f ü n f

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| Josefine |

Mit dröhnendem Kopf und ziemlicher Übelkeit schlug ich am nächsten Morgen die Augen auf. Naja, zumindest kurz. Die Sonne fiel schon durch den nur halbgeschlossenen Rollladen, weswegen ich mir schnell die Decke über den Kopf zog und meine Augen augenblicklich wieder schloss. Das war gestern Abend definitiv ein bisschen zu viel Alkohol.

Innerlich stöhnte ich über meine eigene Dummheit, dass es mal wieder so weit gekommen war. So ein Kater hatte mir gerade noch gefehlt. Blinzelnd und mit großer Vorsicht schlug ich dann unter der Decke doch langsam meine Augen auf und stellte verwirrt fest, dass mir das blau-grün karierte Muster, welches mich umgab, überhaupt nicht bekannt vorkam. Als ich dann auch noch feststellte, dass ich, außer meiner Unterhose nichts mehr an hatte, bekam ich langsam Panik. Was war gestern Abend bitte passiert?

Ich überlegte fieberhaft, wie es überhaupt dazu gekommen war, dass ich gerade halb nackt in einem fremden Bett lag, bemerkte aber schnell, dass ich nicht mehr alles, was gestern Abend passiert war, zusammen bekam. Da kam zum Kater also auch noch ein Filmriss, na vielen Dank auch. Ich erinnerte mich allerdings noch an Julian und wusste auch noch, dass wir gemeinsam den Club verlassen hatten. Vermutlich waren wir bei ihm Zuhause, zumindest hoffte ich das. Ein wildfremder Typ neben mir im Bett würde mir doch deutlich mehr Angst machen als Julian, auch wenn ich Julian selber auch kaum kannte.

Da ich mich aber auch nicht für immer unter der Bettdecke verkriechen konnte, steckte ich dann doch mal vorsichtig den Kopf aus der Decke, achtete aber darauf, dass mein Oberkörper verdeckt blieb. Ich erkannte Julians blonde Haare neben mir und war etwas erleichtert. Doch die Tatsache, dass er mindestens Oberkörperfrei neben mir lag, trübte diese Erleichterung auch schon wieder. Wer weiß, was er unter seiner Decke noch an hatte, oder eben auch nicht an hatte.

Verzweifelt versuchte ich mich an gestern Abend zu erinnern. Hatte ich mit Julian geschlafen? Hatten wir nur ein wenig Spaß gehabt? Oder hatte es vielleicht doch ganz andere Gründe, warum wir beide kaum noch etwas an hatten. Letzteres war wohl eher unwahrscheinlich, trotzdem zog ich es in Betracht, möglich wäre es ja.

Sorgen bereitete mit allerdings Szenario eins. Hatte ich wirklich meine Jungfräulichkeit an einen One Night Stand verloren, an den ich mich nicht mal erinnern konnte? Und wenn ja, hatten wir verhütet? Ich spürte, wie in mir wieder Panik aufstieg und merkte schnell, dass das gepaart mit meiner Übelkeit nicht lange gut gehen würde. Ich versuchte mich selbst so gut es ging zu beruhigen, jetzt konnte ich es ja sowieso nicht mehr ändern und ich hoffte einfach mal, dass nichts passiert war. Da ich all diese Fragen aber unbedingt beantwortet haben musste, nahm ich mir fest vor, Julian später darauf anzusprechen, egal wie unangenehm das Gespräch werden würde. Ich konnte nur beten, dass er sich, im Gegensatz zu mir, noch an gestern Abend erinnern konnte.

Als meine Augen sich ganz an die Sonne gewöhnt hatten, schaute ich mich etwas genauer im Schlafzimmer um. Es war modern und in hellen creme und beige Tönen gestrichen. Die Möbel waren weiß und der Raum bot genau richtig viel Platz, sodass ein Bett, ein Kleiderschrank und eine Kommode mühelos hinein passten, der Raum aber trotzdem sehr gemütlich wirkte. Auf der Kommode standen einige Bilderrahmen und auch über dem Kopfende am Bett hing ein großes schwarz-graues Bild, was einen riesigen Löwenkopf im Profil zeigte, der aber eher anmutig als bedrohlich wirkte.

Vor dem Bett erblickte ich auf dem Fußboden ein schwarzes T-Shirt und ich erinnerte mich dunkel daran, dass Julian mir gestern Abend so eins gegeben hatte. Schnell checkte ich, ob Julian immer noch schlief und stand dann vorsichtig auf. Einerseits, weil ich Julian nicht wecken wollte, andererseits, weil mein Kopf schon wieder schmerhaft pochte.

Schnell zog ich mir das schwarze Shirt über, welches mir bis zu den Knien reichte und war heilfroh, dass mein Körper jetzt zumindest erstmal wieder teilweise bedeckt war. Kurz blieb ich unschlüssig im Raum stehen und musste feststellen, dass das eigentlich alles gar nicht zu mir passte. Ich hatte vielleicht mal mit dem einen oder anderen Typen auf einer Party rumgemacht, aber das war es dann auch schon. Und selbst das war in all den Jahren höchstens zwei, drei Mal vorgekommen. Noch nie war ich irgendwie zu einem Fremden mit nach Hause gegangen. Gut, die Situation gestern Abend, weil ich nicht nach Hause konnte, war auch anders gewesen, aber Alkohol machte aus mir wirklich einen anderen Menschen!

melody of memories | kai havertz Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt