„Pierre, mein Allerbester", begann Gisele plötzlich zu schleimen und der Gockel blieb vor ihr stehen. Er sah sie wütend an und ich fragte mich, wieso ihr unter seinen Todesblick noch nicht das Lächeln aus dem Gesicht gefallen war. 

„Steck dir das Geschleime sonst wo hin", sprach er hochnäsig und seine Stimme schlug einen dramatischen Ton an. „Ihr seid zwanzig Minuten zu spät und eben habe ich von April erfahren, dass Cara nicht kommt?"

„Sie, ähm, hat Besseres zu tun", rückte Gisele mit der Halbwahrheit heraus und ergriff mein Handgelenk, sodass sie mich näher zu sich ziehen konnte. „Darf ich dir Jane vorstellen? Caras Ersatz."

„Man kann Cara Delevingne nicht ersetzten!", kreischte Pierre und ich verzog gequält das Gesicht wegen seiner hohen Tonlage. „Das ist als würde ich Miranda Kerr gegen diese furchtbar alte Naomi Campbell eintauschen."

Nun ja, ernsthaft, so alt und hässlich fand ich Naomi Campbell jetzt auch nicht. 

Sein Blick glitt kurz zu mir, dann wieder zu Gisele, schließlich runzelte er die Stirn und sah mich noch einmal an.

„Sie hat Sommersprossen", stellte Pierre fest, als wenn ich nicht anwesend wäre. „Und rote Haare!"

Ja ne', mir war auch schon klar, das ich nicht blond war. Ich rollte mit den Augen. Vielleicht war es wirklich eine dumme Idee gewesen, zu glauben, ich könnte so meine Studienkosten bezahlen. 

Pierre machte einen Schritt auf mich zu, er war einen halben Kopf kleiner als ich und mit grimmiger Miene musterte er mich. Wenn er anfangen würde mich zu beißen, dann würde er Wasser schlucken. Starfotograf hin oder her, auch ihn konnte man im Pool ertränken. 

„Ist sie neu?", knurrte er in Richtung Gisele und sie nickte: „Ja, brandneu, noch nie in einer Zeitschrift gewesen oder über einen Catwalk gelaufen."

„Also absolutes Frischfleisch", stellte Pierre unnötigerweise fest und plötzlich konnte ich ein komisches Funkeln in seinen Augen entdecken. 

Die kleine dürre Bohnenstange drehte sich schwungvoll um und verkündete laut: „Exzellent, versuchen wir es. Maike, kümmere dich um das Make-up, nicht zu Starkes, dezent und lass um Himmelswillen die Sommersprossen sichtbar."

Gisele strahlte und führte mich in die Maske. Ich setzte mich auf einen Stuhl und prompt fing eine unbekannte Frau an, mein Gesicht zu bearbeiten. 

Reinigen, schminken, Haare kämmen, aufdrehen, Spray. So schnell konnte ich gar nicht gucken und gefragt nach meiner Meinung wurde ich auch nicht.

„Drache Nummer zwei erledigt! Jetzt musst du nur noch hübsch in die Kamera schauen und den Tiere von ASOS gefallen, was sie sehen."

Konnte das wirklich alles so schnell und einfach gehen? Ich dachte immer, dass das Mode-Business so furchtbar hart sein sollte. Vielleicht war das aber auch nur der Anfang.

Die unbekannte Frau, die mir die Nase gepudert hatte, drückte mir schließlich eine hellblaue Jeans in die Hand und Pierre sprach gleichgültig: „Gut, zieh dich aus und leg dich auf das Sprungbrett dort."

Im ersten Moment glaubte ich mich verhört zu haben. „Wie bitte?"

„Nun mach schon", sagte er ungeduldig und ließ sich eine Kamera reichen. „Ausziehen, die Schuhe da an und dort hinlegen." Jemand rückte in der Nähe des Sprungbretts eine Leiter zurecht und das Licht wurde verändert.

„Ich ziehe mich nicht vor zwanzig unbekannten Leuten aus", sprach ich bestimmt. Das konnte er vergessen. Ich hatte mich nicht einmal vor einen dummen Jungen ausgezogen, da würde ich hier doch nicht einfach eine Naked-Night-Show hinlegen. Vergessen war Giseles Ratschlag, ich möge Pierre nicht widersprechen.

Twisted perfection ✓Where stories live. Discover now