16.

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"Trotzdem glaube ich dir nicht, dass die Gala der einzige Grund für dein seltsames Verhalten in der letzten Woche war. Du bist vielleicht eine Träumerin, Ophelia, aber da ist dieser merkwürdige Ausdruck in deinen Augen ..."
Jessica lehnt sich zurück und blickt mich aus schmalen Augen prüfend an.

Ich winde mich unter ihrem Blick und greife verlegen nach meinem Kaffee.
"Ich weiß nicht, was du meinst."
Sie lässt den Kopf mit einem Stöhnen fallen und ringt mit den Händen. Ihr silberner Nagellack glitzert im Licht.

"Wenn du nicht darüber reden willst -"
"Worüber denn", lache ich verzweifelt. "Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Ich jedenfalls kann keine Veränderung an mir feststellen."
"Du schaust dir ja auch nicht jeden Tag ins Gesicht, wenn du auf dem Fenster guckst oder neben mir in der Cafeteria sitzt und in deinem Essen herumstocherst."

Ich trinke einen großen Schluck und betrachte die goldbraune Flüssigkeit.
Jessica seufzt schwer, lässt das leidige Thema dann aber endlich fallen.
Sie hat mich heute Nachmittag zu einem Mädelsnachmittag entführt, der darin bestand, dass wir uns drei Folgen Teen Wolf angeschaut und uns die Nägel lackiert haben.

Ich habe nur zugestimmt, weil ich der Meinung gewesen bin, eine Ablenkung von Zuhause bitter nötig zu haben.
Es zeigt sich, dass ich meinen Kopf auch in Jessicas Zimmer nicht vollständig abstellen kann.
Da ist zu viel, über das ich nachdenken muss.

Meine Mutter ist nach der Gala hinaus in die Nacht gegangen und nicht wiedergekommen. Ich weiß nicht, wohin sie immer verschwindet.
Mittlerweile muss sie sich eine Wohnung gekauft haben. Oder sie lebt mit jemand neuem zusammen.

Der bloße Gedanke an solch eine Grausamkeit lässt mein Inneres schrumpfen, bis nicht mehr als ein kleines, zusammengerolltes Etwas übrig bleibt.
Benno hat seit unserem Streit am Sonntag kein Wort mehr mit mir gewechselt und straft mich mit der berühmten, kalten Schulter.

Er weiß, wie sehr ich es hasse, wenn man nicht mit mir redet, wenn man mich ignoriert und ausgrenzt. Das war schon immer seine mächtigste Waffe gegen mich.
Und Dad ... ist Dad. Er arbeitet, verlässt das Haus früh am Morgen, kommt spät am Abend wieder und hält mich die Nacht lang wach, weil er in seinem Arbeitszimmer steht und Leute am Telefon anschreit.

Ich kneife die Augen zusammen.
Ich habe Jessica damit schon oft genug die Ohren zu geheult. Ich wollte nicht noch einen Nachmittag damit verschwenden, meine Probleme vor ihr auszubreiten.
Die einzige Lösung, zu der wir jedes Mal kommen, ist, dass ich nichts machen kann. Ich bin machtlos. Und ich hasse dieses Gefühlt!

"Wie lief deine Geschichtsklausur?", wechsle ich das Thema.
"Oh nein! Wir reden nicht über die Uni - auf keinen Fall! Ich habe einen zwanzigseitigen Aufsatz, der auf mich wartet", sagt sie und deutet auf ihren Schreibtisch, auf dem sich Bücher, Mappen, Zettel und undefinierbare Gegenstände unter dem ganzen Papier türmen.

Wenn sie aufräumen würde, würde ihr das Lernen vielleicht nicht mehr so schwerfallen. Aber auf diesem Gebiet habe ich mir schon den Mund fusselig geredet.
Ich ziehe die Schultern hoch und stelle meine Tasse ab.
"Ich würde wirklich noch gerne bleiben, aber ich glaube", ich schiele zur Uhr auf ihrem Nachtschrank, "ich muss nach Hause. Da wartet nämlich noch ein Gruppenprojekt auf mich."

Jess schiebt ihre Unterlippe vor und blickt mich durch ihre dichten, getuschten Wimpern an.
Ich halte ihrem Blick und der stummen Bitten stand.
"Na schön!", gibt sie schließlich nach und erhebt sich.
"Und ich dachte, ich hätte die Chance, dich auf eine weitere Folge festzunageln."

Ich kichere.
"Ich, im Gegensatz zu dir, mache meine Hausaufgaben eben gewissenhaft und gleich wenn ich sie aufbekomme."
Damit spiele ich auf ein Projekt an, dass sie letzten Sommer einen Tag vor Abgabe angefangen hat und natürlich haushoch durchgefallen ist.

Sie droht an, mich mit ihren Autoschlüsseln abzuwerfen.
Lachend verlassen wir ihr Zimmer, nachdem ich meine sieben Sachen zusammengesucht habe.
Der Blick auf die Uhr hat mir verraten, dass es bereits einundzwanzig Uhr ist und ich über fünf Stunden bei meiner Freundin verbracht habe.

"Tut mir leid, dass du mich jetzt noch nach Hause fahren musst", sage ich schuldig, als wir uns in ihr Auto schwingen.
Jess wirft mir einen Seitenblick zu, der mehr sagt als tausend Worte.

"Wenn ich bei dir vorbeikomme, dich rausklingle und sage, ich nehme dich jetzt mit zu mir, dann werde ich auch mit den Konsequenzen, die daraus entstehen, leben können. Diese bestehen übrigens lediglich darin, meine beste Freundin nach Hause zufahren. Ich werde es überleben."
Ihr Augen funkeln belustigt, als ich zu ihr herüberblicke.

"Ich hab's verstanden."
Abwehrend hebe ich die Hände und ergebe mich.
Die gesamte Fahrt über hören wir alte Taylor Swift Songs und singen zu den fremden Autofahrern, die genötigt sind, neben uns an den Ampeln zu halten.

Als Jess in unsere Auffahrt einbiegt, stutze ich.
Dads Garage ist verschlossen, er muss also schon Zuhause sein.
Doch der Fakt, das Moms Auto ebenfalls in der Einfahrt steht, zieht mir den Boden unter den Füßen weg.

"Oh", entfährt es dem Mädchen neben mir.
Ich nehme sie nur noch am Rande wahr.
"Irgendetwas stimmt hier nicht", spreche ich meine Gedanken laut aus.
"Nur weil deine Mutter da ist? Mach dich nicht verrückt, vielleicht bleibt sie ja."

Ich wische alle Hoffnung aus Jessicas blassem Gesicht, als ich ihr einen eiskalten Blick zuwerfe.
"Das glaube ich nicht."
Ich öffne die Tür. Meine Hand hat mit einem Mal zu zittern angefangen. Verdammt.
"Ruf mich an, ja?"

Ich nicke ihr zu, danke ihr noch einmal halbherzig für die Fahrt und laufe zum Haus.
Ich schaffe es nicht, meinen Schlüssel im Türschloss umzudrehen, denn die Tür wird vor mir geöffnet.
"Da bist du ja endlich", sagt mein Vater.
Sein Gesicht ist eine ausdruckslose Leinwand.

Ich ziehe die Schultern ein, fühle mich schuldig, wie ein kleines Kind, das beim Süßigkeiten klauen erwischt wurde.
"Ich war bei Jess", versuche ich zu erklären.
"Das habe ich gesehen."

Er lässt die Tür etwas zu schwungvoll ins Schlossfallen.
"Deine Mutter wartet im Wohnzimmer."
"Habe ich irgendetwas vergessen? Wollten wir uns heute treffen?"
Hektisch ziehe ich meinen Mantel aus und überlege krampfhaft, ob ich einen Eintrag in meinem Kalender übersehen habe.

Meine Mutter sitzt aufrecht auf unserer Ledercouch.
Ihre Füße sind ordentlich im rechten Winkel zu ihren Oberschenkeln platziert.
Ich bleibe auf dem weißen Teppich stehen und kann sie nur anstarren.
"Was ist passiert?"

Mit einer gefassten Miene wendet sie mir das aufgedunsene Gesicht zu, das bis eben noch dem großen Fenster zugewendet war, und räuspert sich.
"Dein Bruder hatte einen Unfall."
Ich spüre wie Dad den Raum betritt, aber ich kann mich nicht zu ihm umdrehen.

Ich kann gar nichts.
Meine Lungen japsen nach Luft, meine Hände zittern noch mehr als zuvor und plötzlich nehme ich die Frau auf der Couch nur noch als ein verschwommenes Etwas wahr.
"Was für einen Unfall?", presse ich mühsam hervor.

Am liebsten würde ich mir die Ohren zu halten, aus Angst vor der drohenden Antwort.
Der Oberkörper meiner Mutter hebt sich. Sie atmet eine ganze Weile nicht aus, bis sie sagt: "Er ist gegen einen Baum gefahren."

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Song: Don't forget about me - CLOVES

Helloooooo :)

Der Klavierstimmer hat 1 1/2 Stunden gebraucht LOL (ich mag es irgendwie nicht, wenn lol großgeschrieben wird ... lol)

Na ja, jetzt klingt mein Klavier wieder ein bisschen besser - aber nur ein bisschen. UND die Sonne scheint! Herrlich.

Ignoriere ich gerade den Fakt, dass Ben einen Unfall hatte? Nicht bewusst. Well...

Freut euch auf Morgen ;P

All my Love,
Lisa xoxo

P.S. TEEN WOLF IST EINE DER BESTEN SERIEN EVER! I grew up on that shit! Seufz.

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt