Die feine Art

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Ella

In einer anderen Zeit, in einer anderen Welt...

»Ella, meine Liebe! Es ist für dich!«

Verwundert halte ich im Kartoffelschälen inne und lege das Messer beiseite. Wer könnte das da am Telefon wohl sein? Doch nicht etwa...

Mit zusammengepressten Lippen wasche ich mir kurz die Hände, dann gehe ich zu meiner Mutter in den Salon, die mir das Schnurtelefon mit unergründlicher Miene hinhält.

Nickend nehme ich es entgegen und melde mich mit »Ella Donner am Apparat«.

»Fuchs. Heute um fünf vor Ihrem Haus.«

»Wa–... Moment mal, woher haben Sie überhaupt meine Telefonnummer? Und woher wissen Sie, wo ich wohne?!«

Ein genervtes Seufzen dringt durch den Hörer.
»Ihre Nummer haben Sie mir gegeben, falls sie sich nicht erinnern. Und wo Sie wohnen, war nun wirklich nicht schwer herauszufinden.«

Mir steht der Mund offen. Das muss ein Scherz sein. »Sie haben mein Recht auf Privatsphäre verletzt, mein Vertrauen missbraucht Sie, Sie...!«

»Pff, jetzt hören Sie auf schon zu jammern! Ich werde schon nicht bei Ihnen einbrechen. Diese Info hätten Sie mir früher oder später sowieso geben müssen, da ich sie aus Sicherheitsgründen brauche. Dirner ist ein reicher Mann mit vielen Feinden und Sie sind seine Verlobte.«

Ich rolle die Augen. »Ach, und das gibt Ihnen das Recht, sich einfach meine Adresse zu holen?«

»Nun... ja. Es ist zu Ihrer Sicherheit.«

»Hätten Sie mich nicht einfach fragen können?«

»Hätten Sie sie mir gegeben?"

Guter Punkt. Die Antwort lautet wohl ›Nein‹.
Trotzdem ist es verflucht hinterhältig!

»Also, um fünf werde ich bei Ihnen klingeln.«

»Entschuldigung?! Ich habe nicht zugesagt!«

»Haben Sie heute noch was anderes vor?«, brummt er gelangweilt.

»Nein, aber–«

»Dann werde ich da sein – man sieht sich.«

Und Zack, aufgelegt. Erbost knalle ich den Hörer auf die Gabel. »Also, meine liebe Tochter, das ist nun wirklich nicht die feine Art!« Ertappt drehe ich mich um. »Entschuldige, es ist wohl mit mir durchgegangen.«

Meine Mutter rümpft pikiert die Nase und fragt: »Wer war dieser Mann mit der düsteren Stimme?«

Düstere Stimme? Ja, so eine hat der gute Detektiv Fuchs in der Tat. Und ich bin mir fast sicher, dass das nicht das einzig düstere in ihm ist.

»Er hilft mir, Jack zu finden und arbeitet mit der Polizei zusammen.« Dass er Detektiv ist, erwähne ich bewusst nicht. Meine Mutter hat etwas gegen diese Berufsgruppe, hält sie für zwielichtig und unehrlich. Nun ja, bei besagtem Exemplar hier könnte sie sogar recht haben.

»Aber, Kind, wieso musst du den lieben Jack denn suchen? Er ist doch sicher nur auf Geschäftsreise.« Ich hebe spöttisch eine Braue, was sie irritiert die Stirn runzeln lässt. »Nur auf Geschäftsreise? Ohne seiner Verlobten vorher ein Sterbenswörtchen gesagt zu haben? Entschuldige, Mutter, aber der Ansicht bin ich nun wirklich nicht.«

»Nun...«

»Da ist irgendwas nicht in Ordnung, ich bin mir sicher!«, unterbreche ich sie hitzig. »Er ist ein Mann von hohem Einfluss, das bringt auch gewisse Feinde mit sich. Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Sache!«

Sie schüttelt den Kopf. »Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es eine ganz plausible Erklärung dafür gibt, Kind. Du musst lediglich abwarten und alles wird sich fügen.«

Fassungslos betrachte ich meine Mutter. Das kann doch nicht ihr Ernst sein! Doch je länger ich ihr in die Augen sehe, desto klarer wird mir, dass jedes weitere Wort meinerseits absolut zwecklos wäre. Resigniert nicke ich.

Prompt tritt ein zufriedener Ausdruck auf ihre Züge und sie streicht mir über den Oberarm. »Du wirst schon sehen.« Wieder nicke ich.

Ein Blick auf die massive Standuhr in meinem Wohnzimmer sagt mir, dass Fuchs in einer Stunde da sein wird – das bedeutet, dass ich den Besuch meiner Mutter langsam ausklingen lassen muss. Und das so höflich und normal wie möglich, sie soll ja keinen Verdacht schöpfen, dass ich gewiss nicht vorhabe, diese Sache auf sich beruhen zu lassen!

»Mutter, ich muss gestehen, dass ich enorm müde bin und noch eine Menge Hausarbeit zu erledigen habe. Dein Besuch hat mich unheimlich gefreut, vielen Dank!«

Ich fasse sie sanft am Ellenbogen und will sie schon zur Tür geleiten, doch so richtig fortbewegen tut sie sich nicht.

»Ella, lass mich dir helfen! Wenn du so erschöpft bist, wäre es mir wahrlich ein Dorn im Auge, dich all das allein erledigen zu lassen!« Starr lächele ich sie an. Mist, ich muss mir etwas anderes einfallen lassen...

»Oh, nein!«, rufe ich gespielt reumütig aus. »Was ist denn, mein Schatz?« Ich seufze tief. »Mir fällt gerade ein, dass ich noch etwas in Jacks Büro zu erledigen habe. Papierkram, es kann nicht warten. Fast hätte ich es vergessen!«

Ich fasse mir theatralisch an die Wange. »Aber, Ella...«

»Es tut mir leid, Mutter, aber nun muss ich doch so unhöflich sein, dich wegzuschicken!«
Wieder fasse ich sie am Ellenbogen, energischer diesmal, und geleite sie zur Tür. Mir ist durchaus bewusst, wie durchschaubar mein Verhalten ist, aber so wie ich meine Mutter kenne, ist sie zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, um etwas zu merken.

»Auf Wiedersehen!« Ich schiebe meine verdatterte Mutter auf den Flur hinaus, gebe ihr noch ein Küsschen links und rechts, dann schließe ich die Tür mit einem vernehmlichen ›Klack‹.

Erschöpft lasse ich mich am kühlen Holz nach unten gleiten und strecke die Beine von mir.
Bald wird Fuchs da sein. Und ich würde lieber meine Mutter auf einen Backgammon-Abend mit ihren Freundinnen begleiten, als den Nachmittag mit ihm zu verbringen –
und das mag etwas heißen.

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