37 | Insecurity kills all that is beautiful.

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Die ersten Stunden des Schultages waren gefüllt mit Hausaufgaben, genervten Schülern und zu motivierten Lehrern gewesen.

Nur wenige Wochen nach dem Start ins neue Schuljahr hatten die Lehrer das Tempo schon spürbar angezogen. Der bloße Gedanke an die Hausarbeiten, die nach den eigentlichen Hausaufgaben auf mich warteten, sorgte für ein ständiges Stechen in meinem Kopf.

„Hast du Lennox heute schon gesehen?" Den gesamten Vormittag hatte Alaia kein Wort über ihn verloren. Keine zweideutigen Bemerkungen, keine Beschreibung, keinen Fingerzeig. Sie hatte alle Fragen für sich behalten und nur den Blick öfter als normalerweise über unsere Mitschüler gleiten lassen.

„Nein. Aber wir haben auch nur wenige Kurse zusammen." Es war nicht meine direkte Absicht, die Situation runter zuspielen. Es war mehr ein Reflex, der von mir Besitz ergriff. Ich stocherte lustlos in meinem Kartoffelpüree herum, dem ich schon vor einigen Minuten meinen Appetit abgeschworen hatte. Seufzend musterte ich die Erbsen, die sich an das gelbliche Püree schmiegten.

„Ist es nicht merkwürdig, dass er sich noch nicht gemeldet hat? Ich meine, wenn man bedenkt, was am Freitag zwischen euch vorgefallen ist, dann ist es schon komisch. Als würde er es bereuen." Ich wusste, dass sie es nicht böse meinte. Dass sie sich bei der Erwähnung seines Namens und unseres Date nichts schlimmes dachte. Es trug dennoch nicht zu meiner Inneren Ruhe bei. Schließlich waren die Worte, die sie ausgesprochen hatten dieselben, die ich mich nicht zu erwähnen traute.

Was unsere romantischen Beziehungen anging, standen Alaia und ich uns in nichts nach. Wir beide hatten noch keine feste Partnerschaft gehabt, Alaia für ihren Teil nicht einmal ihren ersten Kuss. Vor wenigen Wochen hatte sie mir das unter dem Einfluss von Alkohol gestanden.

Alaia hatte keine Gründe, single zu sein. Sie hatte keine Prinzipien, die sie davon abhielten, einem Jungen näher zu kommen. Sie stand sich schlichtweg selbst im Weg. Aus Erfahrung wusste ich, dass sie lieber vor einer großen Gruppe eine Rede halten würde, als sich einer Person, die sie attraktiv fand, auch nur auf fünf Meter zu nähern. Davon, sie dann auch anzusprechen, ganz abgesehen.

Ihr Selbstbewusstsein war auf dem Nullpunkt angekommen, oder schon in den negativen Bereich abgestiegen. Leider kannte ich sie nicht anders. „Sei nicht albern, A. Ich habe mich ja auch nicht gemeldet." Meine Antwort folgte reichlich verspätet, was Alaia mit einem prüfenden Blick zur Kenntnis nahm. Irgendwie hatte ich gehofft dass Lennox mir, zusätzlich zu den Bildern von uns, noch das ein oder andere Wort hinterließ. Aber es waren nur die Bilder auf meinem Handy eingetroffen, weswegen ich mit einem einfachen Danke die Unterhaltung angefangen, und gleichzeitig wieder beendet hatte. Mir war bewusst, dass ich ein wenig ausführlicher hätte antworten können. Ich hatte mir nicht einmal die Mühe gegeben, ein Gespräch aufzubauen. Stattdessen war ich blind davon ausgegangen, dass er den nächsten Schritt machen würde. Schon wieder.

„Du bist nicht das männliche Geschlecht, Cartia. Es ist nicht deine Aufgabe, dich nach dem erstem Date zu melden." Sie griff nach ihrem Saftpäckchen, steckte den Strohhalm in die kleine Öffnung und trank einen Schluck von der überzuckerten Flüssigkeit.

Im Gegensatz zu Alaia hatte ich niemals um eine solche Situation gebeten. Meine Freundin hatte schon im Kindesalter die perfekten Vorstellungen von einer Beziehung gehabt. Sie hatte sich ihr erstes Date, ihren ersten Kuss ausgemalt. Hatte sich vorgestellt wie es war, wenn jemand am Abend des Schulballes an der Treppe in ihrem Haus wartete, um sie mitzunehmen. Sie hatte sich das Glitzern in den Augen ihres Freundes vorgestellt, wenn sie sich in ihrem Kleid neben ihn stellte. Mehr als einmal hatte ich ihr versucht zu erklären, dass ihre Vorstellung klischeehaft und abschreckend niedlich waren. Aber sie hatte sich von mir nicht beirren lassen, sondern weiter an ihrer Traumwelt festgehalten. An dem perfekten Prinzen auf dem weißen Pferd, der nur Augen für sie hatte. Wenn sie selbst nicht die Initiative ergriff, und weiter abwartete, bis dieser Traummann sich in ihr Leben verirrte, würde er noch lange ein Traum bleiben.

Paralyzed | ✓Where stories live. Discover now