48 | Introducing you.

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Dad, ich werde gleich abgeholt. Lennox sollte in wenigen Minuten hier sein", rief ich durch mein Elternhaus.

Auf einem Fuß sprang ich Richtung Wohnzimmer und versuchte gleichzeitig, die Schnürsenkel meiner Winterschuhe zu binden.

„Lennox holt dich ab? Was habt ihr denn vor, wir sind in einer halben Stunde mit deiner Tante zum Essen verabredet", antwortete die Stimme meines Vaters aus dem Wohnzimmer. Gerade glitt mir der fadenartige Stoff erneut durch die Hände und ich stolperte nach vorne.

„Was?" Verwundert hielt ich inne, ignorierte meine offenen Schuhe, die, wenn ich ihnen meine volle Aufmerksamkeit geschenkt hätte, schon längst verschlossen sein könnten.

In den vergangenen Tagen war einiges bei uns zu Hause passiert, was nicht zu bedeuten hatte, dass es etwas schlechtes war. Ich hatte mich meinem Vater geöffnet, ihmerzählt, wie wichtig Lennox mir geworden war und dass ich mich nicht von ihm fernhalten könnte. Ich hatte meinem Vater offen von meinen Gefühlen ihm gegenüber erzählt.

Es hatte ein paar Minuten des Schweigens gebraucht, bis er schließlich eingesehen hatte, dass er sich dagegen nicht auflehnen konnte. Ich wusste, dass durch meine Einschätzung seine Bedenken nicht ausgelöscht waren, aber er hatte mir versprochen, ihm eine Chance zu geben und unsere Beziehung ohne Vorurteile zu betrachten.

Bei diesem Gespräch hatte er mir gestanden, dass ihm ausgefallen war, wie ausgeglichen ich in den letzten Wochen war, und dass ich, seit dem Tod meiner Mutter, endlich wieder ein ehrliches Lächeln auf meinen Lippen trug.

Es tat mir unglaublich gut, die Treffen mit ihm nicht mehr verheimlichen zu müssen, sondern auf den Zuspruch meines Vaters setzen zu können. Genau wie seinen hatte ich auch den von Alaia und Adam bekommen, nachdem ich ihnen in der letzten Woche alles haarklein erzählt hatte.

„Das war heute?" Ich stützte mich mit der Hand an dem Türrahmen ab und beobachtete meinen Vater dabei, wie er sich vom Sofa erhob und eine Zeitschrift auf den Wohnzimmertisch fallen ließ.

„Ja, das war heute, Cartia." Er wirkte nicht wütend darüber, dass ich dieses Essen verschwitzt hatte. Das rührte jedoch daher, dass er sich sicher sein konnte, dass ich meine Pläne nun verschieben würde und er sich keine Sorgen zu machen hatte.

Wir beide waren kein Fan von den Essen, die uns meine Tante monatlich auferlegte, um meinen Vater aushorchen zu können. Würden wir es ausfallen lassen, wäre es nur ein weiterer Grund für sie, um meinem Vater vorzuhalten, dass er unsere Leben nicht im Griff hatte. Sie fand in so vielen Momenten einen Grund, um ihm das Leben zu erschweren, und wir wusste beide, dass wir es nicht schlimmer machen wollten.

Ein einziges Mal war er alleine zu einem solchen Essen gegangen. Es war jenes direkt nach dem Tod meiner Mutter gewesen. Damals hatten sie zusammen den Ablauf und die letzten Details der Beerdigung besprochen. Zu dieser Zeit hatte es genug Sorgen in dem Leben meines Vaters gegeben, die harten Worte meiner Tante hatten ihn an diesem Tag deswegen besonders getroffen. Es war das erste Mal gewesen, dass ich miterlebt hatte, wie er die Anklage nicht einfach hatte hinunterschlucken können.

An diesem Tag hatte ich mir geschworen, niemals wieder ein solches Essen sausen zu lassen. Er sollte nicht noch ein weiteres Mal alleine in die Höhle des Löwen müssen.

Für dieses Essen bedeutete das, dass ich mir etwas ausdenken musste. Und wenn ich Lennox eine Erklärung auftischen wollte, musste ich schnell auf eine Lösung kommen. Genauso wenig wie es eine gute Lösung war, meinen Vater alleine loszuschicken, konnte ich mich mit dem Gedanken anfreunden, Lennox wieder nach Hause zu schicken und das Essen zu verschieben. Wir hatten uns beide so sehr auf diesen Tag gefreut.

Paralyzed | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt