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| Josefine |

Winnie Puuh hat einmal gesagt: "Ein Tag ohne einen Freund ist wie ein Topf, ohne einen einzigen Tropfen Honig darin." Heute, an diesem Morgen, wurde mir zum ersten Mal klar, wie Recht er damit eigentlich hatte.

„Ein Tag ohne einen Freund ist wie ein Leben ohne Schokolade" würde zu meinem Leben vermutlich besser passen. Dabei hatte ich über all die Jahre hinweg fast vergessen, wie sich ein Leben mit Schokolade überhaupt angefühlt hatte, wie sich ein Leben mit Kai angefühlt hatte. Diesen Verlust hatte ich nämlich irgendwann einfach ausgeblendet. Oder ich hatte sogar gelernt damit zu leben, aber jetzt, wo ich Kai wieder hatte, spürte ich ganz genau, was mir gefehlt hatte.

Wie ein Leben ohne Sonnenschein, so fühlten sich jetzt, im Nachhinein, all die Jahre ohne Kai an. Es war, als wäre es all die Zeit über immer dunkel und duster gewesen. Zwar nicht ganz, aber jeder Tag hatte sich trotzdem irgendwie trübe und grau angefühlt. Und seit ich heute Morgen neben Kai auf dem Sofa wach geworden war, krochen die Sonnenstrahlen wieder vorsichtig hinter den dicken, grauen Wolken hervor.

Wie sehr ich die Sonne doch vermisst hatte.

Schneller als ich gucken konnte, hatte mein Herz in diesem Moment eine Entscheidung getroffen. Ich wollte nicht, dass es wieder dunkel wurde. Ich wollte Kai nicht ein zweites Mal verlieren. Und vor allem wollte ich ihm eine Chance geben. Ich wollte uns eine Chance geben.

Langsam schlug ich die Augen auf und spürte gleichzeitig, wie auch Kai sich neben mir bewegte. „Morgen.", grummelte ich und Kai erwiderte es mit rauer Stimme.

„Hoffentlich haben wir überhaupt schon morgen...", sprach Kai dann nach kurzer Pause genau das aus, was mir ebenfalls gerade durch den Kopf gegangen war und ich seufzte. „Wenn wir das nur wüssten..."

Mit steifen Gliedern erhob ich mich vom Sofa, um die alte Stehlampe wieder einzuschalten. Mein Bett war eindeutig bequemer als dieses alte Sofa hier. Auch Kai erhob sich vom Sofa, streckte seine Arme und Beine und fuhr sich dann mit seiner Hand durch die braunen Locken, die zu allen Seiten abstanden. Irgendwie sah er mit seinen verwuschelten Haaren ja schon niedlich aus.

Unbewusst blieb mein Blick an seinen Armmuskeln hängen. Verdammt, er sollte aufhören so viel zu trainieren.

Generell war Kai zwar eher schmal gebaut, trotzdem wirkt sein Körper bis in die letzte Faser trainiert. Innerlich verfluchte ich mich, dass ich mich all die Jahre so strickt von Kai ferngehalten hatte, sodass ich jetzt keinen Plan hatte, ob er immer noch diesen blöden Fußball spielte, der uns beide damals getrennt hatte, als Kai mit 10 weggezogen war oder ob er seinen Traum hatte aufgeben müssen. Seinem Körper nach zu urteilen könnte er vermutlich locker mit einem Profifußballer mithalten, doch dass Kai es zu den Profis geschafft hatte, war schon mehr als unwahrscheinlich. Eigentlich könnte ihn ja auch fragen, aber irgendwie traute ich mich nicht, das Thema anzusprechen. Immerhin hatte ich es ihm auf Ewigkeiten übel genommen, dass ihm Fußball damals wichtiger gewesen war, als ich.

„Na?", riss Kai mich plötzlich völlig ohne Vorwarnung aus meinen Gedanken. „Lange genug gestarrt oder versuchst du noch, mich mit deinen Blicken auszuziehen?"

„Hättest du wohl gerne, hmm?", konterte ich prompt und zog herausfordernd eine Augenbraue nach oben, konnte aber leider nicht verhindern, dass meine Wangen peinlich berührt erröteten. Warum musste auch immer ausgerechnet mir so etwas passieren? Am liebsten würde ich mein Gesicht jetzt in seinem schwarzem Hoodie verstecken, den ich immer noch trug und der bei mir im Stehen schon fast als Kleid fungierte, aber ich wiederstand dem Drang ihm zu zeigen, wie unangenehm mir die Situation war.

„Ach nö, ich weiß schon selber wie gut ich aussehe und dass ich somit quasi Jede haben kann.", grinste Kai.

Arschloch, dachte ich. Was ein arrogantes Arschloch.

melody of memories | kai havertz Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt