22 To the moon.

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J a n e │24.12.2016 │Moncks Corner



Gähnend schickte ich die letzte Hausarbeit an meinen Dozenten, die ich für dieses Jahr abliefern musste. Die Jungs lenkten mich häufig dermaßen ab, dass ich fast nie zum schreiben kam. Selbst die dicken Bücher, die ich seit Monaten erfolgreich durch Europa geschleppt hatte, hatte ich alle noch nicht gelesen.

 Angefangen ja, aber beendet, nein. Mittlerweile nagte sogar das schlechte Gewissen an mir.

Von unten hörte ich den üblichen Weihnachtsblues, den meine Tante dudeln ließ, wenn es an der Zeit war. Last Christmas in Endlosschleife. Es war schön wieder zu Hause zu sein, besonders, weil mein Onkel und meine Tante noch immer mein Zimmer in ihrem Haus duldeten, obwohl ich zwei Straßen weiter ein eigenes hatte. Zugegeben, dort sah es aus, als würde ich jeden Moment wieder ausziehen, aber Haus war eben Haus.

„Janie!", hörte ich meinen Onkel poltern. „Bewege deinen Hintern runter und hilf mir diesen Schmalz zu ertragen!" Ich musste schmunzeln und erbarmte mich. Schnell huschte ich die Treppen runter und sah, dass mein Onkel angesäuert in seinem Sessel saß und auf seiner Pfeife herumkaute. 

Seine Gesichtsfarbe wirkte merkwürdig dunkel, aber vielleicht war das auch nur der Effekt des scheußlichen Weihnachtspulli, den er trug. Meiner hatte ebenfalls Rentiere drauf. Jedes Jahr steckte ich meinen Weihnachtspulli in die Altkleidersammlung, direkt nach Neujahr und jedes Jahr hatte ich trotzdem so einen dämlichen Pullover im Schrank.

Ich setzte mich auf die Couch und grinste meinen Onkel an: „Pass auf deinen Blutdruck auf." Im Wohnzimmer, umgeben von Lichterketten, Lametta und den größten Kitsch, den man sich nur vorstellen konnte, wäre es nicht von Vorteil, wenn mein Onkel explodieren würde. Er musterte mich und dann fragte er: „Warum haste' deinen Kerl nich' mitgebracht?" 

„Weil der in Irland feiert." Wäre ja noch schöner gewesen, wenn wir drum feilschen gemusst hätten, wo Weihnachten gefeiert wird. Außerdem brauchte ich ein bisschen Abstand von Niall, allen voran für mich selbst. Aber eins nach dem anderen, vorerst musste ich etwas anderes hinter mich bringen.

„Onkel Hank, hör mal, was würdest du sagen, wenn ich die Fernkurse für das College erst einmal unterbreche?" Ich traute mich fast nicht meinen Onkel anzusehen. Mit unbewegter Miene musterte er mich: „Wieso willste' das tun?" 

Zögerlich erklärte ich ihm, was Gisele mir zuvor in New York mitgeteilt hatte. Nämlich, dass sich die Möglichkeit ergeben würde, Unmengen an Aufträge zu erfüllen. „Aber mir würde dann eindeutig die Zeit fehlen, um die Kurse erfolgreich abzuschließen."

Mein Onkel neigte den Kopf und sah mich nachdenklich an. Dann zog er an seiner Pfeife, blies den Rauch aus und fragte: „Wie lange solls' so gehen?" 

„Etwa ein Jahr, erst einmal." In der Küche lärmte meine Tante herum und ich rieb mir die Handflächen an der Leggins ab. Betreten sah ich auf die Schüssel mit den Plätzchen.

„Das College rennt dir nich' weg, Janie."

Ich blickte auf und mein Onkel lächelte. „Wenn du Spaß daran hast, die Arbeit dir gefällt, dann mach sie ruhig weiter." 

„Natürlich macht sie Spaß, na ja, manchmal. Nur, ich denke, die Kurse ganz sein zu lassen, das fühlt sich an, wie eine Niederlage. Als wäre ich zu dumm dafür."

Jetzt war es raus.

Meine größte Angst war es schon als Teenager gewesen, als dumm zu gelten. Ich wollte niemand sein, bei dem die Leute seufzten und mitleidig den Kopf schüttelten. Ich wollte Ahnung haben, jemand sein, der bei Kreuzworträtsel antworten konnte. 

Twisted perfection ✓Where stories live. Discover now