zehn

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Als ich mit einem Tablett, auf dem zwei Tassen mit Kaffee und ein Teller mit frischen Zimtschnecken stehen, das Wohnzimmer betrete, finde ich Magnus auf dem Sofa. Er liest in einem Buch und schaut hoch, als ich herein komme. Wie selbstverständlich stelle ich die Sachen ab, greife nach einer Wolldecke und lege sie ihm über die Beine.

Dankbar lächelt er kurz und nimmt dann eine der Tassen entgegen. "Danke." sagt er und ich nicke und trinke einen Schluck. "Er schmeckt so tatsächlich besser, als aus einer Maschine." sage ich und er sieht mich an. "Das stimmt aber wollen Sie im Stehen trinken oder halte ich Sie doch auf?" fragt er und mit einem Augenzwinkern setze ich mich ans Fußende des Sofas und zupfe nochmal die Decke zurecht. "Ganz und gar nicht, Magnus."

Eine Weile schweigen wir. "Möchten Sie mal probieren?" frage ich schließlich und als er nickt, lege ich eine der Zimtschnecken auf einen Teller und reiche ihn herüber. Jetzt sitzt Magnus etwas ratlos da, denn er hat jetzt in der einen Hand den Teller und in der anderen die Tasse. Er hebt die Augenbrauen und sieht mich an. "Okay, so wird es schwierig." lache ich und ich wäre nicht ich, wenn ich einmal nachdenken würde, bevor ich reagiere.

Anstatt ihm einfach seine Tasse abzunehmen, greife ich nach dem Teller und halte ihm dann das süße Gebäck vor den Mund. Etwas irritiert beisst er hinein und kaut. Er schließt die Augen und stöhnt leise. "Alexander, das schmeckt herrlich." seufzt er und ich starre ihn an. Meine Gedanken schweifen ab und ich würde seinen Mund zu gerne mit meinem erkunden.

Er sieht mich wieder an. "Sie verstehen wirklich etwas von Ihrem Handwerk." sagt er. "Wo haben Sie gelernt?" Ich muss schlucken. "Hat Cat es Ihnen nicht gesagt?" frage ich und ahne Schlimmes. Er runzelt die Stirn. "Was gesagt?" Verlegen sehe ich auf meine Hände. "Naja, ich habe meine Ausbildung nie zu Ende gemacht." sage ich leise und warte leicht panisch auf seine Reaktion.

"Sie sind gar kein Bäcker?" fragt er und ich schüttel den Kopf. "Nein, nicht so wirklich. Ich konnte mir die Ausbildung einfach nicht mehr leisten, aber ich kann trotzdem gut backen." Mein Stolz gewinnt die Überhand und ich stelle den Teller auf den Tisch. "Ich mache Ihnen alles, Magnus. Brot, Brötchen, Kuchen, Torten, Gebäck, Pralinen. Was immer Sie wollen. Ich kann das wirklich und ich....bitte werfen Sie mich nicht raus. Dieser Job ist so wichtig für mich. Wegen mir bezahlen Sie mir weniger, ich brauche nicht viel Geld und ich....."

Plötzlich greift er nach meiner Hand. "Alexander. Beruhigen Sie sich." herrscht er mich an und verwundert sehe ich zu ihm. "Ich habe nicht vor Sie rauszuschmeissen." Ich sehe verwirrt in seine braunen Augen. "Nicht?" frage ich dümmlich und starre ihn an. Er schüttelt den Kopf. "Nein. Es ist mir egal, ob Sie eine Ausbildung haben oder nicht. Sie machen Ihren Job verdammt gut. Das ist alles was zählt." Kurz drückt er meine Hand, bevor er sie zurück zieht.

Sprachlos sehe ich zu ihm aber er trinkt gerade einen Schluck Kaffee. Er scheint das Thema als beendet anzusehen, denn er schneidet ein anderes an. "Woher kommen Sie?" Ich brauche einen Moment, um zu antworten. "Hier aus New York, aber aus einer etwas anderen Gegend." Er nickt. "Verstehe." antwortet er und ich schüttel den Kopf. "Nein. Tun Sie nicht. Ich komme ursprünglich aus der Bronx. Wir waren arm aber wir das Schicksal es so wollte, sind die Aktien, die mein Vater als junger Mann mal für ein paar Cent gekauft hat, plötzlich in die Höhe geschossen. Mit einem Mal hatten wir Geld im Überfluss und meine Eltern sind mit uns in die Upper Eastside gezogen." Ich seufze und fahre mir durch die Haare.

"Auf einmal konnten wir uns Dinge leisten, von denen andere nur träumen konnten. Wir sind auf eine Elite High School gegangen und die Leute haben sich um einen gerissen." Ich schnaube. "Alles geldgierige Geier, mehr nicht. Ich wollte nie dazu gehören, zu all den Söhnen und Töchtern, die sich tagsüber benommen haben und die Nachts dafür unter Alkohol zu Tieren wurden, immer mit dem Bewusstsein, dass Daddy sie überall rausboxen würde. Ich war schnell der Außenseiter, genau wie zu Hause. Weder wollte ich mein Essen von einer mir fremden Frau gekocht haben, noch von einem Chauffeur in die Schule kutschiert werden. Nach der High School hab ich meine Sachen gepackt und tja, hier bin ich."

Er sieht mich an. "Sie sagen immer wir. Haben Sie Geschwister?" fragt er und ich nicke. "Ja. Eine jüngere Schwester, Izzy und einen etwas älteren Bruder, Jace. Leider haben beide das Luxusleben genossen und sind mir fast fremd geworden. Verstehen Sie?" gebe ich zurück und er wirkt ernst. "Haben Sie keinen Kontakt mehr zu Ihnen?"

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche. "Doch, ab und zu schreiben wir mal miteinander. Vorallem mit meinem Bruder habe ich noch Kontakt. Er ist mein bester Freund. Wollen Sie sie sehen?" frage ich und er nickt. Kurzerhand schnappe ich mir seine Beine und lege sie mir über meine, damit ich näher zu ihm heran rutschen kann. Erst sieht er etwas irritiert aus aber er sagt nichts und lässt es zu.

"Sehen Sie, das hier ist meine Schwester Izzy. Ist sie nicht hübsch?" schwärme ich und zeige ihm ein Bild, was mich zusammen mit ihr zeigt. "Mhm, sehr." stimmt er zu und ich wische zum nächsten Foto. "Das ist Jace und bevor Sie fragen, er ist mein Halbbruder. Mein Dad hatte da mal einen Ausrutscher und das war das Ergebnis." erkläre ich ihm und deute auf meinen blonden Bruder. "Zum Glück ist er bei uns gelandet, seine Mutter wollte ihn nicht. Furchtbar oder?"

Ich hebe den Kopf und erwische Magnus dabei, wie er mich anstarrt. "Ist was?" frage ich und er schüttelt den Kopf. "Nein, alles in Ordnung." sagt er rau und zeigt auf mein Handy. "Zeigen Sie mir noch mehr." fordert er mich auf und begeistert, zeige ich ihm alte Aufnahmen meiner Geschwister.

Free meWhere stories live. Discover now