Epilog

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Gleißendes Sonnenlicht blendete mich, als ich die kühlen Gängen der Akademie verließ. Zur Feier des Semesterendes zeigte sich selbst das Wetter von seiner besten Seite, nachdem es wochenlang geregnet und gestürmt hatte. Vereinzelte Wolken trieben müßig über den Parkplatz der Akademie, der gefüllt war mit Rufen und Gelächter.

Ohne Eile ließ ich den Blick über die vertraute Szenerie vor dem Akademiegebäude schweifen. Zahllose Schüler hatten sich an diesem Vormittag versammelt, um sich von ihren Freunden zu verabschieden und das Gepäck zu verladen. Für manche ging es in die heiß ersehnten Sommerferien; für andere war es ein Abschied für immer.

Meine Aufmerksamkeit kam auf dem mitgenommenen Weekender, mit dem ich angekommen war, und meinem nagelneuen Trolley zu liegen. Zwei Jahre waren wie im Flug vergangen und nun war es an der Zeit, mein Versprechen einzulösen.

Cassia wartet auf dich, rief ich mir in Erinnerung und drehte mich langsam um mich selbst, um mir die Gebäude der Akademie gut einzuprägen. Zwei Jahre waren nicht annähernd genug Zeit gewesen, aber die Uhr tickte. Zephaels Geduld neigte sich trotz – oder, wie böse Zungen behaupten würden, gerade wegen – Cassias Gegenwart dem Ende zu.

Schwere Schritte in meinem Rücken ließen mich herumschnellen, bis ich mich Auge in Auge mit Avna wiederfand. Die Feueralbin trug ein bedrucktes T-Shirt und Jeansshorts, die hauptsächlich aus Rissen bestanden – aber im Gegensatz zu den anderen Studenten hatte sie kein Gepäck bei sich. Ihr Abschluss war noch nicht in trockenen Tüchern; ob sie nach Alfheim zurückkehren oder ein weiteres Semester an der Akademie festhängen würde, hing von ihrer Leistung bei den Sommerprüfungen ab.

„Du wirst doch nicht sentimental, oder?", wollte sie wissen. Die Hände fest in ihre Seiten gestemmt, grinste sie mich herausfordernd an.

„Ich habe nur nach dir Ausschau gehalten", erwiderte ich unaufrichtig. Obwohl ich meinem Abschluss gefasst entgegengeblickt hatte, fühlte es sich unwirklich an, diesen Ort für immer zu verlassen. Die tränenreichen Umarmungen und Koffer, über die man alle paar Meter zu stolpern drohte, machten deutlich, dass der Moment des Abschieds gekommen war. „Ich dachte schon, du bist im Speisesaal hängen geblieben."

„Das Fischfilet hat mich fast dazu überredet zu bleiben, aber wir müssen uns doch voneinander verabschieden." Avnas breites Grinsen täuschte, denn ich wusste, dass sie jedes Wort ernst gemeint hatte. Vermutlich würde sie gleich nach unserem Gespräch zurück in den Speisesaal laufen.

„Ich werde die Akademie vermissen – und dich natürlich auch. All das hier war ... anders. Nicht immer einfach, aber eine willkommene Abwechslung", gab ich ehrlich zu.

Avna klopfte mir auf den Rücken – ein wenig zu fest, wie erwartet. „Cassia wartet auf dich und du weißt, dass sie mir Angst macht, also werde ich einen Teufel tun und dich aufhalten."

Mein Blick glitt zu den Stiefeletten, die sie heute trug. Avna folgte meinem Blick.

„Denkst du, Cassia möchte ihre Schuhe zurück?", fragte sie unschuldig.

Ich starrte Avna für eine gestrichene Minute an, bevor ich entschieden den Kopf schüttelte. Sie grummelte etwas von Wollt' nur mal fragen.

Beim Gedanken an Cassia erinnerte ich mich an das Ziel meiner Reise und meine Mundwinkel sackten ab, zusammen mit meiner guten Laune. Reiß dich zusammen, sagte ich mir selbst. Du hast dich bereits dafür entschieden.

Avna bemerkte, dass meine Stimmung umgeschwungen war, und suchte nach einer geeigneten Ablenkung. Ihre dunkelbraunen Augen huschten über den gekiesten Vorplatz der Akademie, bis sie auf einer schlanken Silhouette zu liegen kamen. „Sieh mal, da versteckt sich der Professor."

Die Akademie der Lichtalben - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt