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"Ich hasse es, wenn deine Glückskekssprüche so weise sind, dass ich nichts gegen sie sagen kann", grummle ich leise, froh darüber Jace und seine gelockten Haare nun wieder klar vor mir zu sehen.
"Dieser James mag ein Arsch sein, aber wenn nicht er Bens Dealer wäre, wäre es ein anderer. Es gibt immer jemanden. Und vielleicht fühlt sich James ja ein bisschen verantwortlich und -"

"Nein!", unterbreche ich ihn bestimmt und schüttle den Kopf. "Mein Bruder ist James scheiß egal! Er ist ein verlogenes -"
Eine warme Hand legt sich auf meine linke Wange und bringt mich zum Schweigen.
"Da draußen gibt es aber noch ganz andere Drogendealer. Nämlich die, die dir Scheiße verkaufen, die dich am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen lässt, weil sie den Stoff so gestreckt haben, dass du auch genauso gut Bleichmittel oder Dünger hättest fressen können."

Seine Stimme ist ruhig, als diese abscheulichen Worte über seine Lippen kommen. Aber in seinen Augen tobt das Feuer von unbändiger Wut.
"Ich habe auf der Straße schon mehr als einen Freund an solche Arschlöcher verloren und ich weiß, du willst das jetzt nicht hören; aber sei froh, dass dein Bruder James hat. James dealt aus Spaß, nicht weil er damit sein Geld verdienen muss."

Ich schlage die Augen nieder.
Manchmal vergesse ich, dass er so viel mehr weiß, als ich. Er hat viel mehr von dieser Welt gesehen.
Ich lebe in meiner zerbrochenen, heilen Welt mit den immer gleichen Gesichtern und wiederkehrenden Problemen, während Jace Erfahrungen gesammelt hat, gekämpft hat - immerhin ist er jetzt hier.

Ich komme mir ihm gegenüber wie ein Kind vor, unerfahren und verzogen. Ein Kind, das vor seinen Problemen davon läuft, sie nicht mit klarem Kopf angeht, so wie er es tut.
Nach einer Ewigkeit des Schweigens füllt seine warme Stimme wieder den Raum und ich fahre seine scharfen Gesichtszüge mit den Augen nach.

"Außerdem hättest nicht du für deinen Bruder da sein müssen, sondern deine Eltern. Sie, vor allem dein Vater, können diese Verantwortung nicht auf dich abwälzen. Nur weil sie in ihrer Rolle versagen, heißt das nicht, dass du dafür hinhalten musst. Für keine Benefizgala, für keinen Gesprächsanreiz mit Partnern deines Vaters und schon gar nicht für die Sache mit deinem Bruder. Was hat dein Vater eigentlich unternommen, als du ihm von der Sache mit James und den Drogen erzählt hast?"

Meine Finger erscheinen plötzlich interessanter, als Jaces markantes Gesicht. Sie haben keinen Mund, der solche Fragen stellen und mich in Bedrängnis bringen kann.
"Er und die Marisons haben die Sache unter sich geklärt", bringe ich hervor.
Ich verstehe meine Worte selbst kaum, so leise spreche ich.

"Was?"
Ekel schwing in Jaces Stimme mit. Ich spüre, wie sich seine Beinmuskulatur anspannt.
"Er hat gesagt, dass das der beste Weg für Ben wäre. Für uns alle. Seitdem meiden sich unsere Familien ... Es ist eine unausgesprochene Regel. Und es ist besser so, das sehe ich auch ein."
Ich umwickle meine Hand mit dem Saum meines Shirts.

Ich habe jemandem noch nie so viel über die Geheimnisse meiner Familie erzählt. Und jetzt weiß ich auch, warum.
Diese Geheimnisse kann man niemandem erzählen, denn man kann sie nicht rechtfertigen und als bloßer Teil dieser Familie habe ich mich mitschuldig gemacht, das weiß ich.
Ich habe geschwiegen, zu allem. Und damit habe ich mein Recht, Anklage zu erheben, verloren.

"Dad hat damals gesagt, dass die Polizei Ben nur noch mehr aufwühlen würde und das sie uns auch nicht helfen könnten. Wahrscheinlich hatte er damit wirklich recht. Die Marisons sind einflussreich, James hätte sich bestimmt nicht ernsthaft verantworten müssen."
Jace seufzt. Tief.
Danach hustet er.

Ich will gerade von ihm abrücken, mein Gewicht von seiner Seite entfernen, da ebbt der Husten ab und Jace räuspert sich.
"Dein Vater hat es also so hingestellt, dass dein Schweigen Ben schützt und nicht den Ruf deines Vaters?", fragt er langsam und hebt eine Augenbraue.

Ich wünschte, ich könnte auch nur eine Augenbraue hochziehen, um ihm mit demselben Blick zu begegnen. Aber ich bin ihm in dieser Sache, wie in vielen anderen, unterlegen.
"Ja. Und ich weiß, dass das falsch war, wirklich! Aber Ben lag gerade im Krankenhaus und ich hatte einfach Angst um ihn und mein Dad hat mich zur Seite genommen und mich vor vollendete Tatsachen gestellt und gesagt, ich solle James vergessen und ..."

"Oh Ophelia."
Jace zieht mich an sich und legt sein Kinn auf meinen Kopf.
Ich schließe die Augen und versuche die Tränen in meinen Augen zu halten. Sein Hemd ist bereits völlig durchnässt. Ich haben kleine Teiche und Pfützen auf dem gelben Stoff entstehen lassen. Es sieht fast so aus, als wäre eine Katze mit nassen Pfoten über ihn gelaufen.

"Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen", sagt er in mein Haar und seufzt erneut.
Ich höre seine Lungen neben mir rasseln.
Wenn er bei mir ist, dann habe ich manchmal sogar das Gefühl, dass ich das nicht muss.
Ich möchte ihm genau das sagen, aber im Moment finde ich keine Worte und mir fehlt die Kraft nach ihnen zu suchen.

Ich atme seinen waldigen, frischen Geruch ein und finde Ruhe und letztendlich Schlaf an seiner Brust.

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Song: In The Middel Of It All - Citizen

Late again xD Hi :)

Ich habe jetzt offiziell Ferien, weil ich meine letzten Aufgaben heute erledigt habe, yay! Und? Hatte ich heute "Freizeit"? Nop, nicht wirklich. Na ja wat solls xD

Könntet ihr in so einer Situation so verständnisvoll wie Jace sein? Ich glaube, ich könnte nicht so ruhig bleiben... Zu viele so's....

Bis morgen my loves <3

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt