Chapter 20

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Cait

Den ganzen Abend über hatten wir noch über die verschiedensten Dinge geredet und ein paar Filme gesehen. Es tat gut Zeit mit Calum zu verbringen. Die ganzen Wochen der Einsamkeit waren wie weggeblasen und es fühlte sich alles so vertraut wie früher an. Das hörte sich jetzt vielleicht so an, als wären schon Jahre seit unserem letzten Wiedersehen vergangen, aber für uns Teenager waren zwei Monate nun mal eine ziemlich lange Zeit.

„Cait aufstehen“, flüsterte mir eine sanfte Stimme ins Ohr. Ich gab ein unverständliches Murmeln von mir und versuchte meine Augen zu öffnen. Am frühen Morgen war das gar nicht so einfach. „Mein Tourmanager kommt doch demnächst vorbei“, fuhr er fort. Ich spürte Calums Arm, der um mich geschlungen war und wollte am liebsten für immer in dieser Position verharren. Es war ein wundervolles Gefühl am frühen Morgen so liebevoll geweckt zu werden. „Ich geh dann mal Frühstück machen“, sagte Cal, gab mir noch einen Kuss auf die Wange und stand dann auf. „Nein, lass mal“, bremste ich ihn: „Ich habe gerade gar keinen Hunger und außerdem wollte ich vorher noch einmal alleine mit meinem Vater reden. Ich würde vorschlagen, dass ich mich kurz im Badezimmer frisch mache und danach gleich nach Hause gehe.“ „Okay und wenn David dann da ist, kommen wir einfach bei dir vorbei.“ „Genau, so machen wir das“, bestätigte ich lächelnd.

Danach machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer, wo ich mir schnell das Gesicht wusch und meine Haare zu einem Dutt band. Zähneputzen konnte ich ja schließlich immer noch zu Hause. Alles musste heute Morgen halt etwas schneller gehen, damit ich genug Zeit hatte meinen Vater von den Plänen zu überzeugen. Anschließend ging ich wieder nach unten, wo Calum schon auf mich wartete. „Ich gebe dir dann nachher deine Sachen wieder okay?“, sagte ich und nahm mein Kleid, meine Clutch und meine Schuhe. Ich beschloss einfach wieder barfuß zu gehen, da meine Füße ja sowieso schon schmutzig genug waren und es draußen auch recht warm war. Auf der Straße würden dann wahrscheinlich alle denken, ich wäre eine Obdachlose, doch selbst das war mir vollkommen egal. „Okay, wir sehen uns dann“, meinte Cal und hielt mir die Haustür auf. „Ja, bis nachher.“ Ich gab ihm noch einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und ging dann vom Grundstück. Noch ein kurzes Winken und dann bog ich auch schon um die Ecke ab.

Glücklicherweise liefen mir nicht zu viele Menschen über den Weg, sodass es für mich nicht allzu peinlich wurde. Ein paar vereinzelte sahen mich zwar komisch an, aber das versuchte ich einfach auszublenden.

An meiner Haustür angelangt – ich hatte mich extra beeilt – musste ich schließlich klingeln, da ich meinen Schlüssel vergessen hatte. „Guten Morgen Dad“, meinte ich übertrieben freundlich, als er mir die Tür öffnete. „Ähm... du bist schon wieder da? W... wolltest du nicht länger weg bleiben?“, fragte er mich leicht geschockt. „Nein, wollte ich nicht. Ich habe nämlich noch etwas mit dir zu besprechen, aber zuerst gehe ich hoch, bringe meine Sachen in mein Zimmer und ziehe mir etwas anderes an. Bis gleich“, sagte ich immer noch freundlich, da ich meinen Vater ja schließlich zu etwas überreden wollte. Ich versuchte dabei zu überspielen, dass mein Dad sich gar nicht darum kümmerte, wo ich die Nacht über gewesen war. „Ähm... nein Caitlin, warte mal!“, rief er mir noch hinterher, doch ich war bereits auf der Treppe und hatte keine Lust stehen zu bleiben.


Summend ging ich schließlich in mein Zimmer, doch als ich dieses betrat verstummte es sofort und mir wurde augenblicklich total schlecht. „Was machst du denn bitte hier? Wer hat dich reingelassen?“, fragte ich etwas angewidert. Vor mir stand allen ernstes dieser schmierige Typ von gestern Abend, der sich seelenruhig meine Sachen, die in meinem Zimmer standen, ansah. „Es ist auch schön dich wiederzusehen. Unser letztes Treffen ist ja nicht gerade optimal verlaufen. Ich bin übrigens Marvin“, sagte dieser und kam mir bedrohlich nahe. „Schön für dich und jetzt Abstand halten“, meinte ich und schubste ihn leicht weg von mit. „Was zur Hölle tust du hier?“ „Ach, ich wollte nur meine Mutter abholen. Sie ist gerade noch im Bad – hat wohl hier übernachtet“, zwinkerte er mir zu. „Ähm.. was? Das muss ein Irrtum sein!“ Wie von einer Tarantel gestochen, stürmte ich aus meinem Zimmer in Richtung Badezimmer. Aus dem kam mir genau in diesem Moment die Frau entgegen, mit der mein Vater den ganzen gestrigen Abend geflirtet hatte. Ihre blonde Haare und ihr pinker Nagellack ließen sie wie eine Barbie schlechthin wirken. Noch dazu war sie bestimmt mindesten fünfzehn Jahre jünger als mein Vater. Vollkommen entgeistert blickte ich sie mit weit aufgerissenen Augen an. Das konnte doch alles nur ein schlechter Scherz sein. Mein Vater mit dieser Frau? Niemals!

~Long Way Home~©Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt