Kapitel 21

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„Schön dich so bald wiederzusehen." Der Blick meines Großvaters glitt missbilligend über meine Aufmachung, die aus einer abgetragenen Jeans mit Tanktop bestand, bevor er die Unterarme auf den Tisch stützte und sein Raubtierlächeln zeigte. Die herbstliche Hitzewelle hatte ihn selbst nicht davon abgehalten, einen Anzug zu tragen.

Bei seinem Anblick stellten sich die Haare in meinem Nacken auf, aber ich versuchte mir nach außen hin nichts anmerken zu lassen. „Ich nehme an, du möchtest mir über deine Fortschritte berichten?"

In Anbetracht der Tatsache, dass er nach mir geschickt hatte und nicht umgekehrt, fand ich die Formulierung seltsam – trotzdem nickte ich artig. Das Wichtigste hatte ich ihm bereits nach Cassias Rückkehr per SMS geschickt: Kilian Rost war harmloser als eine Eintagsfliege, kannte die Erwählten nur aufgrund seines Historik-Kurses und hatte die Gemeinschaft kein bisschen zu interessieren.

Mit irgendeinem Teil meiner Arbeit war Zephael jedoch nicht zufrieden; sonst würde ich nicht hier sitzen, sondern direkt an meiner nächsten Aufgabe arbeiten.

„W- Ich habe mit Kilian gesprochen und bin mir ziemlich sicher, dass er kein Erwählter ist. Als durchschnittlicher Schüler ist er nie aufgefallen, weder positiv noch negativ", trug ich ihm Cassias Erkenntnisse des Nachmittags noch einmal vor. Ihre Beteiligung vergaß ich geflissentlich zu erwähnen, denn Zephael wäre nicht glücklich darüber, dass ich meine Loyalitätsprüfung an jemand anderen weitergegeben hatte.

Er faltete die Hände am Tisch und sah mich für einen Moment abwartend an, als erwartete er weitere Informationen. Beunruhigt erwiderte ich den stählernen Blick. Trotz meines luftigen Tanktops begann ich zu schwitzen, während ich fieberhaft nach etwas suchte, das ich berichten könnte. Als das Kräftemessen seinen unvermeidbaren Ausgang nahm und ich den Blick senkte, begann Zephael wieder zu lächeln und lehnte sich in seinem gepolsterten Bürosessel zurück.

Das Knarzen des Leders jagte mir einen Schauer den Rücken hinab, wofür ich mich innerlich schalt. Kein Grund überzureagieren – bisher läuft alles wie geplant.

„Ich bin stolz darauf, dass meine Enkelin die wichtige Aufgabe, die ich ihr im Vertrauen übertragen habe, in einer wahren Rekordzeit gemeistert hat. Ich frage mich nur, weshalb sie es für nötig gehalten hat, hinter meinem Rücken eine dritte Person einzuschalten." Das falsche Lächeln verschwand von seinem Gesicht und hinterließ eine steinerne Maske.

Mein Herz hatte für eine Sekunde ausgesetzt, als mir klar wurde, dass er Bescheid wusste. Nun begann es wie wild zu schlagen, und ich lenkte meinen Blick auf die Bäume vor dem Fenster, um Zephael nicht ansehen zu müssen. Denk nach, Erys.

Eine heftige Böe brachte die Baumwipfel dazu, sich tief zu verneigen. Das Rauschen des Windes, gegen den die Blätter um ihr Leben kämpften, war für eine Weile das einzige Geräusch, das den Raum erfüllte.

„Cassia trägt keine Schuld, aber ich konnte nicht aus der Wohnung, also musste ich –"

Zephael unterbrach mich ungeduldig, bevor ich mit meinem Argument abgeschlossen hatte. „Deine Gründe interessieren mich nicht. Du hast ohne mein Einverständnis gehandelt, das ist die Hauptsache. Du hattest deine Chance, mein Vertrauen zurückzugewinnen, aber du hast mich enttäuscht – wieder einmal."

Eine Mischung aus Angst und Wut flutete meinen Körper; ich hatte ihn enttäuscht? „Aber Cassia –"

„Was das Mädchen angeht, das mit dir unter einer Decke steckt, so wird sie in keine Schwierigkeiten geraten. Sie hat mehr getan, als von ihr erwartet wurde. Ich habe bereits mit ihr gesprochen und bin äußerst zufrieden mit ihrem Engagement für die Gemeinschaft."

Er machte eine Geste in Richtung der Tür und Quinth, der unser Gespräch aus den Schatten verfolgt hatte, öffnete sie. Mit wachsender Nervosität beobachtete ich, wie er Cassia am Arm hereinführte. Sie sah keinen von uns direkt an, sondern taxierte das Inventar von Zephael Schreibtisch. Für den Bruchteil einer Sekunde zog ich in Erwähnung, dass sie meinem Großvater alles veraten hatte, um Bonuspunkte zu sammeln.

Die Akademie der Lichtalben - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt