Nicht im Plan

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Ella

»Tja, der Markus hat jetzt offiziell gekündigt. Und das auch noch während der Weihnachtszeit!« Irene seufzt. »Dabei war er doch so ein netter, junger Mann.« Ich verspüre einen Hauch schlechten Gewissens, auch wenn er eigentlich nicht wegen mir gegangen ist...

Naja, vielleicht ein bisschen.

»Ja, er war schon nett«, murmle ich ausweichend. »Der hat dich ja ganz schön gemocht, das Mannsbild.« Ich blinzele irritiert und murmle: »Wieso spricht jeder das an?« Erst hat Fox so einen Riesenzirkus veranstaltet und jetzt auch noch sie! »Na, das ist doch offensichtlich! Ich kann verstehen, dass der Fabian so an die Decke gegangen ist..."

Ich verdrehe die Augen. »Bitte sei mir nicht böse, Irene, aber Fox hat sich ja mal total danebenbenommen mit seiner blöden Eifersucht!«

»Ach, Ella-Schatz! Natürlich hat er das, er ist...« Sie verstummt. 

»Er ist was?« Sie sieht mich ernst an. »Der Mann liebt dich wirklich sehr – glaub mir, ich habe schon so einiges in meinem Leben gesehen, ich kann das beurteilen. Sei etwas nachsichtiger mit ihm.«

Ich schnaube abfällig. »Er hat sich wie der letzte Volltrottel aufgeführt!«
Da wirft sie den Kopf in den Nacken und lacht schallend. »Ja, er ist doch ein Mann! Die führen sich doch immer irgendwie auf.« Sie wird von einer erneuten Lachsalve geschüttelt und ich starre sie nur entfremdet an. Ich kann mich nicht erinnern, dass diese Frau schon mal so die Beherrschung verloren hat.

Als sie sich endlich beruhigt hat, legt sie sich seufzend die Hand an die Brust. »Ihr zwei seid noch so jung. Am besten, ihr redet einfach mal miteinander.«

»Einfach? Das nennst du einfach?!«

»Man kann es auch kompliziert machen«, merkt sie mit einem vielsagenden Blick an.

»Einer von uns beiden muss nachgeben. Fox wird das sicher nicht sein und ich erst recht nicht!« Da verdreht sie die Augen. »Ach, ihr müsstet doch zu alt für solche albernen Spielchen sein, oder?«

Ich gebe es nicht gern zu, aber sie hat recht.

...

Missmutig laufe ich nach meiner Schicht heim. Ich habe mir die Weihnachtszeit definitiv schöner vorgestellt. Dass ich Krach mit meinem Freund haben würde, das stand nicht im Plan! Und dass Jack mich hintergehen und ich einen anderen kennenlernen würde, das stand auch nicht im Plan... so einiges stand nicht im Plan!

Ich seufze schwer.

Ich gestehe es mir nur ungern ein, aber ich vermisse Fox. Diese Funkstille zwischen uns beiden ist total ätzend. Ich denke an seine schönen Augen, die mir zuerst Angst gemacht haben. Ich denke an seine vielen Sommersprossen – es müssen mehr sein, als Sterne am Himmel. Ich denke an sein seltenes Lachen, das mir jedes Mal aufs Neue den Boden unter den Füßen wegzieht. Ich denke an seine Berührungen...

Während ich das Treppenhaus hochgehe und dann die Tür zu meiner Wohnung aufschließe, fasse ich einen Entschluss: Ich werde auf Fox zugehen. Das ist doch total bescheuert, diese Stille zwischen uns. Irene hat recht. Außerdem bin ich auch einfach egoistisch – ich vermisse ihn. Bei dem Gedanken daran, ihn bald wieder küssen zu können, ihn zu spüren, fängt mein Herz an, vorfreudig zu rasen.

Völlig in Gedanken versunken schmeiße ich die Tür hinter mir zu und bemerke zuerst gar nicht, dass ein Paar klobiger, schwarzer Stiefel, die definitiv nicht mir gehören, im Flur stehen. Jetzt fällt mir auch der Plätzchengeruch auf, der in der Luft liegt...

Ich höre Schritte aus der Küche kommen und halte unwillkürlich die Luft an. Das erste, was ich sehe, sind die Haare... rostrot und verrückt, wie eh und je. Dann erscheint sein Gesicht im Türrahmen, die schwarzen Augen unverwandt auf mich gerichtet.

Mein Herz macht einen ziemlich schmerzhaften Sprung und mir stockt der Atem. Fox. Jetzt tritt er komplett aus der Küche, schwarz angezogen, wie immer. Seine Hände sind in seinen Hosentaschen und er wirkt etwas... unbeholfen. Unter seiner Blässe wird er von Sekunde zu Sekunde roter.

Ich halte mich erst gar nicht mit irgendeinem hilflosen Gestammel auf – meine Tasche fällt dumpf neben mir auf den Boden und ich stürme zu ihm.

Unsere Körper prallen heftig aufeinander, ich schlinge die Arme um seinen Nacken, strecke mich zu ihm hoch und presse meine Lippen auf seine. Mit einem tiefen Grollen zieht er mich fest an sich und erwidert den Kuss ebenso leidenschaftlich, ich vergrabe meine Hände in seinem Haar und schlinge meine Beine um ihn.

»Gott, habe ich dich vermisst!«, murmelt er an meinem Mund.

»Und ich dich erst!«

Da ich nach wie vor kein richtiges Schlafzimmer habe, trägt Fox uns zur Couch im Wohnzimmer – die nicht aufgeklappt ist. Aber das stört uns kein bisschen.

...

Meine Wange liegt auf seiner Brust, die Augen sind halb geschlossen. Ich fühle mich ganz kuschelig und müde.

»Ella.« Ich blinzele. »Hm?«

Sein Herz schlägt jetzt etwas schneller an meiner Wange. Alarmiert hebe ich den Kopf. »Fox?«, murmle ich. Seine schwarzen Augen ruhen brennend auf mir, sodass mir unwillkürlich heiß wird – schon wieder. Dieser Mann...

»Ich habe dich vermisst«, sagt er schlicht.

Ein leises Lächeln, das sich zu einem ordentlichen Grinsen auswächst, breitet sich auf meinem Gesicht aus. »Ich dich auch.« Mein Herz fühlt sich so leicht an, als könnte es gleich davonfliegen.
Sein schlanker Zeigefinger streicht mir über die Wange, dann meinen Kiefer entlang zu meinem Mund.

»Ich habe überreagiert. Ich war stur und... nicht selbstbewusst genug.« Ich stutze. »Nicht selbstbewusst?«

»Wenn ich mir meiner selbst sicherer gewesen wäre, hätte ich nicht so eifersüchtig reagiert. Es tut mir leid.«

Ich lächele warm. »Mir tut es auch leid, dass ich nicht auf dich gehört habe – im Endeffekt hattest du sogar recht, Markus wollte wirklich was von mir.«

Fox' Augen weiten sich leicht. »Hat er –«

»Er ist anständig, keine Sorge. Ich habe ihn einfach direkt gefragt und er hat's bestätigt. Allerdings hat er schon bei uns gekündigt und zieht um, wegen einem guten Jobangebot woanders. Naja, ich hoffe, diese Entscheidung hatte nicht allzu viel mit mir zu tun...«

Er schnaubt. »Mir egal, Hauptsache er haut ab.«

Ich lache. »Du bist unverbesserlich.«

Er grinst. »Hey, ich habe mir extra frei genommen und den ganzen Tag Plätzchen für dich gebacken! Du kriegst gar nichts, wenn du so weitermachst!«

Ich klimpere mit den Wimpern. »Und wenn ich ab jetzt ganz nett bin?«

»Das schaffst du nie.« Ich blitze ihn schelmisch an.

»Herausforderung angenommen.«

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