen zuzusehen, obwohl ich es selber hasse, angestarrt zu werden. Nachdem die Pizzen aufgegessen, und die Schachteln weggeschmissen sind, sitzen wir leer auf der Couch und lauschen dem Knistern des Feuers. Es fühlt sich angenehm an, so ganz ohne Kommunikation oder Sonstiges. So kann ich einerseits besser nachdenken und andererseits den Frieden genießen.
"Ich glaube nicht, dass wir nur Bekannte sein können.", sagt er leise, dass es beinahe von dem Knistern überdeckt wird. Allein dieser Satz bringt mein Inneres zum erzittern. Ich kann nicht wirklich deuten, ob es etwas schlechtes oder gutes heißen soll.
Mein inneres Ich bringt sofort Thesen auf, die seine Aussage widerlegen, die Frage ist nur, ob es das auch richtig interpretiert hat.
"Was meinst du?", stammle ich leicht unsicher. Ich fange an sichtlich nervöser zu werden, dass sogar meine Hände etwas schwitzen. Ich war noch nie wirklich nervös, merkwürdig. Nervosität oder Aufregung? Bei mir ist es wahrscheinlich grade beides der Fall. Er sieht mich an und bringt damit mein Herz zu einem Stillstand. Er rückt etwas näher und lässt seinen Finger von meiner Wange, runter zu meinem Arm gleiten. Ich spüre, wie sich eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper legt und zucke leicht zusammen. Mein Hals war besonderes empfindlich bei Berührungen und bei seiner konnte ich nicht anders, als die Augen zu schließen.
"Genau das.", murmelt er und streicht mir die Haare am Hals nach hinten.
"Das geht ni-", will ich grade über meine Lippen bringen, als er mir einen hauchfeinen Kuss am Hals platziert.
"Das Mädchen ist Geschichte. Zwischen uns läuft lange nichts mehr.", drückt er sanft, aber ernst aus. Die Antwort kam so schnell, als hätte er längst gewusst, was ich als nächstes sagen wollte. Ich sehe ihm wieder diese Kälte an, die er sonst immer mit sich bringt. Seine Augen drücken kurzzeitig leere aus, doch nehmen wieder ihren warmen Braunton an. Ich verstumme und fühle mich unter seinen Berührungen machtlos. Woher kommt das und vorallem wie macht er das? Ich hatte noch nie zuvor, etwas derartiges erlebt. Dieses Gefühl in meinem Bauch, auf meiner Haut, der Sprung in meinem Herzen. Ich kann die Stille nicht mehr ertragen. Meine Gedanken sind zu laut, aber ich will mir nicht etwas eingestehen, was mir mein inneres Ich die ganze Zeit vorwirft. Konzentriert versuche ich seine Worte zu ordnen. Sie ergeben keinen Sinn für mich.
Sage, rede dir nichts ein, was nicht stimmt. Mahne ich mich andauernd...

Love On The BrainWhere stories live. Discover now