v i e r u n d z w a n z i g

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| Kai |

Niedergeschlagen schlurfte ich neben Jule nach dem Training zu meinem Auto. Josy hatte sich seit mehreren Wochen nicht bei mir gemeldet und im Fußball lief es schon länger nicht mehr ganz rund. Was mir sonst am Ball mit Leichtigkeit gelang, wollte im Moment einfach nicht klappen. Selbst im Training hatte ich heute einige schlechte Bälle gespielt und wahrscheinlich war es nur meinen älteren Leistungen geschuldet, dass ich überhaupt noch in der Startelf stand.

Selbst Julian hatte heute während eines Trainingsspieles gefragt, was mit mir los sei, als ich den Ball am leeren Tor vorbei geschossen hatte. Ich konnte darauf nur mit den Schultern zucken. Zum Glück stand in zwei Tagen das letzte Spiel an, danach war erstmal Winterpause. Noch nie hatte ich mich so auf diese Pause gefreut, wie dieses Jahr.

„Wie geht's Josy?", fragte ich mit müder Stimme und Julian blickte mich genervt an.

„Kai, das hast du mich vor dem Training schon gefragt. Und gestern und vorgestern und vorvorgestern..."

„Schon gut.", murmelte ich und ignorierte, wie Julian die Augen verdrehte. „Sie geht nur nicht an ihr Handy, wenn ich sie anrufe und reagiert nicht auf meine Nachrichten. Ich dachte..."

Julian unterbrach mich. „Du dachtest, wenn du von meinem Handy anrufst geht sie ran oder wie?" Ich nickte niedergeschlagen, denn ich wusste, dass das nicht fair wäre. Es war nichts passiert, Josy wollte mich einfach bewusst nicht sehen. Ich wusste von Jule, dass sie ganz normalen Kontakt zu ihm hatte, mit ihm Fifa zockte, Filme schaute, gemeinsam kochte und so weiter. Und ich wusste auch von Jule, dass sie ihm gesagt hatte, wenn ich nach ihr fragen sollte, dass er nur sagen sollte, dass sie noch Abstand brauchte und mich noch nicht sehen wollte. Dass ihr Leben ganz normal weiter ging, während meins mir aus den Fugen zu gleiten schien, machte mich fertig.

Ich verstand nicht so ganz, was ich falsch gemacht hatte. Sie war damit einverstanden gewesen, als ich ihr gesagt hatte, dass sie für mich meine beste Freundin war. Ja, es hatte verdammt wehgetan, denn eigentlich wollte ich mehr. Mehr, als nur ihr bester Freund sein. Ich wollte, dass sie ganz zu mir gehörte und stattdessen hatte ich sie jetzt ganz verloren. Naja, ich hatte noch ein bisschen Hoffnung, dass sie irgendwann genug Abstand haben würde und sie sich wieder bei mir melden würde. Doch momentan war das nicht der Fall und ich vermisste sie schrecklich.

Vielleicht hätte ich ihr einfach die Wahrheit sagen sollen. Dass ich mehr als nur ihr bester Freund sein wollte. So, wie im Café, als ich ihre Mutter angelogen hatte. Vielleicht hätte ich ihr sagen sollen, dass sie wunderschön ist und ich am liebsten jederzeit ihre weichen, rosanen Lippen küssen würde und sie überall berühren würde. Vielleicht hätte ich das tun sollen, aber ich habe es nicht und nun war es zu spät. Es war zu spät, als dass ich ihr jetzt noch meine Gefühle gestehen konnte, denn sie wollte mich nicht mehr sehen. Sie hatte mich einfach so wieder aus ihrem Leben gestrichen. Ich war einfach so ein Idiot.

Doch genau davor hatte ich damals so große Angst gehabt. Ich hatte sie nur als beste Freundin behalten wollen und ihr die Wahrheit verschwiegen aus Angst, meine Gefühle würden alles kaputt machen, weil sie sie nicht erwiderte. Oder, dass sie mich abweisen würde, weil ich ihr immer noch nicht die Wahrheit über damals erzählt hatte. Und jetzt war einfach genau das passiert, obwohl ich sie angelogen hatte und obwohl ich eigentlich genau das so sehr verhindern wollte.

Ich verabschiedete mich von Julian und stieg resigniert in mein Auto ein. Kurz schaute ich bei Instagram rein und sah, dass Josy etwas in ihrer Story gepostet hatte. Schnell klickte ich darauf und stellte fest, dass es ein Repost einer Story war, die ursprünglich ein anderes Mädchen hochgeladen hatte. Auf dem Video war Josy in der Schule zu sehen, die in die Kamera lächelte, aber wer sie kannte, der sah sofort, dass das Lächeln nicht ihre Augen erreichte. Generell wirkte sie müde und sie war dünner geworden. Ihre weiblichen Rundungen waren verschwunden und ich machte mir wirklich sorgen um sie.

melody of memories | kai havertz Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt