Kapitel 17

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Zehn Stunden später waren wir der Antwort auf diese Frage noch nicht nähergekommen. Seit wir zur Wohnung zurückgekommen waren, hatten wir uns den Kopf darüber zerbrochen, wie ich meine Geschichte den Vorstandsmitgliedern glaubhaft machen konnte, aber außer ein Foto von meinen Oberarmen zu machen – mittlerweile waren sie grün und blau geworden – fiel uns nichts Nützliches ein. Selbst diese Abdrücke hätte mir Lhian oder jemand anderer verpassen können, daher hegte Arden keine großen Hoffnungen die anderen Starrköpfe des Vorstands damit zu überzeugen.

Überwachungskameras hatte die Akademie aufgrund des hohen Maßes an Privatsphäre, das die Lichtalben verlangten, nicht. Der einzige Augenzeuge war damit Roman, dem ich nicht mehr trauen wollte.

„Es ist ziemlich seltsam, dass Roman nichts von Temis gesehen oder gehört hat", stimmte Arden mir zu, während er Kaffee für uns brühte. Wir waren allein im Wohnzimmer, nachdem sich Cassia zurückgezogen hatte, um Schönheitsschlaf nachzuholen, und für die anderen der Unterricht angefangen hatte.

Cassia hatte sich überraschend entschlossen hinter mich gestellt, als wir ihr alles erzählt hatten – auch, wenn sie sich in die Angelegenheiten des Inneren Kreises weiterhin nicht einmischen wollte. Im Gegensatz zu ihr hatte Avna den Mund nach unserer Rückkehr nur noch selten aufgemacht. Obwohl sie mich im Hof lautstark verteidigt hatte, brachte ihr der Tagesanbruch die ersten Zweifel an meiner Geschichte. Ich konnte es ihr nicht verübeln; immerhin schwor ein Professor, dass er mich alleine vorgefunden hatte.

Seufzend streckte ich die Hände nach dem heißen Getränk aus, das Arden mir brachte. Edwins kyrptisches Schweigen, zusammen mit Avnas unsicheren Seitenblicken, hatte mir nicht dabei geholfen, nachzudenken. Als die beiden in den Unterricht abgezogen waren, hatte ich mich erleichtert gefühlt.

„Du bist doch auch im Vorstand", begann ich unsere Diskussion wieder aufzugreifen, doch Arden schüttelte den Kopf, als hätte er meine Gedanken gelesen. Was nicht so unwahrscheinlich war, wie ich mich rasch erinnerte.

„Ich wünschte es wäre so einfach und mein Wort als Neuling hätte eine größere Bedeutung." Er schnitt eine Grimasse. „Wenn es zu einer Abstimmung kommt, wird niemand gegen die ältesten Mitglieder stimmen. Wir müssen daran arbeiten Beweise zu finden, die sie an Romans Behauptung zweifeln lassen."

Wir hatten anfangs vorgehabt, eine Liste mit möglichen Gegenbeweisen zusammenzustellen. Das leere Stück Papier war vom Tisch auf den Boden und von dort schräg hinters Sofa gewandert, wo es mittlerweile zusammengeknüllt sein Dasein fristete und ab und zu böse Blicke von uns erntete.

Niedergeschlagen ließ ich mich in die weichen Sofapolster sinken und nippte ein wenig an meinem heißen Kaffee. „Ich wusste, dass es nicht leicht werden würde, an einer Akademie voller Lichtalben zu studieren, aber so habe ich mir das nicht vorgestellt. Noch keine zwei Wochen hier und schon stehe ich unter Mordverdacht. Ich brauche eine Pause – und ein oder zwei Gin Tonics."

Er blickte mich über den Rand seiner Tasse mitfühlend an.

„Wäre all das nie passiert, wenn ich Zephael zurück in die Gemeinschaft gefolgt wäre?"

„Die Morde sind nicht deine Schuld", stellte Arden entschieden fest. „Du hättest die Drahtzieher unterstützt, wenn du ihren Forderungen nachgegeben hättest. Indem du dich bemüht hast herauszufinden, wer der Verantwortliche ist, hast du mehr getan, als man von dir erwarten könnte."

Nicht zur Gänze überzeugt nahm ich einen weiteren großen Schluck, um einer Antwort auszuweichen. Arden schenkte mir ein wissendes Lächeln.

„Deine Art ist nicht die einzige, die Geheimnisse hat, die sie vor den Augen Außenstehender schützen möchte", begann er plötzlich. Sein Tonfall war nebensächlich, aber er erzählte langsam, als wäre er sich unsicher darüber, ob er weitersprechen sollte. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, an einen Ort gebunden zu sein. Unsicher, ob man ihn jemals verlassen werden kann. Auf diese Art sollte man nicht sein gesamtes Leben verbringen müssen."

Die Akademie der Lichtalben - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt