Kapitel 3

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Die Speisehalle fanden wir halbleer vor, vermutlich weil der Unterricht zu unterschiedlichen Zeiten begann. Die Tische waren überzogen mit schmutzigem Geschirr und leeren Servierplatten und nur vereinzelt saßen Studenten daran, die müde an ihrem ersten Kaffee sippten. Zum Glück begleitete Avna mich; geübt hatte sie einen Platz an einem sauberen Tisch erspäht, wo ich es den anderen nachmachte, während sie mir von unseren gemeinsamen Kursen erzählte.

„Botanik II könnten wir zusammen haben, wenn Anthemis mich wieder nicht hochstufen will. Aber ich glaube, dieses Jahr sieht es gut für mich aus", erzählte sie mir, wieder einmal mit vollem Mund.

„Dieses Jahr?", wiederholte ich nur mit hochgezogener Augenbraue. Wie oft hatte Avna versucht, in dem Kurs aufzusteigen?

Mit vollen Backen grinste die Feueralbin mich an, als könnte sie meine Gedanken erraten, und ich entschied nicht nachzubohren. Stattdessen knabberte ich lustlos an einem Buttercroissant, bis Avna ihr Frühstück für beendet erklärt hatte und mich zu meinem Kurs bringen wollte.

„Womit quälen sie dich heute?"

Ich schmunzelte über die Formulierung. „Als Erstes muss ich zu meinem Kurs für historische Übersetzungen."

„Ah, Etymologie." Avna machte ein Gesicht, als hätte sie auf eine unreife Zitrone gebissen. „Welche Stufe hast du zugeteilt bekommen?"

Ich versuchte mich an die Email zu erinnern, mit der ich über meine Aufnahme informiert worden war, während wir uns durch die Gänge der Akademie drängten. Die Studenten trugen pralle Taschen bei sich, aus denen Lehrbücher ragten, und mir fielen zum ersten Mal die kleinen, silbernen Emblems auf, die jeder bei sich trug.

„Drei. Ich hatte schon Lateinunterricht und meine Großeltern haben darauf bestanden, dass ich mir alte Legenden und historische Albsprachen ansehe." Verboten war nur, was zu den Lichtalben gehört, fügte ich gedanklich hinzu.

Ich zog die dunkelgraue Umhängetasche enger an mich, um sie aus dem Weg eines vorbeilaufenden Werwolfs zu ziehen.

„Oh... ich habe Stufe Eins letztes Semester nicht bestanden", antwortete Avna derweil enttäuscht. Ihre Stimme drang gedämpft durch den Lärm der anderen.

Obwohl die Akademie hochangesehen war, erinnerte der tägliche Betrieb an eine gewöhnliche Schule. Ich schob es kurzerhand auf die Natur der Alben und Werwölfe, die lachend und brüllend durch die sterilen Gänge stürmten, als wäre nicht genug Essen für alle da. Avna zollte dem Chaos keine Aufmerksamkeit.

„Es läutet bald zur ersten Stunde, wieso rennen die meisten in Richtung Speisesaal?", beschwerte ich mich ungehalten, als mir ein Student im Vorbeilaufen seine froschgrüne Laptoptasche gegen den Bauch knallte. Das einzig Positive an dem ganzen Chaos war, dass ich darin untergehen könnte. Bald würde ich nur noch eine weitere Studentin der Akademie sein; Erbin oder nicht.

Ich erhielt Avnas Antwort erst, als wir in einen ruhigeren Gang abbogen. Große Glasfenster zu beiden Seiten des schmalen Korridors ließen das warme Sonnenlicht hineinfluten und Avna schüttelte sich die kurzgeschnittenen Locken aus dem Gesicht, um die frühen Sonnenstrahlen aufzufangen.

„Die älteren Schüler haben viel Freizeit, während die jüngeren Semester schuften. Viele brechen ganze Kurse ab oder zögern ihren Abschluss hinaus. Hier gibt es keine Mindestanzahl an Kursen, die du belegen musst. Man muss schon selber wissen, was gut für einen ist und was man später brauchen kann."

Während sie sprach, schnappte sie sich ein glitzerndes Haarband aus ihrer Hosentasche und band sich ohne große Sorgfalt die Haare hoch. Locken ragten wie Springfedern aus ihrem neuen Dutt. „Hier wird erwartet, dass die Schüler motiviert und intelligent genug sind, um sich selbst zu managen", ergänzte sie mit einer Grimasse. Avna glaubte sichtlich nicht an das System.

Die Akademie der Lichtalben - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt