30.

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Wir sind ins Krankenhaus gefahren. Und ich habe meine Mutter gesehen, wie verschiedene Geräte mit ihrem Körper verbunden waren und ihr Blut reinigten.
Und ich habe geweint, wollte weglaufen. Doch mein Vater hat mir ein schlechtes Gewissen gemacht und so wartete ich im Flur. Allein.
Und Ben war wieder nicht dabei.

All das würde ich Jace jetzt so gerne ins Gesicht sagen. Ich möchte ihm auf seine Frage, was gestern passiert ist, antworten.
Mein Mund öffnet sich, doch die Worte bleiben mir im Hals stecken.
"Du musst nicht -"

"Ich will, aber ich kann nicht", unterbreche ich ihn, fühle mich schuldig, wie ich mich schon seit Monaten fühle.
Nur jetzt fühle ich mich zum ersten Mal auch ihm gegenüber schuldig. Und ich hasse dieses Gefühl. Ich hasse die Emotion, die über sein Gesicht huscht, seine Wangenknochen einfallen lässt.

"Ich kann einfach nicht aussprechen, was -"
"Ist okay. Ich kenne das."
Ungläubig schaue ich auf. Jaces unergründliche, grüne Augen liegen auf mir. Er hat die Hände in den Taschen seiner schwarzen Jacke vergraben.

Es ist immer noch dieselbe, die er auch bei der Eiseskälte trug.
Mittlerweile hat er allerdings den Reißverschluss geöffnet und präsentiert mir ein dunkelbraunes Shirt darunter.
Etwas in seinem Blick sagt mir, dass er wirklich versteht.

Fast will ich den unangebrachten Kommentar fallen lassen, dass er doch bestimmt schon an meiner Körpersprache gelesen hat, dass meine Mutter eine Alkoholvergiftung hat, weil sie das Leben mit ihrer Familie nicht mehr aushält.
Aber ich beiße mir auf die Zunge, schlucke die bitteren Worte und ziehe meine Jeansjacke enger um meine Schultern.

"Es ist meine Mutter."
Jaces Augen ruhen weiterhin auf mir.
Er verrät mir keine Sekunde lang, was er denkt, ob er überrascht oder schockiert ist.
Er steht einfach nur vor mir und hört mir zu.

Sein Schweigen fordert mich heraus, weiterzusprechen und so ringe ich erneut nach Luft.
Mein rechter Zeigefinger kratzt an meinem blauen Nagellack.
Normalerweise mache ich das nie. Nur, wenn ich nervös bin.

"Sie hat eine ... zu viel getrunken."
Ich weiche seinem Blick aus.
"Sie hat Probleme seit ..."
Ich halte inne. Nein, dass kann ich ihm nicht anvertrauen.

"Seit einiger Zeit."
Ich lasse meine Arme fallen und verliere mich kurz in Jaces ruhigen Augen.
Die undeutbaren Emotionen sind von seinem Gesicht verschwunden.
"Ist sie im Krankenhaus?", fragt er und tritt einen Schritt auf mich zu.

Plötzlich fühlt sich unser Gespräch viel intimer an. Mit diesem einen Schritt hat er es geschafft, all die Menschen um uns herum auszusperren.
Ich sehe nur noch ihn, höre seinem Atem zu.
Ich nicke, zu mehr bin ich nicht in der Lage, da herber, waldiger Geruch meine Sinne vernebelt.

"Warst du bei ihr?"
Jace senkt den Kopf ein wenig und schaut mir noch tiefer in die Augen.
Ich habe das Gefühl, dass er auf den Grund meiner Seele schauen kann und möchte am liebsten jede einzelne Tür in meinem Inneren zuziehen und mich vor ihm verbergen.

Aber dafür ist es zu spät. Er ist bereits viel zu weit vorgedrungen.
"Ja, aber ... ich konnte nicht bei ihr bleiben. Ich habe diesen Anblick nicht ertragen."
Ich lege eine Pause ein, drehe den Kopf weg und studiere das Getränkeangebot des Automaten neben uns.

"Mein Bruder war auch mal im Krankenhaus. Ich kann sowas seither nicht mehr gut sehen, verstehst du?"
"Ja."
Er fragt nicht nach, was mein Bruder hatte, warum er da war.

Fast glaube ich, dass Jace die rechte Hand aus seiner Tasche ziehen will, um mir über den Arm zu streichen.
Aber er tut er nicht.
Ein Schmerz huscht über sein Gesicht und er hält sich zurück.

Ich will ihm sagen, dass er mich berühren darf - ja, sogar soll. Aber das wäre nicht angemessen und so stehen wir uns eine Weile schweigend gegenüber.
"Wir sollten unsere Nummern austauschen", schlage ich dann vor und wechsle das Thema.
"Ich habe mich richtig schlecht gefühlt, dich gestern einfach so stehenzulassen. Wenn ich deine Nummer hätte, könnte ich dir in solchen Fällen Bescheid geben, dass ..."

Ich verliere den Faden.
In meinem Kopf denke ich darüber nach, warum er überhaupt daran interessiert sein sollte, solche Informationen von mir zu erhalten.
"Ja. Gerne. Ich gebe sie dir morgen."

Ich lege die Stirn in Falten.
Morgen? Warum nicht jetzt?
Aber ich sage nichts, nicke erneut.

Doch Jace hört meine stumme Frage und grinst.
Seine stumme Antwort.
Fast verdrehe ich die Augen darüber, wie wir miteinander kommunizieren oder es eben nicht tun.

Jace zieht die Hände aus den Taschen und mich überkommt die naive Hoffnung, dass er mir vielleicht doch noch über die Arme streichen wird oder mir wenigstens einen aufmunternden Schubs gibt, wie es Jess immer tut.
Doch nichts geschieht.

Er steht einfach nur vor mir und verschränkt die Hände hinter seinem Rücken. Fast um sie von mir fernzuhalten.
"Erwarte dann aber nicht von mir, dass ich dich jeden Abend anruft und in den Schlaf flüstere", sagt Jace.
Ertappt schaue ich weg, fahre über meinen Unterarm.

"Nein, natürlich nicht."
Ich schüttele den Kopf und sortiere mich.
"Obwohl ...", ich versenke meinen Blick in seinem, "... ich mir das insgeheim doch gewünscht habe."
Ich zwinkere ihm zu, froh darüber, dass ich und er zurück zu dieser ungezwungenen Art der Kommunikation gefunden haben.

Jace grinst. Dabei bildet sich ein kleines Grübchen unterhalb seines Mundwinkels.
Wie gebannt schaue ich auf seine Lippen.
"Vielleicht will ich ja auch von dir angerufen werden", formen diese nun.
Nach seinen Worten zuckt er beiläufig mit den Schultern und betrachtet dann meine Tasche.

Instinktiv fasse ich den Schultergurt etwas fester.
"Dein Zug kommt."
Grüne Augen finden wieder zu meinem Gesicht und er macht einen Schritt zurück.
Mit einem Mal sind da wieder die anderen Menschen, ihre Gespräche und die sitzen Schuhe, die sich lautstark in den Asphalt bohren.

Ich blinzle. Die Blase, die Jace um uns erschaffen hat, ist verschwunden.
Ich will nicht sagen, dass sie zerplatzt ist, denn das ist sie nicht.
Ich weiß, dass sie immer noch da ist und dass Jace nur einen Schritt auf mich zu machen muss, um sie wieder zu erschaffen.

"Manchmal kann ich gar nicht glauben, dass wir uns erst so kurz kennen", rutscht es mir heraus.
"Ja, oder?"
Die Röte auf meinen Wangen wird von seinem Verständnis vertrieben.
"Es war doch nicht die schlechteste Entscheidung meines Lebens, die ich an diesem Morgen getroffen habe ..."

Ich kann ihm nicht widersprechen, denn er schabt mit seinem Lederschuh über die Steine, schaut zu Boden und dann wieder zu mir.
Ich kann ihm nicht widersprechen, weil er mich in diesem Moment mit seiner Geste sprachlos macht. Ich will wissen, was die schlechteste Entscheidung seines Lebens gewesen ist.

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Song: Walking above the city - The Paper Kites

Hey fellas :)

heute bin happy because ich musste zum Zahnarzt - nachgucken. UND ES MUSSTE NICHT GEMACHT WERDEN WWUUPP
(dazu müsst ihr wissen, dass ich Zahnärzte echt hasse!!! ich bin immer so anxious :/ )

btw: Es hat heute einfach gedonnert. Einfach so. xD
Aber alle Bäume werden jetzt so langsam grün & der Raps blüht auch schon - finally it's spring.

Ich werde mich erst am Samstag wieder bei euch melden, ja?
Ich bin tot müde! & merke jetzt schon, dass ich heute Abend nicht wirklich was gutes schreiben werde...

Well, i see u then :)
All my Love,
Lisa xoxo

almost Hate [ᴬ ᴸᵒᵛᵉˢᵗᵒʳʸ]✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt