23.

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Zum wiederholten Mal in dieser Pause schiele ich auf meine Uhr.
Die Zeit scheint wieder zu schleichen. Die Wolken vor den deckenhohen Fenster des Edgewood Collage ziehen schneller, als die Sekunden.
Irgendwo da draußen in der Entfernung von einer zwanzigminütigen Zugfahrt ist Jace.

"Wohin bist du eigentlich gestern so schnell verschwunden?", fragt Jessica.
Kurz danach höre ich das vertraute Zerplatzen einer Kaugummiblase.
Ich seufze und versuche nicht allzu genervt in ihre Richtung zu schauen.
"Ich meine, ich kann absolut verstehen, wenn du gerade nicht in Stimmung für ... irgendwas bist. Nach der Aktion von deinem Bruder verständlich, aber wir sind immer noch deine Freunde."

AJ nickt.
Ich versuche ein Lächeln.
An Ben habe ich, ehrlich gesagt, schon lange nicht mehr gedacht. So lange wie man an jemanden eben nicht mehr denken kann, der vor zwei Tagen das eigene Auto gegen einen Baum gefahren hat.

"Ophelia?"
AJs Stimme katapultiert mich zurück in die Realität.
"Mein Zug kam früher", sage ich.
Verlegen stelle ich meine Wasserflasche ab und wünschte, ich könnte einfach die Kapuze von meinem Hoddie über den Kopf ziehen und mich darunter verstecken.

"Oh wirklich? Ändern sich die Zeiten so schnell?", fragt AJ.
"Ja, manchmal", lüge ich und versuche das plötzliche Grinsen aus meinem Gesicht zu wischen.
Doch das Bild von Jace, welches gerade vor meinem inneren Auge aufgetaucht ist, stellt sich nur noch schärfer.

AJ macht ein abfälliges Geräusch und sieht mich dann ernst an.
"Trotzdem will ich, dass du weißt, dass wir hier sind, wenn du reden willst. Du hast mit uns noch nicht über Ben geredet ... und wie es ihm geht."
Er legt den Kopf schief, also ob er dadurch Einblick in meine Gedanken bekommen würde.
Mein Grinsen erstirbt.

"Momentan ist mir einfach nicht nach reden. Jedenfalls nicht, wenn es um meinen Bruder oder den Rest meiner Familie geht."
Um meiner Aussage den Wind aus den Segeln zu nehmen, zucke ich locker mit den Schultern, so wie ich es bei Jace schon so oft beobachtet habe.

Es ist verrückt, dass ich selbst jetzt - bei einer Unterhaltung mit meinen besten Freunden zwischen unseren Kursen - über Jace nachdenke.
Immerhin lerne ich ihn erst seit vorletztem Dienstag richtig kennen. Seitdem er mich nach Hause begleitet hat.
Was auch immer da zwischen uns ist, es verunsichert mich.

Mein Magen rumort bei dem Gedanken, dass er ernsthaft sauer auf mich sein könnte, nachdem ich ihm nicht mehr über meine Familie erzählen wollte.
Erwartet er von mir, dass ich ihm alles bedingungslos anvertraue?
Ich weiß ja kaum etwas über ihn ...

"Wir wollten das auch nur klarstellen."
Jessica stößt mich an und lacht. Dann zeigt sie demonstrativ auf ihre nach oben gezogene Mundwinkel und sagt: "Solltest du auch mal versuchen. Nennt sich Lachen und glaub es oder glaub es nicht: Du hast das früher sehr oft gemacht."

Ich weiß, sie meint es ironisch, nicht böse. Aber ich kann nicht anderes, als verletzt die Augenbrauen zusammenzuziehen.
"Sie hat das nicht böse gemeint, Träumerin. Wechseln wir das Thema."
"Ja, bitte", falle ich AJ ins Wort, auch wenn ich tief in mir weiß, dass sie ein kleines bisschen recht hat.

Nichtsdestotrotz habe ich es so statt, dass sich alle ständig nach meinem Wohlbefinden erkundigen, wenn es mir nicht gut geht.
Anderseits ... wann ist es mir zum letzten Mal gutgegangen?
Der Strand mit der steilen Küste taucht vor meinen Augen auf.

Es war der Sommer unseres letzten Familienurlaubs.
Mom und Dad sind Arm in Arm hinter mir und Ben gelaufen, während ich ein Foto nach dem anderen schoss und Ben versuchte, Steine über das Wasser springen zu lassen.
Es ist der letzte wirklich glückliche Tag, an den ich mich erinnern kann.

Und es schmerzt mich, daran zurückzudenken.
Also richte ich meine Aufmerksamkeit auf Jess und AJ, die sich gerade über die Gruppenprojekte unterhalten.
Ich bemerke, dass mein Gesicht wirklich nicht gerade freundlich oder gar fröhlich aussehen muss.

Meine Züge sind angespannt, die Augenbrauen immer noch zusammengezogen, meine Arme verschränkt und ich kaue auf meiner Unterlippe herum.
Ich lasse die Arme fallen, doch es hilft nichts.
Nichts hilft.

Den ganzen Mittag über bleibe ich angespannt.
Ich weiß nicht, wo meine Sorgen über Ben und meine Familie sich mit denen um Jace und seine plötzliche gekränkte, wortkarge Art schneiden.
Ich weiß nur, dass ich ermahnt werde. Mehrmals.

"Ophelia, schau nicht andauernd aus dem Fenster."
"Was ist denn los mit dir? So kenne ich meine beste Schülerin ja gar nicht."
"Ich werde das Tafelbild bestimmt nicht länger stehen lassen, nur weil sich eine von euch dazu entschieden hat, nicht aufzupassen."

Der ganze Tag ist unangenehm, beinahe eine Qual.
Auf dem Weg zum Bahnhof sprinte ich beinahe, weil ich es nicht erwarten kann, endlich wieder vor einem Menschen zu stehen, der mich ohne Worte versteht.
Auch wenn mir diese Fähigkeit an Jace überwiegend unheimlich vorkommt, sie ist auch beruhigend. Und jetzt gerade brauche ich jemanden wie ihn.

Ich will mich nicht mehr erklären müssen. Bis jetzt habe ich auch wirklich nicht das Gefühl gehabt, dies bei Jace tun zu müssen.
Jedenfalls bis heute nicht.
Denn nach heute Morgen glaube ich, ihm eine Erklärung schuldig zu sein.

Auf dem Bahnsteig angekommen, ziehe ich mir die Mütze vom Kopf.
Die Aprilsonne wärmt die Luft mit aller Kraft und ich sauge sie tief in mich ein.
Doch spätestens als drei kreischende Kinder neben mir auftauchen, vermisse ich mein Auto.
Wird Jace wieder auf mich warten? Wie versprochen? Oder hat er es sich anders überlegt, nachdem ich heute früh nichts Besseres zu tun hatte, als nur über mich zu reden.

Nervös wippe ich mit den Füßen. Warum musste ich auch so verdammt egomanisch rüberkommen?
Eine blonde Strähne wird vom Wind erfasst und mir ins Gesicht geweht. Ich lasse es geschehen.
Es erinnert mich an den Strand. Und für einen kurzen Moment kann ich einfach nur an den Sand und das Meer denken, ohne meine Familie zu sehen.

Ich ziehe mein Handy hervor und halte die Kamera in die Sonne, drücke ab und halte den ersten richtigen Beweis des Frühlings in meinen Händen.

_________________________
Song: tolerate it - Taylor Swift

Hi friends :)
Spät, I know.
Und Morgen wird das nicht anders aussehen, ich sags nur schon mal.
Und Übermorgen ... bin ich 21. fuck my life.

Und ich kann wieder nicht mit Freunden feiern & that makes me sad.
seufz.

Aber ich kann für mich selber backen & das werde ich morgen tun, deswegen werde ich später updaten xD da habt ihr den unnötigen Grund hahaa

Anyways.
Es wird jetzt wohl aber wirklich Frühling, oder?
Die Sonne war heute jedenfalls schon sehr warm in meinem Gesicht :)

All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt