38.

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Jessica stöhnt auf, als die Kamera Richtung Wand und in eine neue Szene schwenkt.
"Warum?! Warum brechen sie immer an solchen Stellen ab?"
Sie reißt die Hände in die Luft und wirft dabei beinahe die Schale mit den Chips von ihrem Schoß.
Wir haben es uns auf der weißen Couch im Wohnzimmer bequem gemacht. 

Eine Unmenge an Snacks ist vor uns ausgebreitet und der Fernseher auf Kinolautstärke eingestellt, um Bens schreckliche Rockmusik zu übertönen.
Selbst einen Mädelsabend mit Jess will er mir kaputt machen.
Ich lege lachend den Kopf nach hinten und beobachte meine Freundin dabei, wie sie sich aufregt.

Sie mag vielleicht immer so tun, als ob sie diese Serie nur mir zu liebe mit anschaut, aber tief in ihrem Inneren liebt sie die Unterwelt und Shadowhunters doch fast genauso sehr wie ich es tue.
Ich kann kaum aufhören zu lachen, als sie Anstalten macht, die Fernbedienung in den Bildschirm zu schleudern.

"Sieh mal! Die haben ja eure Gläser."
Begeistert zeigt sie nach wenigen Minuten zu unserer Vitrine, in der das Kristall aufbewahrt wird.
Mir vergeht das Lachen, Jess bemerkt es nicht.
Dieses Geschirr hat Mom früher immer bei intimen Familienfeiern herausgeholt. Als wir noch eine Familie waren.

Ich ziehe meine Knie an und lege mein Kinn auf ihnen ab.
Mit aller Macht versuche ich mich auf den Moment zu konzentrieren und nicht an Vergangenes zu denken.
Jessica beugt sich vor und zieht die Cola vom Couchtisch.

Ich schüttele den Kopf, als sie mir die Flasche anbietet.
Irgendwann verstummt selbst die laute Musik aus Bens Zimmer und als Jess sich verabschiedet und mich lange und fest in der Eingangshalle umarmt, ist es im Haus wieder totenstill.
"Lern nicht mehr so viel", sagt Jessica und öffnet die Haustür.

"Ehrlich gesagt, habe ich das heute wirklich nicht mehr vor", lache ich.
Eisblaue Augen mustern mich überrascht.
"Du hast dich wirklich verändert ... Und ich werde noch herausfinden, warum."
Es ist mehr eine Drohung, als ein lauter Gedanke. Doch sie zeigt mir schnell ihre weißen Zähne und verschwindet in die Nacht.

Ich bleibe in der Eingangshalle stehen, bis ich ihr Auto davonfahren höre, dann lösche ich das Licht.
Am nächsten Tag vertiefe ich mich wirklich in meine Bücher und lege nur zum Essen längere Pausen ein.
Ben verschwindet am Nachmittag und kehrt erst in der Dämmerung wieder.

Ich warte am Fuße der Treppe auf ihn, frage, wo er war.
Mehr als ein: "Geht dich nichts an" bekomme ich nicht.
Mit einem unwohlen Gefühl in der Brust liege ich nun im Bett, Lehrbücher um mich herum ausgebreitet, eine Tasse Kakao neben mir auf dem Nachttisch.

Ich verfluche mich dafür, dass ich in den letzten Wochen so wenig für die Uni gemacht habe.
Die letzten Prüfungen für dieses Semester stehen so gut wie vor der Tür und ich hänge in mindestens drei Kursen gefährlich hinterher.
Gerade in Management und französischer Kunstgeschichte habe ich den Anschluss verloren.

Ich bin gerade dabei die wichtigsten französischen Künstler des achtzehnten Jahrhunderts in einer leuchtend roten Farbe aufzuschreiben, da wird mein Murmeln der Jahreszahlen vom Leuten unsere Klingel unterbrochen.
Ich erschrecke mich, zucke zusammen und lasse beinahe meinen Stift auf die Bettdecke fallen.

Es ist bereits halb zehn.
Ich warte, ob der Jemand vor der Tür ein weiteres Mal klingelt oder ob ich im Bett bleiben und so tun kann, als ob ich nichts gehört habe.
Stille.

Vielleicht hat sich Ben nochmal rausgeschlichen, ohne das ich es bemerkt habe.
Ich schwinge mich aus dem Bett und ziehe mir eine graue Jacke über, passend zu meiner lila Yogahose.
Doch als ich Bens Zimmertür öffne, blickt mein Bruder mit Fragezeichen im Gesicht von seinem Computer auf.

Er hebt den großen Kopfhörer von einem Ohr ab.
"Ist was?"
Ich schüttele den Kopf.
"Nein. Gute Nacht."

"Gute Nacht?", kommt es durch die weiße Tür, nachdem ich sie schon wieder hinter mir zugezogen habe. Es klang mehr nach einer Frage.
Dad kann nicht draußen stehen. Er würde nie eine Geschäftsreise früher beenden oder seine Schlüssel verlieren.

Mein Herz beginnt sich bei dem Gedanken, wer da sonst noch vor der Tür stehen könnte, zusammenzuziehen.
In langsamem Tempo tragen mich meine Füße die Treppe herunter.
Ich warte auf ein weiteres Klingeln, auf ein Geräusch, das die Stille um mich herum zerschneiden würde.

Die Außenbeleuchtung scheint durch das kleine Fenster in der Haustür und erhellt die schwarze Eingangshalle.
Ich halte auf der letzten Treppenstufe inne.
Die Kälte des Marmors zieht in meine Knochen.

Ich weiß, wer vor unserem Haus steht, als ich neben der Garderobe stehe und bekannte Konturen von Schultern und Oberkörper ausmachen kann.
Die plötzliche Gänsehaut verschwindet, wird vertrieben von Hitze und Schmetterlingen im Bauch.
Mit flinken Finger drehe ich den Schlüssel um und reiße die Tür auf.

Mein freudiges Hallo bleibt mir im Hals stecken, meine Freude verpufft.
"Was zur Hölle ist passiert?!"
Entgeistert legt sich eine Hand über meinen Mund, als ich die Blutspur verfolge, die sich von Jaces Schläfe über seinen Hals zieht und sich in seinem schwarzen Shirt verliert.

Er stützt sich mit einer Hand an die Hauswand, steht breitbeinig und leicht vorgebeugt. Ich habe Angst, dass er jeden Moment zusammenbricht.
"Jace, bitte rede mit mir, muss ich einen Krankenwagen rufen?"
Als dieses Wort über meine Lippen kommt, hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Nicht schon wieder ein Krankenwagen in unserer Auffahrt.

Jace schüttelt den Kopf.
Seine schwarze Mütze hängt schief in seiner Stirn, saugt rotes Blut auf, das im Stoff plötzlich unsichtbar wird.
Ein Husten kommt tief aus seinen Lungen und er lässt von der Hauswand ab. 

Ich eile ihm entgegen und lege einen Arm um seine Taille. Er ist schweißgebadet.
"Was ist passiert?", frage ich ein weiteres Mal, leiser, eindringlicher.
Doch wieder erhalte ich keine Antwort.

Der junge Mann ist mit husten beschäftigt.
Ich spüre unter meinen Händen, wie schwer es ihm fällt, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. 
Er hebt die reche Hand, seine Finger zittern, als er sie an die Nase legt und über diese wischt.
Dabei verteilt er eine Blutspur auf seiner Wange.

"Lass das, du machst es nur noch schlimmer", sage ich mit zusammengepressten Zähnen.
Ich versuche krampfhaft seinem Gewicht standzuhalten und presse meine Schulter in seine, um ihn zu stützen.
Dabei scheine ich eine schmerzhafte Stelle zu drücken. Er zischt auf und presst die Augen zusammen.

"Scheiße. Ich glaube, du musst wirklich ins Krankenhaus."
Panisch blicke ich die Einfahrt hinab.
Ich habe kein Auto. Dad ist mit seinem weg. 
Ich werde um den Krankenwagen nicht herumkommen. 

Langsam führe ich Jace ins Haus.
Er strengt sich wirklich an, seine Füße schnell zu heben und mit mir Schritt zu halten.
Ich kann gerade zu sehen, wie weich seine Knie sein müssen.
Als wir es über die Türschwelle geschafft haben und die frische Nachtluft aufsperren, blickt er mich aus verschleierten Augen an.

"Es tut mir leid. Ich wusste nicht, wo ich sonst hinsollte." 

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Song: Me - The 1975 (<3)

Good evening :)

A 'not so nice' chapter, i know :( 
Jacey baby got hurt (stole that nickname from KiriHoran77 hrhr)

Ich habe heute besagte Kekse für den Muttertag gebacken & Leute ... sie sind himmlisch! Wirklich! Schmecken fast ein bisschen nach Marzipan... 

Und dann war ich noch im Garten fleißig. 'Das gute Wetter muss man ja ausnutzen', wie einer unserer Nachbarn so schön sagte xD Ich habe mein Blumenbeet ausgesät :)

Und morgen ist Sonne angesagt! Endlich!

Was glaubt ihr, ist Jace passiert? (Gute Frage Lisa, als ob das nicht halbwegs offensichtlich ist xD)

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt