Brüder

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Ella

»Okay, immer raus damit!«

Arglos sieht er uns an. Oh, Mann, wenn er wüsste, was da gleich auf ihn zukommt, dann würde er uns nicht so freundlich anschauen.
Fox räuspert sich.

»Wir haben mit Annamarie, deiner leiblichen Mutter, gesprochen... du weißt ja, dass sie die Zwillingsschwester von meiner Mutter ist.«
Finn nickt lediglich.

Ich sage: »Mariella glaubt übrigens immer noch, dass das Ganze ein Irrtum ist.«
Bei dem Gedanken, wie sie sich fühlen wird, wenn sie erfährt, dass ihre Zwillingsschwester all die Jahre ein heimliches Kind mit ihrem
Ex-Mann hat, wird mir schlecht.

Das müssen Mariella und Annamarie unter sich ausmachen, unbedingt.

»Sie... hat uns etwas erzählt. Zu... deinem leiblichen Vater...« Stille senkt sich über uns.

Das wird jetzt sehr schwer. Fox merkt, dass ich einen Kloß im Hals habe und streicht kurz über meine Hand. Dann redet er weiter: »Du und ich haben den gleichen Vater.«

Bumm. Wow, der hat ja gar nicht lange rumgefackelt. Typisch Fox eben.

Finn blinzelt irritiert. »Ähm. Wie bitte?«

Ab hier übernehme ich wieder: »Annamarie, also deine Mutter, hat ihn in Paris kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt hatte sie allerdings keine Ahnung, dass er der Ex-Mann von ihrer Schwester ist, sie hat ihn noch nie zuvor gesehen, das war eine sehr kurze Ehe. Nachdem sie die Nacht zusammen verbracht haben, stellte sich raus, dass eine Verwechslung stattgefunden hat. Der Typ dachte nämlich, dass es sich bei Annamarie um Mariella handelte – was natürlich nicht der Fall war. Aber da war es schon passiert, sie ist schwanger geworden.«

Finn hört mir bis jetzt aufmerksam und etwas
überrascht zu, seine Gesichtsfarbe ist normal und er sieht auch nicht so aus, als würde er gleich durchdrehen.

Puh, soweit so gut.

Er sieht zu Fox und fragt: »Also hat sie es deiner Mutter nie erzählt, weil sie sich geschämt hat?« Wir nicken. Da zieht er die Brauen hoch.

»Aber sie hat es doch gar nicht gewusst! Ich meine, dass das der Ex-Mann ihrer Schwester ist... oder?« Wir nicken abermals.

Finn stützt sein Kinn auf der Handfläche ab. »Ist das auch der Grund, warum sie mich zur Adoption freigeben hat? Wollte sie nicht, dass Mariella von mir erfährt?«

Ich atme tief durch. »Wir haben noch mit Annamarie geredet, erst vor kurzem. Sie ist eine gute Frau, Finn. Sie sagte, dass sie sich entsetzlich dafür schämen würde, dich weggegeben zu haben und dass sie diese Entscheidung wie nichts anderes in ihrem Leben bereut. Euer... leiblicher Vater ist ein ziemlicher Idiot, wenn ich das mal so sagen darf... aber Annamarie ist toll. Wirklich.
Im Nachhinein weiß sie, dass das sehr falsch war, dich wegzugeben.«

Finn nickt langsam und starrt etwas entrückt auf den Teppich. Ich habe das Gefühl, dass er gleich etwas sagen wird, also warte ich geduldig bis er soweit ist.

Und tatsächlich hebt er kurze Zeit später den Blick und sagt mit bedächtiger Stimme: »Wisst ihr... es war nie so, dass ich meinen leiblichen Eltern gegenüber Groll empfunden habe, oder so etwas. Ich habe schon sehr früh erfahren, dass ich adoptiert worden bin. Mir hat tatsächlich immer irgendwas gefehlt, aber... instinktiv wusste ich, dass das nicht meine Eltern waren, sondern... du.« Jetzt schaut er Fox an.

Sie sehen sich einfach nur an, eine stille Kommunikation, an der nur die beiden teilhaben.

Sie verschwimmen vor meinen Augen und als ich schluchze merke ich, dass ich weine. Beide schauen mich an.

»Oh, Gott, sorry«, schniefe ich. Mir ist es peinlich, dass ich deren Moment durch mein Geheule kaputt gemacht habe.

Fox rückt zu mir und nimmt mich fest in den Arm, Finn beugt sich zu mir und streicht mir beruhigend über die Schulter. Es rührt mich so sehr... dass die zwei so gut harmonieren und dass Finn einfach so ein guter Mensch ist.
Wir lösen uns aus der Umarmung und ich lege den Kopf auf Fox' Schulter.

»Wie fühlst du dich?«, frage ich Finn leise.
Er lächelt warm. »Mir geht's gut. Ich bin einfach froh, dass ich euch beide kennengelernt habe. Und Moment mal...«
Er sieht Fox an. »Wir sind dann... Halbbrüder.«

»Sieht so aus.« Die beiden lächeln sich an.

»Das heißt ja, dass wir genetisch gesehen Brüder sind, nicht wahr? Weil wir den gleichen Vater haben und unsere Mütter eineiige Zwillinge sind, oder?« Er legt den Kopf schief.

»Ja, das würde theoretisch Sinn ergeben.«

»Cool.«

»Total.«

Beide werden wohl nie Meister der großen Worte sein. Doch so knapp das, was sie sagen, auch ist: es kommt von Herzen.

Foxtrott - Bonusmaterial Where stories live. Discover now