Kapitel 4

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Mein dritter Tag an der Akademie begann mit dem ohrenbetäubenden Geräusch von Porzellan, das auf Hartholzboden zerschellte. Verwirrt blinzelte ich in das Sonnenlicht, das durch mein Schlafzimmerfenster hereinströmte. Es war Morgen und jemand musste eine Tasse zerbrochen haben.

Verschlafen richtete ich mich auf und sah nach der Uhrzeit. Kurz nach Acht; das bedeutete, dass es höchste Zeit war, sich zu beeilen. Ich schlug die Decke mit Schwung zurück.

In den nächsten 10 Minuten kletterte ich in rekordverdächtigem Tempo aus dem Bett, wusch mir das Gesicht und schlüpfte in den erstbesten Hoodie, den ich zu fassen bekam, bevor ich in die Küche schlitterte. Mein Herz raste und ich atmete, als wäre ich einen Halbmarathon gelaufen – aber zumindest würde ich es rechtzeitig in meinen ersten Kurs schaffen. Avna und Edwin, die in der Küche beieinanderstanden, beachteten meinen Stunt gar nicht.

Die beiden waren in eine einseitige Diskussion vertieft, weshalb ich mich der heißen Tasse Kaffee, die unbeobachtet und unberührt auf einer Theke herumstand, annahm. Ich schloss genießerisch die Augen, während sich das Röstaroma in meinem Mund ausbreitete – hoffentlich würde das Koffein meinen Körper aufwecken. Meine schmerzenden Muskeln und die unterschwellige Übelkeit erinnerten mich an den gestrigen Abend und mein neuestes Problem, doch für den Moment vergrub ich das Gesicht in meiner dampfenden Tasse. In diesem Zustand würde ich keine Lösung finden.

Avna, die Edwin lauthals angemeckert hatte, schüttelte nun den Kopf und stampfte dampfend aus der Küche. Wenige Sekunden später hörte man Wasser in einer Dusche laufen.

Der Vampir seufzte schwer, bevor er sich eine frische Tasse Kaffee schnappte und am Tisch niederließ.

„Was war das?", fragte ich vorsichtig nach.

„Ich sollte nicht hier sein."

Genauso kryptisch wie man es von Vampiren erwartete. „Was meinst du?"

Er sah mich müde an, bevor er den Kopf schüttelte. Aus ihm war nicht mehr herauszubekommen.

Mit Schwung verfrachtete ich das Kaffeehäferl in die Abwasch und schnappte mir meine Tasche, die noch neben der Tür lag. Ups.

„Edwin?" Er schreckte von seiner Tasse hoch, in die er tiefer und tiefer gesunken war. Ich hatte mich beim Anblick meiner schmuddeligen Tasche wieder an Lysanders Worte erinnert. „Gibt es Regeln für die WG? Einen Putzplan oder irgendetwas, das ich wissen sollte?"

Der Vampir wirkte für einen Moment verwirrt, bevor er sachte den Kopf schüttelte. „Es gibt keine offiziellen Regeln."

„Und inoffizielle?"

Er schien einen Moment zu überlegen. „Meide Avna, wenn sie dampft. Am besten meidest du auch Lysander. Seine Freunde sind zu laut."

Mit einer Mischung aus Belustigung und Verwirrung bedankte ich mich für seine Tipps, bevor ich mir den Riemen meiner Tasche über die Schulter zog. Ich sollte mich also von allen fernhalten? Edwin schien seine eigenen Ratschläge bestens zu befolgen – soweit es ihm möglich war.

Hastig schlüpfte ich im Eingangsbereich in meine Sneaker, bevor ich einen Blick zurückwarf. Edwin bewegte sich nicht. Einer Marmorstatue gleich harrte er an der Theke aus; nicht einmal seine Brust hob und senkte sich.

„Musst du gar nicht los? Ich bin schon spät dran für die erste Stunde."

„Nein", entgegnete er und ich fragte mich, ob ich mir die Schärfe in seiner Stimme einbildete. „Ich muss nirgendwohin."

Zeit dafür, mich mit seiner merkwürdigen Laune zu beschäftigen, hatte ich keine; ich winkte noch, bevor ich aus der Tür lief. Frühstück würde heute ausfallen, wenn ich es vor dem Läuten in den Kurs schaffen wollte.

Die Akademie der Lichtalben - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt