19 | It's never really over.

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Langsam schüttelte ich den Kopf und bevor er erneut nach mir greifen und mich am Gehen hindern konnte, stand ich auf und taumelte ein paar Schritte nach hinten.

Ich hatte noch nicht gelernt, Lennox einzuschätzen. An seiner Haltung absehen zu können, wie er sich fühlte und was er durchmachte. Aber ich musste ihn nicht kennen um zu sehen, dass es ihm gerade nicht gut ging, und dass niemand an seiner Seite war. Er hatte mich am gestrigen Abend aufgenommen, mich mitgenommen, anstatt mit seinen Freunden Teammitgliedern die Festigung seiner Postion zu feiern.

Er hatte mein Essen bezahlt und mich nach Hause gebracht, ohne etwas als Gegenleistung zu erwarten. Auch war es Lennox gewesen, der mich am Wochenende zuvor aus einer Situation befreit hatte, die mir noch immer auf den Magen schlug. Wo steckte nun also die Frage, ob ich zu ihm gehen sollte, oder nicht?

„Mein Vater hat mir nie etwas von seiner Familie erzählt und ich habe nichts schlechtes über sie gehört." Ich warf Lennox einen Blick über die Schultern zu und stemmte die Hände in die Hüfte. „Also werde ich nun zu ihm gehen und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du einfach hier warten würdest", informierte ich meinen Cousin.

Es fiel mir schwer, in einem solchen Ton mit ihm zu sprechen, ihn in seine Schranken zu weisen und mich gegen ihn zu stellen. Ich wusste, dass ich mich niemals vor einer Verurteilung seiner Seite zu fürchten hatte, dennoch spürte ich, dass ihm meine Entscheidung mehr missfiel als alles andere.

Ryan biss die Zähne zusammen und furchte die Stirn, ehe seine Arme sich abwehrend hoben.

„Danke", huschte es leise über meine Lippen, bevor ich auf dem Absatz kehrt machte und auf den sichtlich gebrochenen Lennox zusteuerte. Das beklemmende Gefühl in meinem Mageninneren wurde dabei wieder deutlich spürbar und ich konzentrierte mich auf meine Atmung, während meine Beine den Weg zu ihm ganz von allein fanden.

Ryans Blick bohrte sich in meinen Rücken und erschwerten mir jeden Schritt zusätzlich.


Ohne auf meine Umgebung zu achten, verließ ich den Kieselweg, suchte mir einen neuen quer über den Rasen und machte mich ohne Umschweife auf den Weg zu Lennox. Mit jedem Schritt, den ich wagte, machte ich mehr Gedanken über die Worte, die ich zu ihm sagen sollte.

Welche waren angemessen für jemanden, den man vollkommen verzweifelt vorfand, mit dem man aber im Grunde nichts zu tun hatte? Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er sich mir anvertrauen würde. Selbst der vergangene Abend änderte nichts an dieser Denkweise.

Als Lennox plötzlich seinen Blick hob und mir direkt in die Augen sah, traf mich dieser Blickkontakt vollkommen unvorbereitet. Mein Kopf war mit einem Mal wie leergefegt und ich schien sogar zu verlernen, wie man zu laufen hatte. Ich stolperte vorwärts, bevor ich mich selbst fangen konnte.

„Hat dich jemand geschlagen?" Keine Begrüßung, kein leichtes Lächeln, das eine ähnliche Bedeutung hatte, flog über meine Lippen. Das Einzige, was ich außer seinen blauen Augen sehen konnte, war das blaue Veilchen, das sein rechtes Auge zierte. Mehrere Farben vermischten sich zu einer, zierten auch noch seinen Wangenknochen und einen angehauchten Teil seiner Wange.

Sein Blick war müde, erschöpft und jeglicher Glanz in seinen Augen war verloren.

„Nein, ich hatte Training. Da passiert das Mal", gab er gedämpft von sich. Ich machte einen letzten Schritt nach vorne, ehe ich mich auf der Bank neben ihm niederließ. Bevor ich sie davon überzeugen konnte, es nicht zu tun, hoben sich meine Hände und ich fing an, vorsichtig mit den Fingerspitzen die verletzte Stelle abzutasten.

„Wenn man Boxer ist, vielleicht. Oder irgendeine Ballsportart ausübt.." Kopfschüttelnd tastete ich mich weiter vor, bis er den Kopf zur Seite legte und meine Hände von seinem Gesicht rutschten.

„Du solltest zu einem Arzt gehen, wirklich. Das sieht ziemlich übel aus." Ich hatte die Hände wieder in meinen Schoß sinken gelassen, wissend, dass ich es noch schlimmer machen würde, wenn ich sie wieder anhob. Er konnte mir nicht erzählen, dass es eine Verletzung war, die beim Schwimmen entstanden war. Es war keine Wunde, die man sich im Wasser ohne Weiteres zuziehen konnte und außerdem glaubte ich kaum, dass er so reagieren würde, wenn es nur ein Sportunfall gewesen wäre.

Paralyzed | ✓Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon