z w ö l f

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| Josefine |

Völlig perplex und total außer Atem hielt ich mir das Telefon ans Ohr. „Was ist los, Kai?"

Auch Kai atmete schwer und schien irgendwie im Stress zu sein. „Erklär ich dir später, bitte komm einfach schnell!" In seiner Stimme schwang so viel Verzweiflung  und Hilfslosigkeit mit, dass ich seine Bitte gar nicht abschlagen konnte. Er schien wirklich meine Hilfe zu brauchen und da ich eh nichts mehr vorhatte, stimmte ich zu.

„Alles klar, ich komme. Schick mir deinen Standort." Und schon hatte er aufgelegt.

Verwirrt und irritiert lief ich wieder los, um schneller nach Hause zu kommen. Was war bitte los, dass Kais so dringend meine Hilfe brauchte? Und warum ausgerechnet ich? Hätte er nicht auch Julian oder einen seiner anderen Freunde anrufen können? Wir hatten uns schließlich nach zehn Jahren Funkstille gerade das erste Mal wieder gesehen. Na hoffen wir mal, dass er auch einen guten Grund für seinen Anruf hat. Sollte er nämlich irgendeine dämliche Nummer hier abziehen, um mich zu testen oder so, dann hatte er sich aber mit der Falschen angelegt.

Die Ungewissheit und die Aufregung trieben neues Adrenalin durch meinen Körper, was mich dazu veranlasste wieder etwas schneller zu laufen. Ich keuchte zwar mittlerweile ununterbrochen, aber ich wollte so schnell wie möglich zu Kai kommen. Was ist, wenn doch etwas Schlimmeres passiert war und ich nur, weil ich zu langsam gewesen war, nicht mehr rechtzeitig helfen konnte? Fast schon wie in Trance setzte ich meine Füße voreinander, um vorwärts zu kommen. Mittlerweile konnte ich von meinem Zuhause nicht mehr weit entfernt sein.

Mein Handy blinkte auf und ich sah, dass mir eine nicht eingespeicherte Nummer einen Standort geschickt hatte. Das musste dann wohl Kai gewesen sein. Da ich nicht wusste, wie weit Kai von hier weg wohnte, beschloss mit dem Auto zu fahren. Damit war ich auch definitiv schneller, als zu Fuß. Ich sprintete in Rekordzeit die Treppe nach oben, schnappte mir den Autoschlüssel und einen Pulli zum Überziehen. Mein Papa war schon wieder nicht da, aber er hatte ja gesagt, dass er nochmal weg musste. Wie gut, dass er nicht das Auto genommen hatte. Auf halber Treppe bemerkte ich, dass der Pulli, den ich in den Händen hielt, der von Kai war, den ich ihm heute Morgen nicht zurück geben wollte. Aber ich beschloss, dass es jetzt zu spät war, um nochmal umzudrehen und es war ja auch eigentlich egal, was für einen Pulli ich an hatte. Immerhin konnte ich ihm so seinen Pulli wenigsten zurückgeben.

Im Auto öffnete ich den Standort und tippte den Namen der Straße schnell ins Navi ein. 1 km, 5 Minuten, erschienen als Angaben auf dem Display und erleichtert atmete ich aus. Das war zum Glück nicht gerade ein weiter Weg. Schnell startete ich den Motor und machte mich auf den Weg. Ich hoffte sehr, dass der Junge auch wirklich einen guten Grund für diese Aktion hatte. Schließlich hatte ich mir meinen Sonntagabend eigentlich auch ganz anders vorgestellt. Zum Beispiel hätte ich mit meiner besten Freundin Edda aus Aachen telefonieren können oder, oder, oder. Aber stattdessen war ich jetzt auf dem Weg zu Kai.

Wenn ich Edda von Kais und meiner gemeinsamen Nacht und all dem erzählen würde, würde sie mich wahrscheinlich auch erst einmal angucken, als versuchte ich ihr gerade beizubringen, dass ihre Oma von den Toten aufgestanden war.

Die Stimme des Navis, die verkündete, dass ich mein Ziel erreicht hatte, riss mich aus meinen Gedanken. Schnell parkte ich mein Auto auf dem Hof vor dem Haus und stieg aus. Es war mir gerade sowas von egal, dass ich hier eventuell nicht parken durfte. Mit schnellen Schritten lief ich Richtung Haustür und drückte das obere Klingelschild auf dem ich den Namen Havertz erkennen konnte. Sofort summte die Tür und ich drückte sie auf. Mit schnellen Schritten betrat ich das Zweifamilienhaus und lief die Treppe nach oben in den ersten Stock. Die Wohnungstür war nur angelehnt und leise hörte ich Schritte, die sich mir näherten.

melody of memories | kai havertz Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt