Ein Handschlag

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Ella

In einer anderen Zeit, in einer anderen Welt...

Ich erstarre. »S-sie, sind Detektiv?«, frage ich zaghaft. Er verzieht ungeduldig den Mund und antwortet: »Das sagte ich doch gerade.« Nun ja, ein besonders freundlicher Zeitgenosse scheint er mir ja nicht gerade zu sein. Aber ich suche ja auch nicht jemand freundlichen, sondern einen Detektiv! Diese Voraussetzung erfüllt er offensichtlich.

»Würden Sie einen Auftrag von mir annehmen?« Seine dunkelroten Brauen wandern langsam in die Höhe, die Stirn ist skeptisch gerunzelt. »Bitte«, füge ich noch – zu meinem Leidwesen, sehr weinerlich – hinzu.
Mit angehaltenem Atem warte ich auf eine Antwort.

Doch dieser Mann scheint es damit nicht besonders eilig zu haben. Er zündet sich in aller Ruhe eine Zigarre an, blickt in der Gegend herum (es stehen nach wie vor ein paar Polizisten hier und da und nehmen einigen Augenzeugen die Aussage ab – mich wird das wohl früher oder später auch noch erwarten) und wirft einen Blick in sein zerfleddertes Notizbuch.

Ohne mich anzusehen antwortet er schließlich: »Nein.« Ich blinzele. Einfach nur ›Nein‹?

»A-aber weshalb?«, will ich wissen.

Jetzt richtet er doch den Blick auf mich. Unwillkürlich läuft mir ein höchst unangenehmer Schauer über den Rücken.
»Weil Sie das nicht das Geringste angeht, deshalb.« Mir klappt die Kinnlade herunter im Angesicht einer solchen Dreistigkeit. Meine Mama wäre entsetzt, wenn sie mich so sehen könnte, mit offenem Mund. Doch das ist gerade nun wirklich mein geringstes Problem.
Ich fange mich recht zügig und nehme wieder Haltung an.

»Also, das ist ja eine Unverschämtheit!«

Dieser Mann wagt es daraufhin doch tatsächlich, die Schultern zu zucken! Plötzlich überkommt mich eine Welle der Verzweiflung und mein Herz krampft sich ängstlich zusammen. Gott, was soll ich nun tun? Unwillkürlich treten mir Tränen in die Augen und ich wende mich beschämt ab. Ganz großartig, wirklich! Jetzt gebe ich mir vor diesem Mannsbild auch noch die Blöße!

»Tränen ziehen bei mir nicht.«

Nach dieser Aussage bin ich so entgeistert, dass ich sogar vergesse zu verbergen, dass ich weine. »Sie glauben, ich tue das absichtlich?«, schniefe ich fassungslos. »Das habe ich nicht gesagt.«

»Es war aber trotzdem höchst beleidigend!«

»Interessiert mich nicht.«

»Ja, das merkt man!«

Stille senkt sich über uns und die üblichen Geräusche der Stadt, gepaart mit denen des polizeilichen Trubels um uns herum, stechen umso schärfer hervor.

Ich seufze. »Hören Sie, ich bin wirklich verzweifelt. Ich könnte Sie auch angemessen entlohnen, darüber müssen Sie sich keine Sor–«

»Sparen Sie sich den Atem«, unterbricht er mich rüde. Am liebsten würde ich mich jetzt zu Boden werfen und eine lautstarkes Klagelied anstimmen – wie ich es vor kurzem in der Oper auf der Bühne mit Jack gesehen habe – aber ich verkneife es mir. Es wäre wohl doch etwas überzogen.

Stattdessen straffe ich die Schultern, wische mir die Tränen vom Gesicht und ziehe nun meine stärksten Überredungskünste aus dem Hut: »Hören Sie, Herr...?«

»Fuchs«, antwortet er widerwillig, wie mir scheint. »Nun, Herr Fuchs. Sie haben mir ja unmissverständlich klar gemacht, dass sie nicht daran interessiert sind, mir aus meiner persönlichen Misere zu helfen...« Er nickt bestätigend. »Aber was würden Sie dazu sagen, wenn der Mann, um den es hier bei dieser Angelegenheit geht, kein geringerer als Hans Jochen-Dirner persönlich ist?«

Da fällt dem guten Herrn Fuchs doch tatsächlich das Gesicht vom Kopf. »Moment... der Immobilien-Mogul?« Höchst zufrieden mit mir selbst nicke ich feierlich.

»Ganz genau der. Sie wissen, was das für Sie bedeuten könnte, ihm behilflich zu sein? Ich helfe ihnen auf die Sprünge: Geld. Sehr viel Geld. Und Ruhm wahrscheinlich auch noch.«

Ich sehe es hinter seiner Stirn arbeiten, der Kiefer zuckt, die geraden Brauen sind zusammengezogen. Gespannt halte ich den Atem an.

Nach einer Ewigkeit, wie es sich anfühlt, hebt er den Blick. Seine harten, pechschwarzen Augen begegnen meinen. »Ich werde Ihnen helfen.« Am liebsten hätte ich himmelhochjauchzende Sprünge in die Luft getan, aber ich verkneife es mir noch gerade so – meine liebe Mama wäre zudem äußerst entsetzt.

Stattdessen halte ich ihm meine Hand hin. »Dann lassen Sie es uns mit einem Handschlag besiegeln.« Eine leichte Verwunderung darüber, dass ich als vornehme Dame nach einem Handschlag verlange, zeichnet sich kurz auf seinem Gesicht ab. Dann schlägt er ein.

Und während wir uns so die Hände schütteln, nehme ich den jungen Mann – welcher wohl in meinem Alter sein muss – näher in Augenschein. Bei ihm sind es die Äußerlichkeiten, die einen zuerst in den Bann schlagen, welche (nun, ja, ich versuche, es nett auszudrücken) recht exzentrisch anmuten. Sein Nachname ›Fuchs‹ ist sehr passend, wie ich finde.

Aber da ist noch mehr. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass eine Art unauslöschliches Feuer in ihm
brennt. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Ich weiß nämlich nicht, wofür dieses Feuer brennt: für das Gute oder das Schlechte?

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