Du und dein Freund

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Ella

»Gibst du mir bitte mal die Schere vom Tresen?«

Ich greife an der Kasse vorbei und komme Markus' Bitte nach. Mit einem strahlenden Lächeln bedankt er sich.

Bald ist Ladenschluss und wir beide erstellen ein paar Bouquets, die später noch zu einer Preisverleihung geschickt werden sollen. Es ist mittlerweile dunkel draußen und der letzte Kunde ist schon vor einer Weile gegangen.

»Irene ist echt eine tolle Chefin. Ich bin sehr froh, dass sie mir den Job so schnell gegeben hat«, sagt er jetzt in die konzentrierte Stille hinein. Ich nicke und stimme zu. »Ja, sie ist super.« Daraufhin zuckt ein schelmisches Lächeln um meine Mundwinkel. »Aber verscherz' es dir bloß nicht mit ihr, sie kann auch sehr ungemütlich werden!« Er lacht. »Danke für den wertvollen Rat.«

Eine Weile arbeiten wir schweigend weiter.
Dann fragt er: »Wie lang seid ihr denn eigentlich schon zusammen, du und dein Freund?«

Ich lächle in meine Blumen hinein. »Bald vier Monate.«

»Ist also noch ganz frisch?«

»Kann man so sagen.« Ich stehe auf und kehre die abgeschnittenen Stängel und Blätter zusammen.

Er lacht leise auf. »Bitte sei mir nicht böse, aber... irgendwie fand ich den Typen ein bisschen unheimlich.«

Ich grinse. »Ja, das dachte ich auch, bevor ich ihn kennengelernt habe. Er kann schon richtig gruselig wirken manchmal, wenn man ihn nicht besser kennt.«

»Ach, so ist das also«, kommt plötzlich eine mir nur allzu bekannte, trocken-raue Stimme von der Tür hinter der Kasse.

Überrascht schnelle ich herum. »Fox, du hier?« Er sieht nicht besonders erfreut aus... und meine Frage hat es wahrscheinlich auch nicht besser gemacht.

»Ich hole dich ab. Du hast gesagt, ich soll am Hintereingang parken, weil du noch irgendeinen großen Strauß mitnehmen willst.«

Stimmt, das habe ich komplett vergessen! Ich wollte mir aus den Blumenresten etwas schönes zusammenstellen und es in Fox' kahle Wohnung schmuggeln...

Ȇbrigens bin ich hier ganz einfach reingekommen, ohne dass ihr es gemerkt habt.
Das ist mehr als schlecht! Ihr solltet hinten absperren.« Die Worte sind zwar an uns beide gerichtet, allerdings ist nur Markus derjenige, der seinen stechenden Blick zu spüren kriegt.

Was ist bloß los mit Fox?

»Du bist hier der Polizist. Wirst schon recht haben«, kommt es jetzt von Markus. Besonders nett klang das aber auch nicht. Wieso zicken die zwei sich so an? Und dann heißt es immer, Frauen fahren gern mal die Krallen aus...

***

Die Autofahrt verläuft recht still, was eigentlich
nicht ungewöhnlich ist. Aber diesmal ist das Schweigen unangenehm.

Als wir bei Fox' Haus ankommen, ist die Stille geradezu erstickend, sodass ich es nicht mehr lange aushalte und im Flur mit einem leicht genervten »Hey!« herausplatze. Er hält inne.

Sein Rücken ist mir zugewandt und ich sehe, wie seine Rückenmuskeln sich leicht anspannen. Dann dreht er sich zu mir um, die Augenbrauen herausfordernd hochgezogen.

»Du brauchst gar nicht so zu schauen! Was war das eben im Laden bitte?!«

Jetzt runzelt er verärgert die Stirn. »Was das war?! Der Typ will dir an die Wäsche, tut mir leid, dass ich das nicht so lustig finde!«

Seine sonst so gelassene Stimme klingt auf einmal total gereizt. Ich verdrehe die Augen. »Gott, nicht das schon wieder! Erstens, glaube ich nicht, dass das stimmt, und zweitens, wäre es auch egal!«

Er rauft sich die rostroten Haare. »Wie kann man nur so naiv sein, verdammt?!«

Langsam werde ich wütend. »Naiv? Machst du Witze? Nur weil ein Mann sich gut mit mir versteht, heißt das nicht, dass er gleich was von mir will! Hör mal auf, so eifersüchtig zu sein!«

»Ich bin nicht eifersüchtig!«

»Klar bist du das!«

»Ich weiß einfach, was ich gesehen und gehört habe!«

»Ach, komm! Was sollte das überhaupt, dieses Lauschen?«

»Du wollest doch, dass ich dich abhole!«

»Tja, das bereue ich schon zehnmal!«

»Schön!«

»Gut!«

»Toll!«

»Ich gebe mir das einfach nicht mehr! Tschüss, das habe ich nicht nötig!«

»Gut, da ist die Tür!«

Mit einem lauten Schnauben drehe ich mich auf dem Absatz um und stürme nach draußen. Die Blumen nehme ich mit.

Mit einem lauten Knall fällt die Tür hinter mir ins Schloss und ich zucke zusammen. Dann hebe ich entschlossen das Kinn und laufe zu meinem Block, der ja nur einen Katzensprung von Fox' Haus entfernt ist.

Mit einem Mal verschwimmt mir die Sicht und ich blinzele hektisch, was ich mir hätte sparen können – die Tränen laufen trotzdem über mein Gesicht.

Im einen Arm balanciere ich die Blumen, mit dem anderen wische ich mir übers Gesicht.

Kurze Zeit später ramme ich den Hausschlüssel förmlich in die Tür und stapfe wie ein tollwütiger Elefant die Treppen hoch.
In meiner Wohnung kann ich mich gerade noch so davon abhalten, die Tür laut hinter mir zuzuknallen. Für Stress mit den Nachbarn habe ich jetzt echt keine Nerven!

Mit rasendem Puls lege ich meine Sachen ab, den Strauß stelle ich in die Abstellkammer, da, wo ich ihn nicht sehen muss.

Mit in den Händen vergrabenem Gesicht versuche ich mich zu beruhigen und atme ein paar mal tief ein und aus... der Erfolg ist mäßig, würde ich sagen. Mit zusammengepressten Lippen trete ich ans Fenster und schaue zu der Häusersiedlung, in der er wohnt. Im funzeligen Licht der Straßenlaternen kann ich sein Haus gerade so ausmachen.

Ich bilde mir ein, dass er es spüren kann, als ich dem Haus den Mittelfinger zeige.

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