Kapitel 23

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Mit pochendem Herzen sah ich mich in dem weiß gestrichenen Raum um, der mit den Mitgliedern des Vorstands und einigen Wachen gefüllt war. Während von der Security erwartet wurde zu stehen, hatte man gepolsterte Sessel für die Vorstandsmitglieder aufgestellt. In einem Halbkreis angeordnet, befanden sie sich hinter einem schweren Podium, das als einziges Möbelstück älter als die Akademie wirkte. Einige Meter davor saß ich; man hatte mir einen einzelnen Sessel gerichtet, der dem gesammelten Personal gegenüberstand.

Die schwermütige Atmosphäre des Saals wurde durch die Lichtverhältnisse nicht aufgebessert. Das einzige Fenster war eine schmale und längliche Farce, die den LEDs an der Decke keine Konkurrenz machte. Das gestrige Gewitter war weitergezogen und hatte nichts als strahlend blauen Himmel zurückgelassen, aber im Inneren dieses Saals bekamen wir keine wärmenden Sonnenstrahlen ab.

Es war elf Minuten nach zehn und obwohl Arden und ich pünktlich eingetroffen waren, hatte die Anhörung nicht begonnen. Die Vorstandsmitglieder unterhielten sich leise und unter vorgehaltener Hand, während ich wartete. Keiner von ihnen wich meinem forschenden Blick aus; keiner bis auf Roman, der sich lieber mit den Dokumenten beschäftigte, die vor ihm lagen.

Ärger machte sich breit in mir und verdrängte die Nervosität der letzten Stunden. Der junge Professor war zweifelsfrei auf dem Video zu sehen gewesen; demnach war die Chance, dass er nichts mit der Verschwörung gegen mich zu tun hatte, niedrig. Trotzdem hatte er die Unverfrorenheit besessen, mir seine Hilfe vorzugaukeln. Ich atmete tief durch, bevor ich die Hände um die metallenen Armlehnen meines Stuhls schloss und versuchte, meine Wut hinunterzuschlucken. Es wäre keine weise Entscheidung, Roman vor dem versammelten Vorstand zu erwürgen – immerhin wollte ich die Anwesenden von meiner Unschuld überzeugen.

Auf der Suche nach einem freundlichen Gesicht machte ich Arden in der Reihe der Vorstandsmitglieder ausfindig. Optisch unterschied ihn wenig von den anderen; sein Anzug saß wie angegossen und die teure Armbanduhr an seinem Handgelenk glänzte im Kunstlicht; nur sein Haar wollte sich nicht geordnet legen. Die Erinnerung an seine wahre Form verschwamm bereits und mutete surreal an, obwohl die grünstichige Waldalbin neben ihm nur ein Auge nutzen konnte. Das andere war mit dichtem Efeu überwuchert, der unter ihrem Haaransatz hervorkroch.

Als er meinen Blick auf sich ruhen spürte, erzwang Arden ein Lächeln, das meinen Magen Achterbahn fahren ließ. Wenn er nicht zu einhundert Prozent davon überzeugt war, dass ich diesen Raum mit einem Freispruch verlassen würde, konnte ich daran glauben?

Der betagte Mann, der sich nach dem Eintreten in den Saal hinter dem Pult aufgestellt hatte, schüttelte seine Papiere, um die Aufmerksamkeit des Raums zu erhalten.

„Diese Anhörung ist hiermit eröffnet. Wir sind versammelt, um über die Beteiligung der Nachtalbin Epherys Marblod an den kürzlich geschehenen Morden zu entscheiden. Opfer dieser Serie sind bis dato die Waldalben Skeela Naroi und Lhian Samyr, sowie der Werwolf Michael Harris. Die genannten Studenten wurden der Beweislage nach in voller Absicht von einem Nachtalben ermordet", stellte er in sachlichem Tonfall fest. Danach schlug er die erste Seite seines Dokumentenstapels um und einige organisatorische Anweisungen für seine Kollegen folgten.

Die anderen Vorstandsmitglieder blätterten eifrig mit, wobei mir auffiel, dass Arden den Anweisungen des Sprechers mit sichtbarem Widerwillen folgte.

„Erys Marblod", fuhr der ältere Mann mit erhobener Stimme fort und ich richtete mich unwillkürlich auf. „Der aktuelle Stand der Ermittlungen bedingt, dass der Vorstand Sie für schuldig in allen drei Fällen hält. Sie sollen die Morde im Namen Ihrer Familie und der radikalen Gruppierung, der sie beigehören, begangen haben. Stimmen Sie den Anschuldigungen zu?"

Da war sie wieder; die Wut ergoss sich wie brütendheiße Lava in meinen Bauch und ich musste alle Beherrschung sammeln, die ich aufbrachte, um freundlich zu antworten. Die Versammlung hatte gerade erst begonnen, aber sie hatten bereits ein Urteil gefällt – wie sollte ich gegen solche Entschlossenheit ankommen?

Die Akademie der Lichtalben - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt